Von hippen Zürcher Kreisen bis in die hintersten Ecken von Luzern geht es Menschen ständig über die Lippen: das Wort «Hey». Gute Beweise dafür liefern etwa die Personen im SRF-Reportageformat «rec.». «Hey, ich fand es mega cool, jetzt mal einen Einblick ‹hinter die Kulissen› zu bekommen», sagt Reporterin Viktoria Kuttenberger in ihrer Reportage über ein Bauwagen-Dorf. Und die ehemalige Bewohnerin eines Bauwagens Noemi antwortet später auf die Frage, ob sie dieses Leben manchmal vermisse: «Hey, ich vermisse mega das Einfeuern.»
Das Wörtchen geht manchen Leuten aber gehörig auf den Wecker. Jemand bedankte sich in einem Kommentar unter dem Video für die «spannende Doku» und gab einen sprachlichen Tipp ab. «Jeweils vor den Sätzen nicht so viel ‹Hey› sagen. Das stört mega den Fluss.» Ein weiterer User fragt: «Wieso beginnt ihr eure Sätze immer mit ‹Hey›?». Die Frage erntete fast 60 Likes.
Der inflationäre «Hey»-Gebrauch ist auch Kommunikationsprofi Ferris Bühler aufgefallen. «Meine 15-jährige Tochter nutzt es oft, wenn sie nicht weiss, was sie sagen soll.» Auch beobachtet er, dass es vor allem bei jüngeren Menschen, die sich in urbanen und digitalen Umfeldern bewegen, beliebt ist. Selbst vor der Arbeitswelt macht es keinen Halt. «Vor allem in Jobs mit flachen Hierarchien wie PR- oder Marketingagenturen ist es Alltag», so der CEO von Ferris Bühler Communications. Seine Meinung ist klar: «Das Wort wird viel zu oft ohne Mehrwert verwendet – das nervt manchmal.»
Fasziniert verfolgen Sprachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler den Gebrauch des Modeworts. Er finde es sehr faszinierend, wie wir mit einem solch kleinen Wort unsere zwischenmenschlichen Interaktionen organisieren könnten, sagt Florian Busch, Assistenzprofessor am Institut für Germanistik an der Universität Bern. Je nach Kontext und Aussprache könnten teils sehr unterschiedlich nuancierte Bedeutungen durch «Hey» ausgedrückt werden. Dies zeige, wie effizient, aber auch komplex sprachliches Handeln sei.
«Wenn das ‹Hey› als ‹heeeey› gedehnt wird, drückt dies in der Regel eine besondere Emphase aus, also etwa eine besondere Herzlichkeit», sagt Busch. Grundsätzlich setze «Hey» auch immer den zwischenmenschlichen Ton. «Wer ‹Hey› sagt und nicht bloss ‹Hallo› oder ‹guten Tag›, macht deutlich, dass er oder sie die Gesprächssituation als locker und eher informell interpretiert.
Dem stimmt Christa Dürscheid, Professorin für Deutsche Sprache an der Universität Zürich, zu. Bei «Hey» handle es sich um einen Gesprächspartikel. Dieser werde in der Regel nur in der gesprochenen Sprache verwendet, komme aber auch in schriftlichen Dialogen vor. «Es kommt aus dem Englischen und kann im Deutschen mit ‹he› oder ‹heda› übersetzt werden.» Auf jeden Fall sei es stark nähesprachlich. Seit wann dieses Wort auch in Antworten verwendet werde, sei unbekannt. «Dies kann man nur überprüfen, wenn man Längsschnittstudien dazu hätte, also Tonaufnahmen von informellen Gesprächen über mehrere Jahre hinweg.»
«Hey» ist nicht das einzige Wort, das Leuten öfter als nötig über die Lippen geht. «Mir selbst fällt ein anderer inflationärer Gebrauch viel mehr auf: Es ist die Verwendung des Wörtchens ‹genau›», sagt Christa Dürscheid. Dieses werde zum einen permanent als Hörersignal gebraucht. Als Beispiel nennt sie die Antwort «ja, genau». Zum anderen werde es in einer längeren Redesequenz eingebaut. «So als würde man sich selbst zustimmen.» Häufig beobachtet sie dies, wenn jemand bei einer Power-Point-Präsentation begleitet von einem langgezogenen «genau» die Folie wechselt.
Schriftsteller Alain Claude Sulzer zuckt seit einiger Zeit regelmässig zusammen. Dabei hat er Schmerzen wie Nadelstiche. Das passiert, wenn sich jemand zum Beispiel «abgeholt» fühlt, der Meinung ist, dass etwas «Sinn macht» oder «ganz bei dir» ist. Diese Formulierungen beleidigten seinen Sprachsinn, schilderte er in der «NZZ am Sonntag». Er müsse sich zusammenreissen, solche Redensarten nicht zu korrigieren.
Neben diesen Formulierungen, «hey» und «genau» feiern auf Schweizer Zungen auch «wie» und «voll» Hochkonjunktur. Wer heute also im Mainstream mitplaudern will, antwortet auf die Frage, wie der letzte Workshop war, am besten etwa in diesem Stil: «Hey, voll, ich fühlte mich wie abgeholt. Genau.» Und das klingt dann so: