Ghislaine Maxwell ist also schuldig. Nach langen Beratungen hat ein Geschworenengericht in New York die Lebens- und Geschäftspartnerin von Jeffrey Epstein in fünf Anklagepunkten für schuldig gesprochen.
Doch der Reihe nach: Worum ging es in dem Prozess, was wird Maxwell vorgeworfen, wer war Jeffrey Epstein – und was genau hat schon wieder Prinz Andrew mit dem Fall zu tun? Hier die Antworten auf fünf Fragen zur Einordnung des Urteils:
Der Maxwell-Prozess hat eine lange und medial intensiv begleitet Vorgeschichte – es geht unter anderem um Menschenhandel, Sexsklaven, missbrauchte Minderjährige und einen Selbstmord im Gefängnis. Und alles begann mit Jeffrey Epstein.
1976 steigt der damalige Mathematiklehrer Epstein bei einer Investmentbank ein und gründet 1982 seine eigene Vermögensverwaltung: J. Epstein & Co. Seine Firma spezialisierte sich auf Geldanlagen für Milliardäre. Über das Vermögen Epsteins ist nichts bekannt – «Forbes» hat ihn allerdings nie als Milliardär aufgeführt. Dennoch lässt sich vermuten, dass Epstein selber steinreich war: So besass er mehrere Immobilien, zwei Privatjets und eine der Jungferninseln.
2019 wurde der Amerikaner wegen Prostitution, Menschenhandel und der Vergewaltigung von Minderjährigen im Bundesstaat New York angeklagt. Diese Vorwürfe waren nicht neu: Bereits 2008 war er in Florida wegen fast identischer Anschuldigungen angeklagt worden. In beiden Prozessen plädierte Epstein auf «unschuldig». 2008 fiel das Urteil – wohl aufgrund guter Beziehungen – milde aus: Epstein erhielt eine 18-monatige Haftstrafe mit täglichem Freigang, um in sein Büro zu gehen. Nach 13 Monaten wurde er wegen guter Führung entlassen. Trotzdem war er nun ein verurteilter Sexualstraftäter.
Im zweiten Prozess kam es nie zu einem abschliessenden Urteil gegen Epstein, denn der damals 66-Jährige wurde am 10. August 2019 tot in seiner Zelle des Metropolitan Correctional Center in New York aufgefunden. Laut offiziellen Angaben hat Epstein Suizid begangen – davon geht man auch heute noch aus. Wegen diverser Unregelmässigkeiten verbreiteten sich trotzdem verschiedentlich Verschwörungstheorien, wonach Epstein womöglich umgebracht worden sei.
Nach dem Tod Epsteins geriet seine Lebens- und Geschäftspartnerin in den Fokus der Ermittlungen: Die Britin Ghislaine Maxwell.
Die Staatsanwaltschaft warf Maxwell vor, eine Mittäterin im Missbrauchsring gewesen zu sein. Sie wurde in sechs Punkten angeklagt.
GHISLAINE MAXWELL VERDICT: Ghislaine Maxwell, the longtime associate of serial sex offender Jeffrey Epstein, convicted on five of six counts related to the abuse and trafficking of underage girls. https://t.co/QZHnhL89cQ pic.twitter.com/l7EbJy16J3
— ABC News (@ABC) December 29, 2021
Konkret ging es im Prozess um Vorwürfe aus den Jahren 1994 bis 2004: Vier Opfer von sexuellem Missbrauch warfen Maxwell unter anderem den Handel von Minderjährigen, Verführung von Minderjährigen und sexuellen Missbrauch vor.
Maxwell ist die Tochter des verstorbenen Londoner Verlegers Robert Maxwell. 1991 kam sie nach New York, wo sie den Investmentbanker Epstein traf. Die beiden wurden ein Liebespaar. Nach der Trennung sollen sie Freunde geblieben sein.
