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Du willst nur das Beste? Voilà:
Bis vor kurzem
glaubten viele in den USA, Donald Trump sei eine Witzfigur. Zwar
belegt der Immobilientycoon seit einem halben Jahr den Spitzenplatz
im republikanischen Bewerberfeld für die US-Präsidentschaftswahl
2016. Ein solches Stehvermögen hatte ihm kaum jemand zugetraut.
Dennoch hielt sich hartnäckig die Überzeugung, der New Yorker mit
der bizarren Föhnfrisur werde es mit seinen irren Auftritten
irgendwann übertreiben und von den Wählern abgestraft werden.
Wochenlang habe sie
das ebenfalls gedacht, gestand Hillary Clinton, die Favoritin bei den
Demokraten, am Donnerstag auf dem Fernsehsender NBC. Jetzt aber sei
Trump viel zu weit gegangen: «Was er sagt, ist nicht nur schändlich
und falsch – es ist gefährlich.» Seine Forderung nach einem
Einreiseverbot für Muslime spiele «den Terroristen in die Hände»,
warnte Clinton. Sie sei «ein grossartiges Propagandawerkzeug zur
Rekrutierung in Europa und den USA».
Trump hatte am
Montag die «vollständige und komplette Schliessung» der Grenzen
für Muslime gefordert. Ausnahmen solle es höchstens für Diplomaten
und Sportler geben, nicht aber für Touristen. Damit reagierte der
Republikaner auf den Terroranschlag im kalifornischen San Bernardino. Die Reaktionen waren heftig, die
republikanischen Mitbewerber verurteilten Trump genauso wie Präsident
Barack Obama, der ehemalige Vizepräsident Dick Cheney oder die
Boxlegende Muhammad Ali, selber ein Muslim.
Hat dies «The
Donald» geschadet? Keineswegs. In einer neuen Umfrage von «New
York Times» und CBS News sprechen sich 35 Prozent der
republikanischen Wähler für das schrille Grossmaul aus, mehr als je
zuvor. Der texanische Senator Ted Cruz liegt mit 16 Prozent deutlich
zurück. Gleichzeitig meinen 64 Prozent aller Befragten, ein
möglicher Präsident Trump erzeuge bei ihnen Besorgnis oder gar
Angst. In einer anderen Umfrage von NBC und «Wall Street Journal» lehnen 57 der Befragten das Einreiseverbot für Muslime ab. Aber
immerhin 25 Prozent befürworten es.
Ein Ende der
Trump-Horrorshow ist nicht in Sicht. Viele Beobachter gingen davon
aus, der 69-Jährige werde aus dem Präsidentschaftsrennen
aussteigen, wenn sein gigantisches Ego befriedigt sei. Dies scheint
noch lange nicht der Fall zu sein, Donald Trump ist vielmehr auf den
Geschmack gekommen. Seine Kampagne hatte er im Juli mit einer Hetze
gegen mexikanische Einwanderer begonnen. Den Tiefpunkt erreichte er,
als er kürzlich behauptete, Muslime hätten nach den
Terroranschlägen vom 11. September 2001 im Bundesstaat New Jersey auf den
Strassen gejubelt.
Er habe es selber
gesehen, behauptete Trump – eine brandschwarze Lüge. Niemand hat
in den USA an 9/11 Freudenfeste gefeiert. Seine Fans aber nehmen ihm
alles ab, sie lieben ihn gerade dafür, dass er unkorrekte Dinge
ausspricht. «Im Gegensatz zu den meisten Leuten sagt er, was er
denkt, und hält sich nicht zurück», sagte ein 16-jähriger Supporter der BBC. «Er ist kein Politiker, er ist einfach ein
Mensch», meinte eine andere Anhängerin.
Eine Untersuchung
der Universität Stanford vom September hat bestätigt, was
eigentlich schon lange klar war: Trumps Fangemeinde besteht aus eher
älteren Menschen mit tiefem Einkommen und Bildungsgrad. Leute aus
dem unteren Mittelstand, die zutiefst frustriert sind, weil sie vom wirtschaftlichen Aufschwung so gut wie nichts bemerken. Und die
dafür die Politiker in Washington verantwortlich machen. Und die «Anderen»: Einwanderer, Muslime.
Donald Trump, der erklärte Anti-Politiker, versteht es meisterhaft, ihre Ressentiments
zu bedienen. Und überschreitet dabei alle Grenzen. Nun wird
in den USA ernsthaft erörtert, ob der Unternehmer und
Reality-TV-Star ein Faschist sein könnte. Der CNN-Terrorismusexperte
Peter Bergen kommt in seiner Analyse zum Schluss, Trump sei ein
Proto-Faschist. Viele seiner Ansichten seien faschistisch, aber er
propagiere keine Gewalt zu ihrer Durchsetzung.
Bergen erkennt eine
interessante Parallele zwischen Trump und Marine Le Pen, Chefin des
französischen Front National und Triumphatorin in der ersten Runde
der Regionalwahlen. Als ähnliches Phänomen bezeichnet er den
ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, der Zäune gegen
Flüchtlinge errichtet. Donald Trump sei «Teil einer
rechtsnationalistischen Welle, die den Westen überflutet», lautet
Bergens Fazit. Man könnte auch die Schweiz erwähnen.
Today's @NYDailyNews cover accompanied by an emotional guest column about @realDonaldTrump https://t.co/Ue4IXx97gr pic.twitter.com/X9xLdSlaYG
— New York Daily News (@NYDailyNews) December 9, 2015
An Gegenreaktionen
in den USA fehlt es nicht. Die New Yorker Zeitung «Daily News» karikierte Donald Trump auf der Titelseite als Dschihadisten, der die
Freiheitsstatue enthauptet. Die zugehörige Schlagzeile spielt auf
den deutschen Pastor Martin Niemöller an, der von den Nazis ins KZ
gesteckt wurde. Nach dem Krieg formulierte er ein schonungslos
selbstkritisches Gedicht, in dem er sinngemäss sagte: «Als sie
Kommunisten, Sozialisten, Juden holten, schwieg ich, weil ich keiner
von ihnen war. Als sie mich holten, war keiner mehr da, der
protestieren konnte.»
Die
Wahrscheinlichkeit, dass Donald Trump die Nomination der Republikaner
schafft (oder gar Präsident wird) bleibt gering. Er hat nicht nur
die meisten Anhänger, auch die Zahl seiner erklärten Gegner ist
grösser als bei seinen Kontrahenten. Als Profiteur könnte jener Ted
Cruz hervorgehen, der direkt hinter ihm klassiert ist. Der
kubanischstämmige Texaner ist erzkonservativ, hochintelligent und
vermeidet die schlimmsten verbalen Entgleisungen.
Im Bundesstaat Iowa,
wo am 1. Februar 2016 der Vorwahlzirkus beginnt, liegt er schon heute
in Führung. Seit Wochen arbeitet Cruz geduldig darauf hin, die
Trump-Fangemeinde in sein Lager zu locken, wenn deren Liebling nicht
mehr im Rennen ist. Sein Ziel ist eine konservative Revolution in
Amerika. Noch scheint es wenig wahrscheinlich, dass die Republikaner
einen Rechtsaussen wie Cruz zum Kandidaten erküren werden.
Kommt es aber zu weiteren islamistischen Anschlägen, könnte
seine Saat aufgehen.