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5 Gründe, warum es gerade jetzt so viele Flüchtlinge gibt

Flüchtlinge am Budapester Bahnhof Keleti.
Flüchtlinge am Budapester Bahnhof Keleti.
Bild: Getty Images Europe

5 Gründe, weshalb gerade jetzt so viele Menschen Richtung Europa flüchten  

59,5 Millionen Menschen – seit dem Zweiten Weltkrieg waren nicht mehr so viele Leute auf der Flucht wie heute. Der Bürgerkrieg in Syrien tobt seit bald fünf Jahren, die Diktatur in Eritrea ist bereits seit mehreren Jahren installiert. Warum fliehen gerade jetzt so viele Menschen? 
03.09.2015, 16:0803.09.2015, 17:13
Rafaela Roth
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Die folgende Frage schickte uns ein watson-user per Mail:

Bitte um Aufklärung!

Flüchtlinge gab es schon immer. Die letzten Jahre mehr als auch schon. Warum ist soweit auch klar. Warum sind es plötzlich so viele? Diese Vervielfachung innerhalb weniger Wochen kann ich mir nicht erklären und würde mich darüber freuen, wenn ihr die plötzliche Vermehrung erklären würdet.

Danke.

Wir haben für euch nachrecherchiert. Dies sind die Gründe für die Massenflucht: 

1. Die Syrer haben die Hoffnung verloren

Anhaltender Bürgerkrieg: Am Mittwoch, 3. September, explodiert in einem Aussenbezirk der syrischen Stadt Latakia eine Autobombe.
Anhaltender Bürgerkrieg: Am Mittwoch, 3. September, explodiert in einem Aussenbezirk der syrischen Stadt Latakia eine Autobombe.
Bild: EPA/SYRIAN ARAB NEWS AGENCY

Das Ausmass der Zerstörung in Syrien wird immer schlimmer. Assads Fassbomben treffen wehrlose Zivilisten in ihren Häusern, und Bombenanschläge gehören zum Alltag. Viele der mehr als vier Millionen Menschen, die teilweise seit Jahren in den Flüchtlingslagern rund um Syrien ausharren, haben die Hoffnung aufgegeben, bald wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können. Sie nehmen die Balkanroute Richtung Europa, auf der Suche nach einer besseren Zukunft. 

«Aus Sicht der Syrer ist es so, dass die Weltgemeinschaft diesen Krieg nicht beachtet. Wir haben zugeschaut oder weggeschaut bei diesem Konflikt und das rächt sich jetzt», sagte Syrien-Expertin Kristin Helberg gestern in der Taggesschau. Jetzt entscheiden sie sich für die definitive Flucht. 

2. Der UNO geht das Geld aus

Flüchtlingslager al-Zaatari in Jordanien: Die UNHCR musste in den Flüchtlingscamps die Nahrungsmittel kürzen.
Flüchtlingslager al-Zaatari in Jordanien: Die UNHCR musste in den Flüchtlingscamps die Nahrungsmittel kürzen.
Bild: MUHAMMAD HAMED/REUTERS

Die Zustände in den Flüchtlingslagern in Libanon, Jordanien, Irak und der Türkei sind teilweise prekär. Gemäss UNICEF haben dort mehr als die Hälfte der syrischen Flüchtlingskinder im Schulalter keinen Zugang zu Bildung.

Es fehlt das Geld. Die UNO-Flüchtlings-Programme in den Nachbarländern Syriens sind bis zu 50 Prozent unterfinanziert. «Wir können schlicht nicht mehr allen Menschen Hilfe leisten», sagte UNHCR-Sprecherin Ariane Rummery. «Wir mussten die Lieferungen von Nahrungsmitteln kürzen und können auch nicht mehr allen Kindern eine Schulbildung ermöglichen.» 

In den Flüchtlingslagern in Jordanien leben bei einer Gesamtbevölkerungszahl von 6,5 Millionen rund 1,4 Millionen Syrer. Im Libanon kommen zu den vier Millionen Einheimischen rund 1,1 Millionen syrische Flüchtlinge.

Gemäss dem UNHCR fehlen der UNO zwei Milliarden Dollar, um die am dringendsten benötigte Hilfe zu leisten. 

3. Das Terror-Regime des Islamischen Staats

Eine Familie der Schabak, einer durch den IS bedrohte Glaubensgemeinschaft in einem Flüchtlingscamp in Erbil, Irak. 
Eine Familie der Schabak, einer durch den IS bedrohte Glaubensgemeinschaft in einem Flüchtlingscamp in Erbil, Irak. 
Bild: AHMED JALIL/EPA/KEYSTONE

Der Islamische Staat (IS) hat eine Terrorherrschaft aufgebaut, die tausende Menschen zur Flucht zwingt. Angehörige von religiösen Minderheiten, wie Christen und Jesiden sowie Kurden werden verfolgt und hingerichtet.

