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50 Jahre Mondlandung: «Im Weltraum droht der nächste grosse Konflikt»

Der Weltraumjurist Stephan Hobe warnt davor, dass der Mond ausgebeutet und irreversibel geschädigt wird.
Der Weltraumjurist Stephan Hobe warnt davor, dass der Mond ausgebeutet und irreversibel geschädigt wird.Bild: montage watson/universität köln/keystone
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«Der Mond würde durch die Rohstoff-Ausbeutung irreversibel geschädigt»

Vor 50 Jahren ist der erste Mensch auf dem Mond gelandet. Trotzdem seien die Gesetze im Weltall zu schwammig formuliert. Das sagt Weltraumjurist Stephan Hobe und warnt im Interview vor einer Ausbeutung des Mondes.
19.07.2019, 11:2420.07.2019, 08:02
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In dem Moment, als die Rakete der Apollo 11 am 20. Juli 1969 die Erdatmosphäre verliess, galt ein anderes Gesetz. Dieses gilt noch heute – denn auch das Weltall ist kein rechtsfreier Raum. Jedoch müssten die Gesetze gemäss Stephan Hobe, Weltraumjurist und Direktor des Instituts für Weltraumrecht an der Universität Köln, dringend überarbeitet werden.

Herr Hobe, wem gehört eigentlich der Mond?
Stephan Hobe:
Zwar steht die US-amerikanische Flagge auf dem Mond, dieser gehört deswegen aber nicht der USA. Er ist im Besitz der gesamten internationalen Gemeinschaft – kein einzelner Staat darf ihn für sich beanspruchen.

Der mittlerweile berühmte US-Amerikaner Dennis Hope verkauft seit Jahren Grundstücke auf dem Mond. Er behauptet, der Weltraumvertrag verbiete es nur den Staaten, einen Besitzanspruch zu stellen, nicht aber Privatpersonen. Gehört er also doch jemandem?
Das ist rechtlicher Humbug und ist natürlich absolut unzulässig. Der Mond gehört mitnichten einer Einzelperson.

Lediglich 19 Staaten haben den Mondvertrag unterschrieben – ausgerechnet die USA nicht. Warum?
Das ist tatsächlich problematisch. Der Grund dafür, dass ihn nur so wenige unterschrieben haben, ist hauptsächlich der Artikel 11. Dieser besagt, dass der Mond und seine Ressourcen das gemeinsame Erbe der Menschheit sind. Damit hat vor allem die USA Probleme. Sie sehen sich in der kommerziellen Nutzung der Ressourcen zu stark eingeschränkt, weshalb sie auch nicht unterschrieben haben.

Die Weltraumgesetze
Der Weltraumvertrag regelt in 17 Artikeln das Gesetz im All und den Umgang mit den Himmelskörpern. Er wurde 1967 den Vereinten Nationen zur Unterzeichnung vorgelegt und von 107 Staaten unterschrieben. Der Mondvertrag ist die zweite Gesetzgrundlage im Weltraum und wurde erst 1979 erarbeitet. Im Gegensatz zum Weltraumvertrag wurde der Mondvertrag lediglich von 19 Staaten unterschrieben, ausgerechnet die USA als Weltraum-Pioniere sind nicht dabei.

Die USA arbeiteten deshalb eine eigene nationale Gesetzgebung aus. Der «Space Act of 2015» erlaubt den US-Bürgern, die Rohstoffe der Himmelskörper kommerziell auszubeuten.
Das geht nicht. Das ist glatt rechtswidrig. Denn es fehlt ihnen die Rechtsmacht dafür. Der Mond gehört der internationalen Gemeinschaft und deshalb können nur internationale Gesetze aufgestellt werden.

Warum pfeifen die USA dann auf das Gesetz?
Sie erhoffen sich davon, Erfinder und Firmen anzuziehen, die ihr Geld lieber in Firmen in der USA investieren als anderswo und damit die heimische Industrie gestärkt wird. Das sind sehr egoistische Züge. So kommt es dann zu einer Übermacht der USA im Weltraum.

Bild
bild: universität Köln
Stephan Hobe ist Direktor des Instituts für Luftrecht, Weltraumrecht und Cyberrecht an der Universität Köln und Vorstandsmitglied des International Institute of Space Law. Sein Buch «Space Law» ist im Juni 2019 beim C.H.Beck Verlag erschienen.

In Ihrem kürzlich erschienenen Buch «Space Law» kritisieren sie immer wieder, dass der Weltraumvertrag zu wenig konkret formuliert ist. Wo braucht es Verbesserungen?
Die Frage der wirtschaftlichen Nutzung des Weltalls und die umweltgerechte Nutzung ist sehr ungenau formuliert. Hier bräuchte es unbedingt eine Konkretisierung.

