Schweiz
Digital

Gehackte Daten zeigen: Schweizer Polizei hat bei italienischem Unternehmen Schnüffelsoftware programmieren lassen

Hacker verschafften sich Zugang – und aus Hacking Team wurde «Hacked Team».
Hacker verschafften sich Zugang – und aus Hacking Team wurde «Hacked Team».

Gehackte Daten zeigen: Schweizer Polizei hat bei italienischem Unternehmen Schnüffelsoftware programmieren lassen

Die Kantonspolizei Zürich hat sich für eine knappe halbe Million Euro einen Handy-Trojaner gekauft. Der Einsatz solcher Programme ist rechtlich umstritten.
06.07.2015, 18:0707.07.2015, 11:22
Roman Rey
Folge mir
Mehr «Schweiz»

Für 486'000 Euro hat sich die Kantonspolizei Zürich einen Handy-Trojaner gekauft – noch bevor das neue Nachrichtendienstgesetz und die Revision des Überwachungsgesetzes (BÜPF) unter Dach und Fach sind. Das zeigt eine Rechnung des italienischen Unternehmens Hacking Team, das in der Nacht auf Montag Opfer eines Hacker-Angriffs wurde.

Mit der Software «Galileo» können sich die Polizisten vollständig Zugriff auf Smartphones verschaffen, SMS lesen, Gespräche abhören, und sich sogar in die Kamera und das Mikrofon einklinken. Gemäss Thomas Hansjakob, Erster Staatsanwalt des Kantons St.Gallen, eine heikle Angelegenheit. «Im Moment gibt es dafür keine Rechtsgrundlage.»

Diese Rechnung tauchte in den geleakten Dokumenten auf.
Diese Rechnung tauchte in den geleakten Dokumenten auf.

In der Regel ordnet die Staatsanwaltschaft eine Überwachung an, die dann noch von einem Massnahmengericht abgesegnet werden muss. Experten sind sich nicht einig, ob es für eine technische Überwachung eine zusätzliche Bewilligung braucht, oder ob eine einfache Bewilligung für eine Telekommunikations-Überwachung genügt.

Marc Ruef, Sicherheitsexperte beim Zürcher IT-Unternehmen Scip, hält die technische Überwachung für notwendig – unter Vorbehalten. In der Realität sei es jedoch heikel, da eine solche Überwachung technisches Know-How voraussetzt. «Wenn jemand, der sich nicht genügend auskennt, eine Überwachungssoftware bedient, kann es schnell passieren, dass er die Grenze des Vertretbaren übertritt und die Privatsphäre einer Zielperson verletzt», sagt Ruef

Vollständige Überwachung: So bewirbt Hacking Team ihr Programm Galileo.YouTube/Windows Central

Auftragnehmer arbeiten auch mit Schurkenstaaten zusammen

Die Kantonspolizei Zürich äussert sich nicht zu dem Kauf und beruft sich auf die Geheimhaltungsverpflichtung zwischen Hersteller und Besteller. Sprecher Marc Besson sagt auf Anfrage: «Die strafrechtliche Überwachung der Telefonkommunikation – im Festnetz oder mobil – ist seit vielen Jahren gesetzlich verankert und völlig unbestritten.» Es könne nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass sich Verbrecher durch die Wahl der Kommunikationsmittel der Strafverfolgung entziehen können.

Hacking Team wurde von «Reporter ohne Grenzen» zu einem «Feind des Internets» erklärt. In der Nacht auf Montag verschafften sich Hacker Zugang zu den Servern des Unternehmens und veröffentlichten 400 Gigabytes an Daten im Internet, wie CSO Online berichtet. Diese legten auch nahe, dass Hacking Team mit Staaten zusammenarbeitet, die die Menschenrechte mit Füssen treten – etwas, das die Italiener stets bestritten hatten.

Privatsphäre! Privatsphäre?

1 / 12
«Der gläserne Bürger droht Realität zu werden!» Moment – über welches Gesetz haben wir gerade abgestimmt?
Der Nationalrat hat dem neuen Nachrichtendienstgesetz zugestimmt. Künftig soll der NDB auch Telefone abhören, Privaträume verwanzen und in Computer eindringen dürfen. Unter den Ja-Stimmen waren einige, die mal noch ganz anders über Privatsphäre und Überwachung sprachen …
Auf Facebook teilenAuf X teilen
No Components found for watson.appWerbebox.
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
16 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
C0BR4.cH
06.07.2015 18:42registriert März 2015
Gut so!
Firmen wie "Hacking Team" und "FinFisher" sollen nur weiterhin gehackt werden. Ich will nicht wissen, wie viele Aktivisten, Politiker und Journalisten die beiden Firmen auf dem gewissen haben ...
420
Melden
Zum Kommentar
avatar
Sandokan
06.07.2015 19:03registriert Mai 2015
"Die Schweiz - ein Gefängnis", Rede Friedrich Dürrenmatt
und schon wieder sind wir soweit.
380
Melden
Zum Kommentar
avatar
panaap
06.07.2015 21:11registriert Mai 2015
....Es könne nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass sich Verbrecher durch die Wahl der Kommunikationsmittel der Strafverfolgung entziehen können..... aber das die polizei entscheidet wie ein Gesetz gemeint ist schon? wow gewaltentrennung at his best
250
Melden
Zum Kommentar
16
Aufschub für Assange: Wikileaks-Gründer kann noch hoffen
Im jahrelangen Rechtsstreit um die von den USA geforderte Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange wurde an diesem Dienstag ein Urteil gefällt: Assange erhält eine Gnadenfrist.

Der 52-Jährige dürfe nicht unmittelbar an die Vereinigten Staaten überstellt werden, entschied der Londoner High Court am Dienstag. Demnach könnte dem Antrag auf Berufung des Australiers noch immer stattgegeben werden.

Zur Story