Schweiz
Offen gesagt

Nathalie Wappler ist bei SRF 2024 nicht ganz redlich

Die neue SRF-Direktorin Nathalie Wappler hat in mehreren Interviews vom Samstag den Umbau beim SRF skizziert. (Archivbild)
Nathalie Wappler, Direktorin von Schweizer Radio und Fernsehen.Bild: KEYSTONE
Offen gesagt

Liebe Frau Wappler, verlangen Sie Ihren Platz an der Sonne...!

Nathalie Wappler, die Direktorin von SRF macht die einstige Radio- und TV-Anstalt im Rahmen von «SRF 2024» zum Digital-Konglomerat. Über die Folgen aber spricht sie nicht.
18.09.2020, 08:5818.09.2020, 12:29
Mehr «Schweiz»

Liebe Frau Wappler

Vor etwas mehr als 100 Jahren waren die Deutschen verdrossen. Alle anderen grossen Industrienationen hatten die Welt schon weitestgehend kolonialisiert. Und auch als Afrika in einer einzigen Monstersitzung unter den europäischen Grossmächten aufgeteilt wurde, fielen für das deutsche Kaiserreich nur Brosamen ab.

Enttäuscht und wütend gab Aussenminister Bernhard von Bülow das einzige Zitat zum Besten, an das man sich heute noch erinnert: «Wir wollen niemanden in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne!»

Das kam sehr gut an, nicht so sehr bei den anderen Ländern natürlich. Aber bei den eigenen Leuten. Von Bülow wurde später Reichskanzler.

Ich habe mich kürzlich wieder an ihn erinnert, als ich von Ihren Problemen mit dem Projekt «SRF 2024» gehört habe.

Sie trimmen das SRF ja auf eine Digital-Strategie. Weg von den überalterten linearen Kanälen, hinein in die jungen Digitalen Medien. Statt «Eco» und «Sportpanorama» im TV lieber Kiko und Gabirano in der Handy-App.

Bloss scheint es ein wenig unbeliebt, das Projekt «SRF 2024». Sie haben die Journalisten und die Öffentlichkeit nicht so richtig hinter sich.

In der Zeitung lesen wir von mittelschweren Aufständen in Ihrem Newsroom. Wir hören von Grabenkämpfen zwischen den linearen TV- und Radio-Leuten und den social Digital-Leuten. Und die NZZ schreibt Ihr Vorhaben kurzerhand in die Ungesetzlichkeit, weil Ihre Online-Aktivitäten in diesem Ausmass von der Konzession gar nicht abgedeckt seien.

Ob das stimmt, weiss ich nicht.

Aber ich finde, dass Sie nicht ganz redlich sind. Sie behaupten, SRF habe gemäss Konzession den Auftrag, sein Programm in die sozialen Medien zu tragen. Sie behaupten, das Online-Angebot von SRF bestehe überwiegend aus Bewegtbild- und Audio-Inhalten. Sie behaupten, SRF konkurrenziere mit seinem Newsangebot im Netz die bestehenden privaten News-Angebote nicht.

Aber eigentlich stimmt das alles nicht.

Die Konzession sieht nur vor, neue technische Kommunikationsmöglichkeiten zu nutzen und Social Media «kreativ auszuloten», nicht weite Teile des Programms darauf auszurichten.

Die SRF-News-Sites konkurrenzieren die privaten Angebote direkt. Die Inhalte haben, wenn überhaupt, nur Pseudo-Sendungsbezug. Sie foutieren sich um die 1000er-Zeichenbegrenzung und fahren das komplette Newsprogramm der Schriftlichkeit.

In den App-Stores schalten Sie Werbung für SRF-Apps über den App-Angeboten der privaten Konkurrenz. Das sei nur «eine Installationskampagne» gewesen «mit einem Budget von einigen hundert Franken». Derweil geben Sie es intern als klares Ziel aus, den Mittbewerbern so viele App-User wie möglich abzujagen.

Das kann man natürlich alles machen. Sie tun es ja auch aus guten Gründen. Journalismus, der niemanden mehr erreicht, ist keiner mehr. SRF muss wie alle anderen in den digitalen Raum, auf die Handys, in die Social Media.

