Sag das doch deinen Freunden!
Irgendwie hat mich der US-Sport vor dem TV schon immer am besten unterhalten. Gigantische Kulissen, grosse Shows, «hochgepushte» Rivalitäten, verrückte Spieler-Persönlichkeiten und nicht zuletzt die gute Vermarktung. Wenn ich mir vor dem Fernseher Sport ansehen möchte, dann will ich bestmöglich unterhalten werden. Denn Sport vor dem Fernseher ist im Endeffekt einfach nur pures Entertainment.
Als langjähriger NHL-Fanatiker hat mich American Football nie gross interessiert. Einzig den «Super Bowl» liess ich mir jeweils nicht entgehen. Diesen ersten Sonntag im Februar habe ich bisher immer reserviert, um mir bei Chips und Dosenbier mit den Jungs das Spektakel anzusehen. Vom Rest der Saison hatte ich allerdings noch nie eine Ahnung. Schade eigentlich, denn ich habe offensichtlich all die Jahre etwas verpasst.
American Football ist mittlerweile im europäischen Mainstream angekommen. Unter dem Motto «Jeden verdammten Sonntag» kann man sich seit dieser Saison jeden Sonntag zwei Spiele der NFL auf «ProSieben Maxx» anschauen. Die Übertragung beschert dem Sender seither Bestwerte – über 500'000 Fans verfolgten beispielsweise das Spiel zwischen den Seahawks und den Cardinals.
Die Partien werden unter anderem von der Moderatoren-Legende Frank Buschmann kommentiert. Das war wohl im Endeffekt auch der Grund dafür, weshalb ich am vergangenen Wochenende plötzlich beim «Durchzappen» vor dem TV bei einem Wild-Card-Spiel (einer Partie um einen der letzten Playoff-Plätze) hängen blieb.
Ich sah eine packende Partie zwischen den Minnesota Vikings und den Seattle Seahawks. Alles oder Nichts. Bei eisiger Kälte von minus 20 Grad führte das Team aus Minnesota nach zwei Vierteln dank zwei Field Goals mit 6:0, ehe die Jungs aus Seattle zur Aufholjagd ansetzten. Und tatsächlich, die Seahawks drehten die Partie und führten bis wenige Sekunden vor Schluss mit 10:9.
Was dann folgte ... Dramatik pur! 26 Sekunden waren noch zu spielen, die Vikings hatten sich bis auf 27 Yards vorgearbeitet. Die perfekte Ausgangslage für ein Field Goal und somit den sicheren Sieg. Doch Kicker Blair Walsh zeigte Nerven und setzte das Ei links neben die Stange. Schlimmer konnte eine Saison ja wohl wirklich nicht enden. Blankes Entsetzen bei 50'000 Fans, die gerade das drittkälteste Spiel in der Geschichte durchgestanden haben.
Begeistert realisierte ich im Nachhinein erstmals, wie viele Emotionen eigentlich in einem solchen Spiel stecken. Denn wer immer nur den aufgebrezelten Super Bowl mitverfolgt (weil er eigentlich nur Katy Perry sehen möchte), bekommt bei dem ganzen Show-Gelage meistens nur einen Bruchteil von diesem genialen Sport zu sehen.
Mein Fazit: Ich habe mich im vergangenen Herbst anlässlich der WM in England bereits für Rugby begeistern lassen. Erst dachte ich, dass American Football nur ein «Ami-Abklatsch» mit abgeänderten Regeln sowie doppelt so viel Show sei. Doch ich habe mich gewaltig geirrt.
Anders als im Rugby, hat beim Football jeder der elf Spieler eine genaue Aufgabe (Quarterback, Receiver, Runningback etc.). Das macht das Spiel für den Zuschauer spannender, weil er Vergleichsmöglichkeiten mit den Cracks aus anderen Mannschaften hat. Zudem machen die spektakulären Hail-Mary-Pass-Versuche und die verschiedenen taktischen Spielzüge American Football für mich vor dem TV noch unterhaltsamer als Rugby.
Ich mag mich an keinen Blockbuster, keinen Kino-Film und auch an keine Fussballpartie erinnern, die mich an einem Sonntagabend so gut unterhalten hat, wie dieses eine Spiel. Und als ich im Anschluss auch noch erfuhr, dass die vierte und letzte Wild-Card-Partie zwischen den Washington Redskins und den Green Bay Packers ausgestrahlt wird, sagte ich meiner Freundin gute Nacht, holte mir ein paar Bier aus dem Kühlschrank und tauchte ab, in die Welt dieser verrückten Sportart. Ich werde das NFL-Fieber wohl bis zum «Super Bowl» nicht mehr los.