Was geschieht, wenn sich nichts ändert?
Die USA sagt sich: ‹Solange wir finden, dass der Mondvertrag eigentlich gar nicht geschrieben ist, halten wir uns an den Weltraumvertrag›. Und dort wird die UNO nicht mit einem eindeutigen Verbot der kommerziellen Nutzung des Weltraums entgegenhalten können. Es besteht derzeit also eine gesetzliche Grauzone. Das halte ich für eine grosse Gefahr, deshalb muss jetzt dringend gehandelt werden.

«Staaten werden möglichst schnell an Rohstoffe kommen wollen, sodass der Mond irreversibel geschädigt wird.»

Nicht nur die USA, sondern auch China rüstet sich für die kommerzielle Nutzung des Mondes. Kommt es im Weltall zum nächsten grossen Konflikt?
Ja, das befürchte ich. Deshalb versuche ich so zu mahnen und fordere, dass eine Nutzungsordnung für den Ressourcenabbau ausgearbeitet wird. Denn wenn wir erstmal einen Staat da bohren lassen, die Ressourcen mitnehmen lassen und dann erst auf die Idee kommen, eine Nutzungsordnung zu formulieren, ist es zu spät. Doch es ist auch Zeit, sich die Frage zu stellen: Will man überhaupt eine kommerzielle Nutzung oder ist das umweltpolitische Risiko zu gross? Wenn einzelne Staaten aktiv werden, ist kaum eine umweltgerechte Nutzung möglich. Sie versuchen dann möglichst schnell an die Rohstoffe zu kommen, sodass die Mondlandschaft irreversibel geschädigt wird.

David R. Scott auf dem Mond bei Arbeiten mit dem Bohrgeraet. Im Vordergrund ein Geraet zur Messung des Sonnenwindes. Am 26. Juli 1971 starteten die Astronauten David R. Scott, James B. Irwin und Alfre ...
Astronaut David R. Scott der Apollo 15 bei Bohrungen auf dem Mond.Bild: NASA

Abgesehen vom kommerziellen Ressourcenabbau, wie sieht die Zukunft im Weltraum aus?
Ich glaube, die Zukunft wird den Weltraumtransporten gehören. Wir werden uns auf der Erde Entlastung schaffen, indem wir Güter durch den Weltraum befördern. Deshalb gibt es auch eine weltweite Konkurrenz um den billigsten Startdienst für Raketen, die Dinge durch den Orbit transportieren werden.

«Es gibt eine weltweite Konkurrenz um den billigsten Startdienst für Raketen.»

Kann man in Zukunft auch als Privatperson über das Weltall beispielsweise von Zürich nach L.A. reisen?
Man konnte es sich ja früher auch noch nicht vorstellen, dass einmal Leute mit dem Flugzeug transportiert werden. Warum soll es denn nicht möglich sein, Leute im Weltraum zu transportieren? Ich denke, das ist nur eine Frage des Angebots und der Nachfrage. Bisher ist das noch nicht erschwinglich. Wenn die Frequenz hoch ist, werden auch die Preise sinken, das sehe ich sehr sicher voraus.

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88 Kommentare
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sweeneytodd
19.07.2019 11:55registriert September 2018
'Der Mond gehört der internationalen Gemeinschaft" ähh ja nein? Es ist doch so, wie will man den Russen, Chinesen und Amis verbieten den Mond zu nutzen? Die werden sich durchsetzen, denn sie müssen sich nur an Gesetze haöten welche sie ratifiziert haben. Überwachen können wir es sowieso nicht, bis die Europäer eine vernüftige Rakete für den Mond am Start haben (um ggf. Mond-Polizei zu spielen) wurde er von den drei gennanten Ländern schon längst ausgebeutet. Es ist Illusion wenn jemand daran glaubt dies durchzusetzen obwohl eine einheitliche Gesetzgebung das einzig vernünftige wäre.
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The Danisher
19.07.2019 12:32registriert Juni 2019
Weltraumjurist klingt geil. Ich glaube,ich eröffne eine Kita auf dem Mond und nenne mich fortan Space-Erzieher. Sieht auf Visitenkarten sicher extrem gut aus
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Turrdy
19.07.2019 12:39registriert März 2018
"In dem Moment, als die Rakete der Apollo 11 am 20. Juli 1969 die Erdatmosphäre verliess"
Naja, technisch gesehen hat Apollo 11 bereits am 16. Juli die Atmosphäre verlassen (an dem Tag ist sie gestartet)
Am 20. Juli sinds dann auf dem Mond gelandet (nach rund 4 Tagen Reise im All)
🤓
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