Noten vergibt schon lange nicht mehr nur der Lehrer. Wir alle können über das Internet beinahe jede Dienstleistung bewerten. Dazu gehören nicht nur Restaurants oder Hotels, sondern auch Ärzte.
Auch in der Schweiz ist es auf verschiedenen Websites möglich, Ärzte mit einer Punkteskala zu bewerten und ihre Leistung zu kommentieren.
Bei zufriedenen Patienten liest sich dies beispielsweise so:
Aber es gibt auch die Unzufriedenen:
Wer bei der Suche nach einem kompetenten Arzt auf solche Kommentare zurückgreift, der könnte auch würfeln. Eine Studie aus den USA zeigt: Zwischen der User-Bewertung und der tatsächlichen medizinischen Leistung gibt es keinen Zusammenhang.
Dazu haben die Forscher die Bewertungen zu 78 Ärzten auf 5 Rating-Plattformen mit den Resultaten aus internen Qualitäts-Tests verglichen.
Es ist nicht nur diese Studie, die auf dieses Ergebnis kommt. Eine im Frühling publizierte Forschungsarbeit stellte fest, dass Herzchirurgen mit einer hohen Patienten-Sterberate nicht schlechter bewertet wurden als ihre Kollegen. Wobei festzuhalten ist: Tote Patienten können schlecht ihrem Arzt noch eine Note geben.
Beat Burger ist Geschäftsführer von Medicosearch, der grössten Schweizer Ärzte-Rating-Plattform, über die auch Arzttermine gebucht werden können. 200 bis 300 neue Bewertungen werden jeden Tag abgegeben. Dabei spricht Burger von massiv zunehmenden Zahlen.
Burger ist vom Studienergebnis nicht überrascht. Auch er sagt:
Dennoch hätten User-Bewertungen ihre Existenzberechtigung: «Die Patienten können aber sehr wohl einschätzen, wie sie den Arztbesuch aus ihrer subjektiven Sicht erlebt haben. Von der Buchung des Arzttermins, der Freundlichkeit des Arztes, bis hin zur Wartezeit.»
Ein Beispiel eines solchen Kommentars:
«Ein Teil der Ärzte hat Angst, dass Patientenbewertungen im Internet nicht wirklich ihre tatsächliche Qualität widerspiegelt», sagt Yvonne Gilli, Mitglied im Zentralvorstand der Ärztegesellschaft FMH. Die Fachärztin für Innere Medizin ist vom Ergebnisse der Studie nicht überrascht. Doch es sei müssig zu diskutieren, ob Rating-Plattformen für Ärzte sinnvoll seien oder nicht – «denn sie sind nun mal eine Realität».
Wichtig sei, dass die Rahmenbedingungen stimmen würden. Sprich: Kein Bashing. Keine Beleidigungen oder Verunglimpfungen. Zudem sollen Ärzte die Möglichkeit haben, sich von der Seite entfernen zu lassen.
«Wir sind Ärzte», sagt Gilli, «und kein Restaurant oder Hotel.» Denn anders als bei anderen Dienstleistungen, bestehe zwischen Arzt und Patienten ein Abhängigkeitsverhältnis.
Rund 30 Ärzte hat Medicosearch bisher auf ihren Wunsch von der Website entfernt. Und diffamierende Kommentare werden gar nicht erst freigeschaltet. Burger: «Wir sehen uns nicht als Klagemauer für frustierte Patienten.»
Drei pensionierte Ärzte sind auf Medicosearch für das Freischalten der Kommentare zuständig, teilen sich gemeinsam einen 70 Prozent Job. Besonders kritische Kommentare werden zudem vor der Veröffentlichung dem Arzt vorgelegt, der die Publikation untersagen kann. Wenn er dies aber zum zweiten Mal tut, wird sein Profil gelöscht.
«97 Prozent der Kommentare sind völlig unproblematisch», sagt Burger. Tatsächlich sind die meisten Bewertungen positiv. Die meisten Ärzte haben fünf von fünf Punkten. Gemäss Burger ist die Durchschnittsbewertung eine 4,8. «Viele nutzen unsere Plattform, um ihrem Arzt einmal Danke zu sagen.»