Drei Jahre nach dem Gripen-Debakel ist der nächste Kampfjet-Streit in vollem Gang: Gestern hat eine Expertengruppe des Bundes ihre Empfehlungen zur Beschaffung neuer Flugzeuge abgegeben – und damit teils heftige Reaktionen provoziert. Nun richten sich alle Augen auf Verteidigungsminister Guy Parmelin (SVP): Schafft er es, die neuen Jets bis 2030 zum Fliegen zu bringen?
watson hat für ihn einige Dos und Don’ts zusammengetragen.
Die 53,4-Prozent-Klatsche bei der Gripen-Abstimmung steckt den Kampfjet-Befürwortern noch immer in den Knochen. In der Expertengruppe des Bundes plädiert nun eine Mehrheit dafür, das Volk dieses Mal gar nicht erst zu fragen. Die neuen Jets sollen demnach nicht über einen Spezialfonds, sondern über das ordentliche Armeebudget finanziert werden. Weil es in der Schweiz auf eidgenössischer Ebene kein Finanzreferendum gibt, käme es nicht zu einer Volksabstimmung.
Beobachter raten Guy Parmelin allerdings von dieser Strategie ab. Zwar entspreche es dem Normalfall, dass die Stimmbürger bei Rüstungsgeschäften nicht mitreden können, sagt Maximilian Schubiger, Politologe mit Fachgebiet Landesverteidigung an der Universität Bern. «Demokratiepolitisch wäre es aber sehr ungeschickt, die neuen Jets nach der Klatsche von 2014 am Volk vorbeizuschleusen.» Die Kampfjet-Gegner hätten in dem Fall die Möglichkeit, eine Volksinitiative zu lancieren – und könnten dann auf die Unterstützung jener zählen, die sich von der Politik übergangen fühlen.
Mit wie vielen neuen Fliegern die in die Jahre gekommene F/A-18-Flotte ersetzt werden soll, ist noch unklar. Die Vorschläge der Expertengruppe reichen von einer Budgetvariante (20 Flugzeuge für 5 Milliarden) bis zur Luxusausführung (70 Kampfjets für 18 Milliarden Franken). Dazwischen gibt es zwei mittlere Optionen.
Politologe Thomas Milic, der das Gripen-Nein im Rahmen der Vox-Analyse untersucht hat, verweist darauf, dass die Kosten 2014 gemäss Befragung das zentrale Nein-Motiv waren. «Es ist davon auszugehen, dass die Finanzen auch dieses Mal wieder eine entscheidende Rolle spielen werden.» Auch Schubiger sagt: «Auf eine Extremvariante zu setzen, wäre strategisch nicht schlau von Bundesrat Parmelin – ein gut schweizerischer Kompromiss ist gefragt.»
Eine Maximalvariante hätte es wohl auch im Parlament schwer. So kommentierte GLP-Nationalrat Beat Flach die 18-Milliarden-Option gegenüber 20 Minuten mit den Worten: «Papier ist geduldig – der Wunschzettel ist vergleichbar mit dem eines Kindes, das sich zu Weihnachten das grösste Legoset wünscht.»
Innerhalb der nächsten drei Jahre sollen gemäss Fahrplan des Verteidigungsdepartements die Kampfjets auf dem Markt evaluiert und ein Typenentscheid getroffen werden. Schubiger sieht mindestens zwei Kandidaten in der engeren Auswahl: Die französische Rafale und den Eurofighter. «Sie haben sich in anderen Ländern bewährt, zudem sind Ersatzteile gut verfügbar.»
Ganz anders war das beim Gripen E: Dem Flieger des schwedischen Saab-Konzerns wurde 2014 auch zum Verhängnis, dass er zum Zeitpunkt der Abstimmung noch gar nicht marktreif war – von einem «Papierflieger» war die Rede (O-Ton Philipp Müller, Ex-Chef der FDP). In der Vox-Analyse begründete immerhin jeder siebte Gegner sein Nein primär mit dem Flugzeugtypen. «Insbesondere, wenn sich ohnehin ein knappes Resultat abzeichnet, können solche Faktoren über Erfolg oder Niederlage entscheiden», sagt Thomas Milic dazu.
Nicht nur das «Papierflieger»-Narrativ verbreitete sich 2014 rasch. Auch sonst war der Abstimmungskampf von Pleiten, Pech und Pannen geprägt. Zu nennen wäre etwa ein Witz des damaligen SVP-Verteidigungsministers Ueli Maurer an einer Pro-Gripen-Veranstaltung: «Wie viele Gebrauchtgegenstände, die 30 Jahre alt sind, haben Sie noch zu Hause?», fragte er die Anwesenden, und antwortete gleich selber: «Bei uns sind das nicht mehr viele, ausser natürlich die Frau, die den Haushalt schmeisst.» Der Shitstorm folgte postwendend.
Auch eine Performance Maurers mit dem Modell eines Chalets («eine Armee ohne Jets ist wie ein Chalet ohne Dach», so die Message) kommentierten die Gegner hämisch. Dass der SVP-Bundesrat schliesslich im «Rundschau»-Studio die Nerven verlor, war da nur noch das Tüpfchen auf dem i. In der Folge schaltete sich sogar der schwedische Botschafter ein und bezeichnete Maurer als «Hauptrisiko» in der Gripen-Abstimmung.
Für Maximilian Schubiger muss eine nächste Kampagne deshalb vor allem eins sein: unaufgeregt: «Wenn Parmelin darlegen kann, dass die Schweiz neue Jets braucht, damit sie ihren Luftraum auch nach 2030 noch selber sichern kann, dürften auch viele Wähler ausserhalb des bürgerlichen Lagers für ein Ja zu haben sein.»
Früher galt bei Rüstungsbeschaffungen höchste Geheimhaltungsstufe. Guy Parmelin hingegen informiert offensiv über seine Kampfjet-Pläne. Zudem involviert er verschiedene Kreise in den Prozess: Vertreter aller grossen Parteien, der Offiziersgesellschaft, der Industrie und mehrerer Departemente hatten die Aufgabe, die Arbeit der Expertengruppe zu begleiten.
Schubiger lobt die «bunte Zusammensetzung» und das transparente Vorgehen bei der Vorbereitung der Kampfjet-Beschaffung. «Beim Gripen wusste man lange nicht, wie der Typenentscheid zustande gekommen ist – das befeuerte Spekulationen und Kritik.» Auch Milic hält fest: «Man merkt, dass die Verantwortlichen die Fehler der Gripen-Abstimmung genau analysiert und die Konsequenzen daraus gezogen haben.» Parmelin sei gut beraten, diesen Weg weiterzugehen.