Aber dann sagen Sie es bitte auch so: Sie müssen als SRF von den linearen Ur-Kanälen weg, hinein in den rein digitalen Raum und dort den Privaten den Platz streitig machen, den diese sich dort in den letzten zehn, fünfzehn Jahren untereinander aufgeteilt haben.

Sagen Sie das klar und deutlich, nach innen und nach aussen. Dann wird's auch mit der Motivation im Team wieder, wenn Ausgangslage und Ziel klar sind.

Zwar wird der politische Widerstand von aussen ein wenig heftiger werden, das ist klar. Aber, wenn Sie rumflunkern, dann sind Sie nicht glaubwürdig und überzeugen weder Ihre Leute noch die Öffentlichkeit.

Machen Sie es also wie Bernhard von Bülow und verlangen Sie auch Ihren Platz an der Sonne. Auch wenn es vielleicht meiner ist. :(

Liebe Grüsse

Maurice Thiriet

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die SRF-«Tagesschau»-Moderatoren seit den 60er Jahren:
1 / 26
Die SRF-«Tagesschau»-Moderatoren seit den 60er Jahren:
In den 60er Jahren bei der «Tagesschau»: Erich Gysling. Einen klassischen Anchor wie heute gab es damals noch nicht.
quelle: srf.ch / srf.ch
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Wie kommt man dazu, sich Capital Bra zu nennen?» – der Chef toleriert kein Gangster-Rap
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
25 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
LCS
18.09.2020 09:37registriert März 2020
Wenn das SRF diese Online-Abenteuer nicht endlich besser begründen kann, wird die nächste Gebührenabstimmung nicht mehr zu seinen Gunsten ausfallen.
Ich habe bei der «No Billag»-Initiative nein gestimmt, aber wenn das SRF sich nicht mehr an seinen eigentlichen Auftrag hält, sondern in erster Linie die Privaten konkurrenziert, sehe ich nicht ein, warum die SRG hierfür Gebühren in der jetzigen Höhe erhalten sollten.
17247
Melden
Zum Kommentar
avatar
Bruno Wüthrich
18.09.2020 09:18registriert August 2014
Ich hätte - gemäss Titelsetzung - gerne etwas über die Folgen des Umbaus in ein Digital-Konglomerat erfahren. Damit meine ich nicht die internen Widerstände. Denn das sind nicht Folgen, sondern Begleiterscheinungen.

Interessant wäre auch eine Analyse darüber, was die Privaten dem entgegen setzen könnten. Ob eventuell Watson etwas plant. Oder ob die eindeutige politische Positionierung von Watson bereits eine Folge davon ist.

Mir stellt sich die Frage, ob denn mit gutem, neutralem Journalismus neben SRF heutzutage überhaupt noch Blumentöpfe zu gewinnen sind. Oder nur noch mit Feminismus & Co.
15635
Melden
Zum Kommentar
avatar
FrankB
18.09.2020 10:36registriert März 2017
Ich vermisse an dieser Diskussion den "Kunden" und Qualität.
Seit Jahren ein Gezetere wegen Gebühren, Werbeumverteilung etc. Das geht dann Hand in Hand mit Werbe zugemüllten Internetseiten, nutzlose "News" Seiten und viel Mist auf (zu)vielen gleichgeschalteten Privatradios. Dann noch eine wenig durchdachte DAB Kampagne. Und die millionen UKW Geräte die nicht mehr brauchbar sind? Ressourcenverschwendung?
Die Welt verändert sich (nicht nur die Medienwelt!), auch ich nutze konstant diverse Medienkanäle, trotzdem wünsche ich mir mehr Qualität statt Quantität. Und für Qualität bezahle ich gerne.
512
Melden
Zum Kommentar
25
Mit diesen 8 Tipps werden Ostern für dich bestimmt nicht langweilig
Das verlängerte Osterwochenende steht vor der Tür. Damit dir während den freien Tagen nicht langweilig wird, haben wir hier acht sehr empfehlenswerte Ausflüge rund um die Ostertage zusammengestellt. Und ja: Es hat auch Schlechtwetter-Varianten.

Eine 20-Rappen-Münze so auf ein gekochtes Ei werfen, dass diese stecken bleibt? Ja, das geht. Wer's nicht glaubt, kann am Ostermontag unter den Bögen am Limmatquai oder auf dem Rüdenplatz diesen Zürcher Brauch bewundern oder selbst mitmachen.

Zur Story