In der Anklageschrift heisst es, dass Maxwell den sexuellen Missbrauch durch Epstein erleichtert habe, «indem sie mit Opfern über sexuelle Themen sprach, sie ermutigte, Epstein zu massieren und sich vor einem Opfer auszog». Sie habe explizit vom Missbrauch gewusst, denn sie sei bei «bestimmten sexuellen Begegnungen zwischen minderjährigen Opfern und Epstein anwesend» gewesen.
Die Verteidigung Maxwells beruhte auf der Aussage, dass sie nichts mit den Verbrechen Epsteins zu tun hatte. So betonten ihre Anwälte: «Sie ist nicht wie Jeffrey Epstein.»
Doch im Urteil sehen die Geschworenen es als erwiesen an, dass Maxwell ihrem Lebens- und Geschäftspartner von 1994 bis 2004 als Zuhälterin gedient habe. Zudem beurteilten die Jury-Mitglieder es als unwahrscheinlich, dass Maxwell von Epsteins Verbrechen nichts mitbekommen habe.
Für nicht schuldig befanden die Geschworenen Maxwell nur im Anklagepunkt der Verführung einer Minderjährigen zu einer Reise mit der Absicht, illegale sexuelle Handlungen an ihr vorzunehmen.
Video statement of US Attorney Damian Williams on the guilty verdict in US v. Ghislaine Maxwellhttps://t.co/oMgMbEgyv3 pic.twitter.com/6cJjDdDTD9
— US Attorney SDNY (@SDNYnews) December 29, 2021
Maxwell wird bereits seit Juli 2020 festgehalten. Wie lange Maxwell hinter Gitter bleiben muss, ist noch unklar. Richterin Alison Nathan gab am Mittwoch vorerst nicht bekannt, wann sie das Strafmass für Maxwell verkünden werde. Es ist aber möglich, dass Maxwell eine 40 bis 65-jährige Haftstrafe bekommt – was im Fall der 59-Jährigen lebenslänglich bedeutet.
«Ghislaine wird der Prozess gemacht, weil sie mit Jeffrey Epstein zusammen war. Vielleicht war das der grösste Fehler ihres Lebens. Aber es ist kein Verbrechen», hatte eine ihrer Anwältinnen im Schlussplädoyer gesagt. Nach dem Schuldspruch kündigte eine Anwältin Maxwells eine Beschwerde gegen die Entscheidung der Geschworenen an: «Wir glauben fest an die Unschuld von Ghislaine.» Das Urteil wird wohl in Berufung gehen.
Britische Medien spekulierten am Mittwoch bereits darüber, ob Maxwell nun Namen der Freunde Epsteins nenne, die an seinen Partys teilnahmen und Minderjährige missbrauchten – um sich freizukaufen. Dann würden weitere Prozesse folgen.
Annie Farmer war das einzige Opfer, das im Maxwell-Prozess unter richtigem Namen aussagte. Farmer hat Maxwell vorgeworfen, sie sexuell missbraucht zu haben und sagte nach der Urteilsverkündung:
Jeffrey Epstein hatte einen illustren Freundeskreis. So gehörten zum Beispiel die Ex-Präsidenten Bill Clinton und Donald Trump sowie der britische Prinz Andrew zu den Reichen und Mächtigen, mit denen Epstein sich umgab – und die an seinen rauschenden Partys teilnahmen.
Gegen Prinz Andrew wurde ebenfalls der Verdacht geäussert, dass er sich bei diesen Partys am Missbrauch von Minderjährigen beteiligt habe. Im August 2021 hat Virginia Giuffre – ein Epstein-Opfer – Zivilklage wegen sexuellen Missbrauchs einer Minderjährigen gegen Prinz Andrew eingereicht. Dieser Vorwurf wird sowohl von Andrew als auch vom Buckingham-Palast vehement zurückgewiesen.
(yam)
Bereits vor einigen Monaten wurde ähnliches über den Republikaner Matt Gaetz bekannt. Auch da blieben die lauten Stimmen von Q für einmal stumm...