Gegen 2 Uhr nachts am 30. Juni 1916 erschütterten mehrere Explosionen New York City. In einem Umkreis von 40 Kilometern zersprangen Fensterscheiben. Die Erschütterungen waren bis ins knapp 130 Kilometer entfernte Philadelphia zu spüren und erreichten einen Wert von 5,5 auf der Richter-Skala. Und die Nachwirkungen der Explosion reichen sogar bis heute.
Das Ereignis ging als «Black-Tom-Explosion» in die Geschichte ein, weil die Ursache ein Brand in einem Lager auf Black Tom Island war. Dort waren Waffen und Munition gelagert. Zwar waren die USA zu diesem Zeitpunkt noch nicht aktive Kriegspartei im Ersten Weltkrieg, belieferten allerdings das Vereinigte Königreich, Frankreich und Russland mit Waffen und Munition.
Was steckte hinter der Katastrophe?
Zunächst gingen Ermittler von einem Unfall aus. Doch aufgrund der Brisanz der Ware, die bei dem Brand vernichtet wurde, vermutete man schnell einen Anschlag. Die Spuren führten dabei immer wieder nach Deutschland. Trotz einer nicht ganz eindeutigen Beweislage erklärte daher 1939 eine Kommission, dass Deutschland für den Angriff verantwortlich gewesen sei.
Das FBI vermutet den damaligen Botschaftsmitarbeiter Franz von Rintelen als Strippenzieher hinter der Aktion. Dieser habe drei Männer rekrutiert, um eine Waffenlieferung nach England zu verhindern, heisst es.
Der deutsche Lothar Witzke habe dann, laut dem US-Inlandsgeheimdienst, gemeinsam mit dem in die USA eingebürgerten Kurt Jahnke und dem österreichischen Immigranten Michael Kristoff die Tat begangen.
Die Explosionen hinterliessen enorme Schäden. Unter anderem gingen fast alle Scheiben am berühmten Times Square zu Bruch. Aber auch die Freiheitsstatue trug Schäden davon. Diese waren so schwer, dass sie Besucher der Statue bis heute einschränken.
Liberty Island, die Insel, auf der die Freiheitsstatue steht, liegt direkt gegenüber von Black Tom Island, die eigentlich eine Halbinsel am Ufer von New Jersey ist. Daher blieb auch das berühmteste Wahrzeichen von New York nicht von der Explosion verschont. Besonders die Fackel der Statue wurde in Mitleidenschaft gezogen. Umherfliegende Teile beschädigten die Flamme und die Aussichtsplattform.
Daher entschied man sich nach der Renovierung, keine Gäste mehr auf die Aussichtsplattform auf der Fackel zu lassen. Obwohl man die Fackel im Jahr 1984 komplett austauschte, besteht diese Regelung bis heute fort. Besuchern bleibt der einmalige Ausblick aus der Fackel vorenthalten. Aber auch eine weitere Regelung, die bis heute besteht, geht auf den 30. Juni 1916 zurück.
Denn infolge der Explosion wollten viele Menschen ihre Versicherung nutzen, um Kosten wie die Reparatur zerbrochener Fensterscheiben erstattet zu bekommen. Doch die Versicherer weigerten sich. Sie bezeichneten das Ereignis als eine Kriegshandlung. Diese sei nicht von der Versicherung gedeckt gewesen.
Der Streit konnte erst vor dem obersten US-Gerichtshof geklärt werden. Dieser bestätigte, dass es sich bei den Angriffen um eine Kriegshandlung gehandelt habe und diese nicht von der Versicherung abgedeckt gewesen sei. In der Folge boten Versicherer daher Kriegsrisikoversicherungen an. Diese werden bis heute in den USA verkauft.
Die «Black-Tom-Explosionen» haben also bis heute Einfluss auf das Leben in den Vereinigten Staaten. Und auch als Tourist in New York City spürt man noch die Folgen des Anschlags, der mittlerweile mehr als 100 Jahre zurückliegt.
Insgesamt 1'000 Tonnen Munition, darunter 45'000 Kilogramm TNT, gingen an diesem Tag in die Luft. Sieben Menschen wurden dabei getötet. Die Gesamtschäden beliefen sich Schätzungen zufolge auf 20 Millionen US-Dollar. Das entspricht heute etwa einem Wert zwischen 365 und 440 Millionen US-Dollar. Zwischen 1953 und 1979 leistete Deutschland daher eine Kompensationszahlung in Höhe von 50 Millionen US-Dollar.
(t-online/dsc)