Einige populistische Vertreter der SVP scheinen Facebook neu für sich entdeckt zu haben. Neben Köppel, der auf Trump-Sprech in empörter Kurzform setzt, benutzen Thomas Burgherr, Thomas Aeschi und allen voran Andreas Glarner die Plattform, um etwas anzustossen, was man bei aller Liebe nicht mehr Diskussion nennen kann.
«Oh mein Gott – ist hier nicht Art. 258 des Strafgesetzbuches (Schreckung der Bevölkerung) erfüllt?», schrieb SVP-Nationalrat Andreas Glarner auf Facebook. Der Post bezog sich auf das Bild der fünf Juso-Frauen, die ihre BHs verbrannten. Mit dem Bild machten die jungen Frauen auf den Women's March aufmerksam, welcher am Wochenende in Zürich stattfand.
Auf den Post folgte eine Flut boshafter Kommentare, von denen sich die allermeisten auf das Äussere der Frauen bezogen – kein Wunder, nachdem Glarner eine Steilvorlage für unsachliche Bewertungen geliefert hatte.
Je mehr ich von diesen abwertenden und verletzenden Kommentaren las, desto wütender wurde ich. Wie kann es ein sogenannter Volksvertreter zulassen, dass junge Frauen, die sich politisch engagieren, von einer Meute wildgewordener Kommentatoren so dermassen schikaniert werden? Wieso unternimmt der Politiker nichts, wenn gar die dunkelhäutige JUSO-Aktivistin als Negerin bezeichnet wird? Wann ist denn endlich die Grenze erreicht, wo der gewählte Nationalrat beschliesst, einzugreifen – oder gibt es diese schlicht und einfach nicht mehr?
Ich beschloss aus meiner stillen, beobachtenden Rolle zu schlüpfen und mich der unangenehmen Diskussion zu stellen. Ich kommentierte unter einen der zahlreichen sexistischen Kommentare, dass ich es als schrecklich empfinde, wie unsachlich sich die Leute über das Äussere der JUSO-Frauen ausliessen. Dass man die Aktion auf politischer Ebene kritisieren dürfe, aber dass der Spass aufhöre, wo Männer Kommentare darüber verfassen, dass «die sowieso nicht gebumst werden». Dass es eben wegen genau solchem Denken den Feminismus dringend braucht.
Weiter schrieb ich Herr Glarner eine private Nachricht, in der ich ihn bat, Verantwortung für den ungebremsten Hass unter seinem Post zu übernehmen, und ihn dementsprechend zu löschen. Natürlich bekam ich keine Antwort. Stattdessen flatterte eine Nachricht eines Berufskollegen in mein Postfach, der den «Negerin»-Kommentar-Verfasser darauf hingewiesen hatte, dass er sich strafbar machte. Andreas Glarner hatte reagiert – indem er meinen Berufskollegen blockierte.
Hatespeech auf Social Media dulden und Gegenaktivismus unterbinden – ist das die neue Strategie der Rechten?
Mein Verdacht sollte sich bestätigen. Nachdem ich einen Post verfasst hatte, in dem ich Glarners Post kritisierte, wurde auch ich prompt blockiert. Meine Kommentare unter seinem Post löschte der Politiker. Gegenüber «20 Minuten» rechtfertigte Glarner das Löschen kritischer Kommentare, «weil es sich bei ihren Kommentaren um eine orchestrierte Aktion gehandelt habe».
Dass es kein geheimes Bündnis zur Zerschlagung Glarners Facebook-Hetze gab, versteht sich von selbst. Dass Glarner die einzelnen Gegenstimmen aber nicht stehen liess, sondern von seiner Seite löschte, wirft Fragen auf. Fragen nach der Mitverantwortung eines Politikers für den Hass unter seinen Facebook-Posts. Fragen nach der Eignung von Politiker, die andere Meinungen nicht mehr gelten lassen und zensieren.
Unter meinem eigenen Post machten sich ein paar Glarner-treue Trolle ans Werk, mich zu denunzieren. Natürlich nicht mit wirklichen Argumenten, sondern unter anderem mit der Feststellung, dass mein IQ dem eines Bunds Petersilie entspräche.
Jolanda Spiess-Hegglin, die im letzten Oktober den Verein #NetzCourage gegen Cybermobbing gegründet hat, bereitet nun Anzeige gegen die heftigsten Kommentatoren vor. Andreas Glarner aber wird einmal mehr keine Verantwortung für das Geschehen auf seinem Profil übernehmen müssen.