Die Wildtierpopulationen der Welt sind in den letzten vier Jahrzehnten um mehr als zwei Drittel gesunken. Der Rückgang bei rund 21'000 beobachteten Populationen beträgt zwischen 1970 und 2016 im Durchschnitt 68 Prozent. Einige der Ursachen: Entwaldung, nicht nachhaltige Landwirtschaft und der illegale Handel mit Wildtieren. Das geht aus dem am Donnerstag veröffentlichten «Living Planet Report 2020» der Umweltstiftung WWF und der Zoologischen Gesellschaft London hervor.
Der Wert hat sich im Vergleich zur vergangenen Ausgabe des Berichts von 2018 weiter verschlechtert. Einbezogen wurden nun Bestände von mehr als 4400 bedrohten und nicht bedrohten Säugetieren, Vögeln, Fischen, Amphibien und Reptilien. Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt der Tierwelt, denn Insekten wurden nicht einberechnet.
Dem Bericht zufolge sind die Regionen Lateinamerika und die Karibik am stärksten betroffen: Dort gingen die Populationen um satte 94 Prozent zurück.
Der Report zeigt, dass die Menschen drei Viertel der eisfreien Landoberfläche des Planeten erheblich verändert haben. Und laut WWF bedroht die Zerstörung des Ökosystems in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten rund 1 Million Arten vom Aussterben. Genauer: 500'000 Tiere und Pflanzen sowie 500'000 Insekten.
Der einzige Ausweg sei Experten zufolge die Umgestaltung der Art und Weise, wie wir Lebensmittel produzieren und konsumieren und die Bekämpfung des Klimawandels.
Der WWF spricht von einem neuen Tiefpunkt bei der biologischen Vielfalt. «Der gravierende Rückgang der untersuchten Bestände wildlebender Tierarten ist ein Warnsignal unseres Planeten für ein totales Systemversagen», sagte Thomas Vellacott, CEO des WWF Schweiz, gemäss einer Mitteilung. Der Mensch habe die Macht, die Natur zu zerstören – oder aber zu erhalten.
«Von den Fischen in unseren Ozeanen und Flüssen bis hin zu den Bienen, die eine entscheidende Rolle in unserer landwirtschaftlichen Produktion spielen: Der Rückgang der Wildtierbestände wirkt sich direkt auf die Ernährungssicherheit und die Lebensgrundlagen von Milliarden von Menschen aus», sagte Vellacott.
Experten zufolge nimmt die Artenvielfalt in Süsswassergebieten am schnellsten ab. 85 Prozent der globalen Feuchtgebiete sind seit der industriellen Revolution verloren gegangen.
Um die wachsende Weltbevölkerung ernähren zu können, würden immer mehr Flüsse gestaut und die Süsswasserressourcen zur Herstellung von Nahrungsmittel genutzt, erklärt Rebecca Shaw, Chefwissenschaftlerin beim WWF, gegenüber «CNN».
Als besonders gefährdete Tiere nennt der WWF den Östlichen Flachlandgorilla im Kongo, Lederschildkröten in Costa Rica und Störe im Jangtse - bei den letztgenannten liege der Rückgang seit 1970 bei 97 Prozent.
Shaw zufolge sei der Rückgang der Population ein Hinweis auf die Fähigkeit des Planeten, das Leben zu unterstützen – oder eben nicht. «Wir konzentieren uns auf Arten, die in grossen Schwierigkeiten sind oder vom Aussterben bedroht sind. Aber bis die Art dort ankommt, erfüllt sie nicht mehr ihre ökologische Funktion», so Shaw.
Der WWF warnt davor, dass dieser Verlust an biologischer Vielfalt die Ernährungssicherheit der Welt gefährdet. Der Klimawandel sei zwar noch nicht die Hauptursache für den Verlust biologischer Vielfalt, wird aber in den kommenden Jahren zum Haupttreiber werden, wenn die Staats- und Regierungschefs der Welt keine Massnahmen ergreifen.
«Da sich der Fussabdruck der Menschheit auf einst wilde Orte ausdehnt, zerstören wir Artenpopulationen. Aber wir verschärfen auch den Klimawandel und erhöhen das Risiko von zoonotischen Krankheiten wie Covid-19», sagt Carter Roberts, Präsident und CEO des WWF-US, in einer Erklärung. Zoonotische Krankheiten sind solche, die vom Tier zum Menschen springen.
Und auch WWF-Chefwissenschaftlerin Rebecca Shaw zeichnet ein düsteres Szenario: «Je länger die Tierwelt einen Teil der Lieferketten bleiben, desto grösser ist das Risiko, dass eine Tierkrankheit auf den Menschen übergreift. Wir spielen russisches Roulette mit der Gefahr von Pandemien und werden am Ende ... gross verlieren. Und Covid-19 ist nur der Anfang.» (cki/sda)
Kurzfristige Gewinne sind wichtiger als nachhaltiges Handeln.
Konsum, Konsum, Konsum bis zum bitteren Ende.