Trotz Luftangriffen durch die Amerikaner konnte der Vormarsch der Terrormiliz bis jetzt nicht gebrochen werden. Immer noch kontrollieren sie weite Teile Syriens und des Iraks. Zuletzt wurde bekannt, dass es dem IS offenbar gelungen ist, sich mit Giftgas zu bewaffnen. 

4. Politische Unruhen in Mazedonien

Albaner demonstrieren in Skopje, Mazedonien im Mai gegen die neue Regierungskoalition.
Albaner demonstrieren in Skopje, Mazedonien im Mai gegen die neue Regierungskoalition.
Bild: GEORGI LICOVSKI/EPA/KEYSTONE

Unter den Flüchtlingen, die in Europa ankommen, befindet sich ein grosser Anteil von Kosovo-Albanern aus Mazedonien. Sie flüchten aus politischen Gründen, obwohl sie keine guten Aussichten auf Asyl haben. Im Februar hatten sich die beiden eigentlich tief verfeindeten grossen Parteien im Parlament zu einer neuen Regierung zusammengefunden.

Das wurde in dem bitterarmen Land als Zeichen gedeutet, dass die politische Klasse weiter Staat und Wirtschaft plündern will und so an eine Besserung der sozialen Lage nicht zu denken ist, vor allem für die Albaner. Die zugespitzte politische Krise und die soziale Dauermisere wird auch für die Massenflucht aus Mazedonien verantwortlich gemacht.

5. Das Meer ist weniger gefährlich im Sommer

Die wichtigsten Flüchtlingsrouten: 1. Zentrale Mittelmeerroute, die zweitwichtigste Route 2015. 2. Die östliche Mittelmeerroute, die wichtigste Route im 2015. 3. Die westliche Balkanroute. 4. Die west ...
Die wichtigsten Flüchtlingsrouten: 1. Zentrale Mittelmeerroute, die zweitwichtigste Route 2015. 2. Die östliche Mittelmeerroute, die wichtigste Route im 2015. 3. Die westliche Balkanroute. 4. Die westliche Mittelmeerroute.
bild: SEM

Die zentrale Mittelmeerroute ist die bekannteste: Aus Libyen oder Tunesien über das Mittelmeer nach Italien. Die Schweiz erreichen auf dieser Route vor allem Eritreer. 2014 machten sie 45 Prozent aller Asylgesuche in der Schweiz aus. Im Sommer ist die Flucht über das Meer wettertechnisch weniger gefährlich. Trotzdem sind bis Anfang August gemäss UNO-Angaben mindestens 2000 Menschen ertrunken. 

Auf dem Weg in ein besseres Leben: Hunderte Flüchtlinge treffen mit dem Zug in München ein

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Auf dem Weg in ein besseres Leben: Hunderte Flüchtlinge treffen mit dem Zug in München ein
Hunderte Migranten erreichen den Hauptbahnhof in München. Die Flüchtlinge kamen aus Budapest mit dem Zug, die meisten von ihnen stammen aus Syrien, Irak und Afghanistan.
quelle: epa/dpa / sven hoppe
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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Walter Sahli
03.09.2015 16:27registriert März 2014
"Gemäss dem UNHCR fehlen der UNO zwei Milliarden Dollar, um die am dringendsten benötigte Hilfe zu leisten. "
Im Vergleich zu den Militärausgaben sind das eigentlich Erdnüsse!
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lily.mcbean
03.09.2015 19:10registriert Juli 2015
Wie kann es sein das Organisationen, die im Endeffekt dem menschlichem Wohl dienen, zu wenig Geld haben um die Menschen mit dem Lebensnotwenigem auszustatten, und andere Konzerne die den Menschen auch viel schaden setzen Milliarden halbjählich um? Wie können die Menschen mit millionen Boni da überhaupt noch tatenlos zusehen, geschweige davon, nachts noch ruhig schlafen zu können? Die menschliche Gier widert mich an.
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Roger Gruber
04.09.2015 07:28registriert Februar 2015
Der Hauptgrund für die Flüchtlingsströme wird leider nicht erwähnt: die Destabilisierungen und Kriege, die der Westen in den Ursprungsländern führt. Länder wie Libyen, Syrien, Irak, Somalia etc. wurden in die Steinzeit gebombt, deren Gegenwart und Zukunft zerstört. Das ist der Ursprung, welcher die Menschen zu Flüchtlingen macht. Aber diese Tatsache wird in unserer Berichterstattung völlig ausgeblendet. Warum eigentlich?
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