Gewisse (selbsternannte) Experten hielten sich vor dem Bitcoin–ETF nicht zurück: «Darum wird Bitcoin innerhalb von Tagen bis Wochen auf eine Million Dollar schiessen», schrieb Samson Mow auf X (früher Twitter) – und war mit seinem Optimismus bei Weitem nicht der Einzige. Auf der anderen Seite des Kryptograbens prognostizierten die üblichen Verdächtigen mit demselben Eifer nun den endgültigen Untergang der Mutter aller Kryptowährungen. Nichts dergleichen traf ein.
Bitcoin hat seit der Einführung der ETFs ein paar Prozente eingebüsst und befindet sich heute mit +- 42’500 Dollar auf dem Stand von Beginn des Jahres. Der meistbeachtete Bitcoin–ETF, derjenige von BlackRock, hat seit seinem Höchststand (29.60 Dollar) wenige Minuten nach Handelsbeginn 16,5 Prozent verloren und steht heute bei 24.72 Dollar. Warum der Einbruch?
Vieles deutet darauf hin, dass der Einbruch mit den ETF–Gebühren zu tun hat.
Dazu muss man Folgendes wissen: Unter den Anwärtern für einen Bitcoin-ETF befand sich auch Grayscale Investments. Grayscale verwaltete den ersten US–Bitcoin Fonds, den Grayscale Bitcoin Trust (GBTC). Wer in den USA in Bitcoin investieren wollte, ohne selbst Bitcoins besitzen zu wollen (oder zu dürfen), konnte von diesem Fonds profitieren. Ganz selbstlos tat das Grayscale nicht, sondern verlangte dafür happige Gebühren: 2 Prozent. Trotzdem war das Vehikel ein voller Erfolg. Phasenweise besass der Fonds über 3 Prozent aller Bitcoins mit einem Wert von weit über 20 Milliarden.
Gleichzeitig bemühte sich der Finanzverwalter, den Fonds in einen ETF (Exchange traded Fonds) zu verwandeln. Die beiden Anlagevehikel unterscheiden sich in Sachen Handelbarkeit, Gebühren und Zugänglichkeit, trotzdem vereitelte die amerikanische Börsenaufsicht (SEC) das Vorhaben. Nach einem gewonnenen Gerichtsverfahren im letzten Jahr wurde der Grayscale–Antrag im Januar zusammen mit den anderen angenommen, und aus dem Fonds wurde ein ETF. Geblieben sind die happigen Gebühren. Zwar hat Grayscale diese von 2 auf 1,5 Prozent gesenkt, sie liegen aber immer noch weit über denjenigen der Konkurrenz. Warum? Es wird vermutet, dass der seit dem FTX-Kollaps angeschlagene Mutterkonzern Digital Currency Group diese Einnahmen nicht einfach so aufs Spiel setzen will.
Und so kam es, wie es kommen musste: Gleich am ersten Tag erlebte der neue Grayscale ETF einen Abfluss von über einer halben Milliarde. Wie die Financial Times meldet, bestätigte sich dieser Trend. In den ersten drei Tagen wurden Vermögenswerte von 1,1 Milliarden Dollar abgezogen.
Als Folge muss Grayscale Bitcoins verkaufen. Mutmassliche Grayscale-Konten verschoben in den letzten Tagen über 11’000 Bitcoins (im Gegenwert von 473 Millionen). Ein Teil davon dürfte von den neuen Bitcoin-ETFs aufgesogen worden sein. Das zusätzliche Angebot hat aber mitgeholfen, den Preis zu drücken. Dieser stand mit über 49’000 Dollar kurzzeitig so hoch wie im gesamten letzten Jahr nicht. Viele Spekulanten dürften deshalb die Gewinne der letzten Tage, Wochen und Monate realisiert haben.
Hinzu kommt, dass zahlreiche Spekulanten die ETF-Genehmigungen als sogenannten Verkaufe-die-Nachricht–Event (Sell the news event) taxierten und nur auf einen kurzfristigen Gewinn aus waren. Deshalb gilt: Jetzt bereits ein Fazit der ETFs zu ziehen, wäre verfehlt. Erst die kommenden Jahre werden Gewissheit bringen.
Dinge haben genau so viel, wie sich jemand findet, der bereit ist, den Betrag zu bezahlen. Wenn sich niemand findet, der eine Briefmarke kaufen will, ist sie nur noch Altpapier, egal wie selten sie ist.