Kalte Dusche für die Swiss: Jetzt kommt es zum Flotten-Fiasko
Es war für die Swiss der emotionale Höhepunkt des Jahres: Vor drei Wochen landete der erste, fabrikneue Airbus A350 der Lufthansa-Tochter am Flughafen Zürich. Die insgesamt 10 bestellten Flugzeuge sollen eine neue Ära bei der Swiss einläuten. Sie ersetzen einen Teil der in die Jahre gekommenen Langstreckenflotte, und sie stehen auch für den Startschuss zur Modernisierung der Kabine.
Bei der Landung wurde das Flugzeug mit Wasserfontänen begrüsst. Ähnlich lässt sich das Resultat nach den ersten neun Monaten des Jahres beschreiben: Es ist eine kalte Dusche. Zwar resultierte von Januar bis September nach wie vor ein beträchtlicher Gewinn von 411,2 Millionen Franken – notabene der höchste innerhalb der Lufthansa-Gruppe. Doch dies entspricht einem happigen Minus von 19 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode. Die operativen Erträge verharrten auf ähnlich hohen 4,2 Milliarden Franken. Und die Baustellen der Airline sind zahlreich.
«Der Trend geht leider in die falsche Richtung», sagte Finanzchef Dennis Weber bei der Präsentation der Zahlen am Donnerstag. Das Resultat entspreche nicht dem eigenen Anspruch. Als Hauptursache nennt Weber das Nordamerika-Geschäft, der wichtigsten Umsatzbringer der Airline. «Da sehen wir Bremsspuren.»
Keine baldige Trendwende
Bei den vorderen Reihen, also in der Business und First Class, seien die Buchungen zwar nach wie vor gut. «Doch in der Economy und teils auch in der Premium Economy fehlt die Nachfrage.» Hier müsse man die Preise senken, sagt Weber. Sprich: Schnäppchenpreise sind nötig, um dem USA-Groll entgegenzuwirken, der sich seit Donald Trumps Rückkehr ins Weisse Haus breit macht. «Wir rechnen nicht mit einer unmittelbaren Trendwende», sagt Weber. Die Zurückhaltung bei der Schweizer Kundschaft werde wohl vorerst bleiben, trotz der vorteilhaften Währungssituation, welche Ferien in San Francisco oder New York derzeit vergünstigt.
Zu spüren bekomme man auch höhere Kosten, sagt Weber. Zwar sei der Kerosinpreis aktuell tief, doch verschiedene Tarife, zum Beispiel für Überflugsrechte, seien gestiegen. Ausserdem habe man das Personal deutlich aufgestockt. Allerdings ist die Swiss mit einer auf den ersten Blick bizarren Situation konfrontiert: Der Reisesektor boomt, doch die Airline hat derzeit 400 Flight Attendants zu viel (CH Media berichtete). Grund dafür ist ein gleichzeitiger Personalmangel im Cockpit, der die Swiss im Frühling dazu zwang, im Sommer 1400 Flüge zu streichen. Die anhaltenden Triebwerksprobleme bei gewissen Flugzeugen trugen das Ihrige zur Flugstreichung bei.
Für die höheren Kosten und den Piloten-Engpass ist auch die Einflottung der A350-Flugzeuge mitverantwortlich. Denn die Crew und auch das Technik-Team müssen für die neuen Maschinen umgeschult werden. Das bindet zeitliche und finanzielle Ressourcen.
Rote Zahlen in der Calvin-Stadt
Bereits am Mittwoch gab die Swiss gegenüber der Nachrichtenagentur AWP bekannt, dass sie am Flughafen Genf im Sommer 2026 den Rotstift ansetzt und einen Viertel der Kurzstreckenziele streicht. «Genf ist für uns derzeit ein Verlustgeschäft», sagt Weber. Künftig sei es vorstellbar, dass andere Lufthansa-Airlines, wie der Billig-Anbieter Eurowings, Flüge der Swiss in der Calvin-Stadt übernehmen würden.
In Genf ist Easyjet die klare Nummer 1 und in den vergangenen Jahren investierte die Swiss viel, um Marktanteile zu gewinnen. Zudem flog sie temporär aus der Verlustzone. Umso überraschender ist nun dieses Streichkonzert. Ein genauer Plan für die Zukunft der Swiss in Genf werde derzeit ausgearbeitet, sagt Weber.
Der Rotstift hat damit noch nicht ausgedient. Denn Swiss-Chef Jens Fehlinger will ein bereits laufendes Effizienzprogramm ausbauen, wie sein Finanzchef Weber ankündigt: «Wir müssen unsere Kostenbelastungen kompensieren.»
Prestige-Deal als Flotten-Fiasko
Und da kommen auch drastische Massnahmen zum Einsatz. Denn die Swiss groundet einen Teil ihrer Problem-Flotte per sofort für mindestens eineinhalb Jahre. Weber bestätigt entsprechende Informationen des «Tages-Anzeigers». Dabei handelt es sich um neun Flugzeuge des Typs Airbus A220-100. Diese begann die Swiss ab 2016 auf Geheiss von Fehlingers Vor-Vor-Gänger Harry Hohmeister einzuflotten – als Erstkundin.
Doch der Prestige-Deal entpuppt sich im Nachhinein als Fiasko. Die Maschinen sind von Triebwerksproblemen und übermässiger Korrosion betroffen, sie müssen viel zu häufig gewartet werden und stehen deshalb oft am Boden. «Es ist ein Produktionsproblem, dass uns bis zum Lebensende dieser Flugzeuge begleiten wird», sagt Weber. Die Triebwerke werden nun abmontiert und stattdessen für den etwas grösseren Flugzeugtyp, den A220-300 eingesetzt.
Der A350-Euphorie zum Trotz lautet die derzeit also viel eher Trump, Triebwerks-Tohuwabohu und teurere Tarife. Für Weber ist deshalb klar: «Unsere Wachstumspause wird noch eine Weile anhalten.»


