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Geflüchtete zu Hause aufnehmen – Warum nicht jedes WG-Zimmer in Zürich willkommen ist

Seit Samstag treffen am Hauptbahnhof Zürich regelmässig Züge mit Flüchtenden aus der Ukraine ein. So auch am Dienstagmorgen. Der Zug aus Budapest brachte über 80 Ukrainerinnen und Ukrainer in die Schw ...
Seit Samstag treffen am Hauptbahnhof Zürich regelmässig Züge mit Flüchtenden aus der Ukraine ein. So auch am Dienstagmorgen. Der Zug aus Budapest brachte über 80 Ukrainerinnen und Ukrainer in die Schweiz. Die meisten ziehen gleich weiter zu Verwandten im Ausland.Bild: ZüriToday

Geflüchtete zu Hause aufnehmen – Warum nicht jedes WG-Zimmer in Zürich willkommen ist

Viele Zürcherinnen und Zürcher möchten sich engagieren und einen Teil ihres Wohnraums für Flüchtende aus der Ukraine zur Verfügung stellen. Martin Roth, Mediensprecher der AOZ, erklärt, worin die Schwierigkeiten liegen.
08.03.2022, 10:3708.03.2022, 12:09
Maarit Hapuoja / ch media
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Die Situation, Flüchtende bei sich wohnen zu lassen wird unterschätzt

Um Flüchtende aus der Ukraine zu unterstützen, läge der Fokus laut Martin Roth, Abteilungsleiter Kommunikation und gesellschaftliche Diversität bei der Asylorganisation Zürich (AOZ), nicht auf der Vergabe eines WG-Zimmers oder sonst eines Zimmers. «Wir mieten Häuser und Wohnungen an, das ist unser Fokus. Wir brauchen Wohnraum, sonst haben wir nach 3 Wochen wieder ein Problem», sagt Roth.

Was für ein Problem? WG-Zimmer seien oftmals keine nachhaltige Lösung. Zum Beispiel würden viele hilfsbereite Personen die Situation unterschätzen, mit geflüchteten und eventuell traumatisierten Menschen zusammenzuwohnen, erklärt Roth.

«Wir suchen dauerhafte Wohnlösungen. Der Krieg wird nicht von heute auf morgen vorbei sein», betonte auch Sicherheitsdirektor Mario Fehr an der Kantonsratssitzung am Montag. Darüber müssten sich Zürcherinnen und Zürcher, die sich eine Aufnahme überlegen, bewusst sein, so Fehr.

Doch nun könnte genau dies doch auch eine gute Lösung sein. Das Staatssekretariat für Migration, SEM, hat am Montag Nachmittag erklärt, dass sie Personen in der Schweiz, die geflüchteten Menschen eine Unterkunft anbieten können und wollen, unterstützen will. In den letzten Tagen wurde mit den Kantonen und den Partnerorganisationen eine Strategie ausgearbeitet.

Wenn nun also das SEM mit der Schweizer Flüchtlingshilfe und Campax zusammenarbeitet und Privatpersonen bei der Beherbergung unterstützt, können Problematiken verhindert werden, sodass Ukrainerinnen und Ukrainer nicht in einen «Mismatch» geraten und das Zusammenleben in Gastfamilien funktioniert.

Status S

In der Schweiz gibt es bereits bestehende Strukturen für Flüchtende. Der übliche Weg beginne beim Bundesasylzentrum, dort werde der Status geklärt, sagt Roth. Dann werde man auf die Gemeinden verteilt. «Wenn das zu schnell geht, dann wird das System überlastet», so Roth.

Damit die Flüchtenden nicht all diese Strukturen durchlaufen müssen, ist die Einführung des Status S ein wichtiges Thema. «Das ist noch nie zuvor eingesetzt worden in der Schweiz», so Roth. Das SEM hat am Montag über die Aktivierung des Status S für ukrainische Flüchtlinge entschieden. Es gehe um die rasche und unbürokratische Aufnahme von Menschen, die das Land wegen des Krieges verlassen, sagte Karin Keller-Sutter bereits letzten Freitag.

«Die Personen werden Nothilfe bekommen, die Kinder können in die Schule und für die Krankenkasse ist gesorgt», sagt Martin Roth. Sonst müssten die Personen in ein Asylzentrum. «Es ist wichtig, dass die Leute ankommen und sich erholen können und nicht sofort in eine Kollektivstruktur kommen».

Viele haben sich privat organisiert, um Flüchtende aufzunehmen

Tatsächlich handelt es sich bei den meisten Anfragen, die bei der AOZ eingehen, laut Roth um Personen, die bereits Jemanden bei sich zu Hause haben. Diese hätten sich privat über Bekannte oder Verwandte organisiert. «Diese Personen rufen an, weil sie wissen müssen, was sie als nächstes tun sollen». Die beste Lösung sei laut Roth zuzuwarten.

«Es macht niemand etwas falsch, der Flüchtende privat aufnimmt», so der Abteilungsleiter Kommunikation der AOZ. Vor allem für die ersten paar Tage sei die Unterstützung dadurch gross. Später könne es aber zu Herausforderungen kommen, zum Beispiel nur schon die Frage, ob sich die Gastfamilie eine solche Unterbringung längerfristig leisten kann.

Auch hier muss beachtet werden, dass die aktuellen Strategien des SEM den Herausforderungen mit der langfristigen Beherbergung entgegenwirken können. «Je nachdem, wie sich die Zahlen entwickeln, ist die Privatunterbringung ein möglicher Weg», sagt Roth.

Nachhaltige Wohnmöglichkeiten sind gefragt

Es gilt also festzuhalten, dass die Solidarität in der Bevölkerung enorm gross ist und viele Bewohner auch aus Zürich sich bereits privat organisiert haben, um Flüchtende zu Hause aufzunehmen. Die Vergabe von Zimmern an Flüchtende dürften mit dem Engagement des SEM und mit dem Status S eine bessere Option werden.

Die AOZ will aber auch nachhaltige Wohnmöglichkeiten für Ukrainerinnen und Ukrainer anbieten. Das können ganze Wohnstrukturen sein oder Vermieter und Hausbesitzerinnen, die der Stadt längerfristig Wohnungen oder Häuser zur Unterbringung von Geflüchteten vermieten können. Mieterin wäre in diesen Fällen dann die AOZ als Organisation.

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