Sonntagabend, kurz vor 23 Uhr beim Goldbrunnenplatz. Ein Schatten huscht über das Trottoir, versteckt sich in der vergitterten Nische vor einem Kellerfenster. Bei genauerem Hinsehen wird klar: Eine Ratte guckt zwischen den Gitterstäben hervor. Das pelzige Nagetier hält kurz inne und verschwindet dann im Dunkeln der nächtlichen Stadt.
In den vergangenen Monaten sind mehrfach Sichtungen von Ratten bekannt geworden. Im November 2021 wurde publik, dass sich die Tiere am Hönggerberg nach den starken Regenfällen vom Sommer angesiedelt hatten. Anfang August tauchten sie am helllichten Tag auf dem Lindenplatz auf, angelockt durch Taubenfutter, wie TeleZüri berichtete.
Nur weil ab und zu eine Ratte in der Stadt gesehen wird, könne man noch nicht von einer Plage oder Häufung sprechen, erklärt Marcus Schmidt von der Schädlingsprävention und -beratung der Stadt Zürich. Die Tiere leben seit jeher in der Kanalisation. Wenn diese an einer Stelle durch einen Schaden offen steht oder an einem Ort besonders viel Futter zu finden ist, wagen sich die Ratten ans Tageslicht, wie am Lindenplatz geschehen.
Wie viele Ratten in und unter Zürich leben, sei schwer zu schätzen, sagt Schmidt. Meldungen seien relativ selten. Trotzdem schenke die Stadt dem Thema Aufmerksamkeit, mehr als andere Gemeinden. Denn kommen die Ratten dem Menschen zu nahe, können sie zum Problem werden. Sie verursachen Schäden, hinterlassen Unrat und können Krankheiten übertragen – etwa die Leptospirose oder Durchfallerkrankungen.
Um die Ratten unter Kontrolle zu halten, sind in Zürich verschiedene Köderboxen fest installiert, die sich bei Bedarf mit einem Blutgerinnungshemmer bestücken lassen. Dieses Gift tötet die Tiere nach einigen Tagen. Am stärksten wird die Rattenpopulation aber durch die geografische Lage der Stadt selbst reguliert. Wenn es am Zürichberg oder Uetliberg gewittert, füllt sich die Kanalisation sehr rasch mit Wasser – und reisst viele ihrer Bewohner mit sich.
Grundsätzlich sei die Ratte aber eine Stadtbewohnerin, wie viele andere Wildtiere auch. «Die Tiere dürfen in der Stadt leben, einfach nicht zu nahe am Menschen», betont Schmidt. Um Probleme zu verhindern, ist Zürich aus diesem Grund auf die Mitwirkung der Bevölkerung angewiesen.
Wer eine Ratte oder Spuren davon bemerkt, kann dies direkt bei der Stadtverwaltung unter der Telefonnummer 044 412 28 38 oder auf der App «Züri wie neu» melden. Ausserdem appelliert Marcus Schmidt an die Zürcherinnen und Zürcher, auf das Füttern von Vögeln zu verzichten, um den Ratten keine Futterquellen zu bieten.
(osc)