Seit rund einer Woche dreht sich in der US-Politik alles um die Vorfälle in der Kleinstadt Kenosha. In der Stadt war es zu Unruhen gekommen, nachdem ein Polizist am 23. August dem Afroamerikaner Jacob Blake (29) siebenmal in den Rücken geschossen hatte.
Neben friedlichen Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt löste der Vorfall auch insbesondere nachts Unruhen aus. Während den Protesten kam es zu tödlichen Schüssen. Dem 17-Jährigen Kyle R. wird zur Last gelegt, vergangene Woche am Rande der teils gewalttätigen Proteste in Kenosha im Gliedstaat Wisconsin zwei Menschen erschossen und eine weitere Person verletzt zu haben.
Obschon auf einem Video die tödlichen Schüsse zu sehen sind, wollen Trump und seine Gefolgsleute die Tat nicht per se verurteilen. Demonstranten hätten ihn «sehr gewalttätig» angegriffen und er «wäre wohl getötet worden», verteidigte Trump den Schützen am Montag.
Die Verteidigung weisser «Bürgerwehren» hat System. Dies zeigte der Journalist und TV-Entertainer John Oliver in seinem letzten Beitrag eindrücklich auf. Drei Beispiele:
Während des republikanischen Parteikonvents erhielt ein Ehepaar einen Auftritt, das während der Black-Lives-Matter für fragwürdige Schlagzeilen sorgte. Ein Video zeigte, wie sie mit gezückten Waffen ihr Haus «verteidigten», als der Protestzug vorbeizog. Dabei zielten sie auf die Protestierenden. Anstatt dieses Verhalten zu verurteilen, gaben ihnen die Republikaner nun einen Plattform, um ihre Sicht der Dinge darzulegen.
Auf der konservativen TV-Station Fox News wird der mutmassliche Todesschütze von Kenosha ziemlich unumwunden in Schutz genommen. Es sei eigentlich nicht so überraschend, dass ein 17-Jähriger das Gefühl habe, er müsse für Ordnung sorgen, wenn dies sonst niemand mache, polterte das Fox-Aushängeschild Tucker Carlson. Dass der Schütze wegen seines Alters noch gar keine Waffen auf sich hätte tragen dürfen, schien Carlson nicht zu interessieren.
Kurz nachdem Kyle R. die tödlichen Schüsse abgab, näherte er sich der Polizei. Diese reagierte allerdings äusserst zurückhaltend. Sie liess den 17-Jährigen mit geladener Waffe die Strasse hinunter laufen und fragte ihn sogar, ob es Verletzte gegeben habe. Dies, obschon Augenzeugen die Polizei lautstark darauf hinwiesen, dass der junge Mann soeben auf Leute geschossen habe.
Diese Bilder stehen im starken Kontrast zum Vorfall mit Jacob Blake, als die Polizei kaum zögerte, sieben Mal abzufeuern. Für Oliver ist dies ein «eklatanter Doppelstandard»: In weiteren Videos ist sogar zu sehen, wie die Beamten den bewaffneten «Bürgerwehren» Wasser anbietet und sich bei ihnen bedankt.
Für Oliver gibt es eigentlich keine Zweifel: Trump und seine Gehilfen in den Medien haben während der letzten vier Jahre genau solches Verhalten gefördert, wie es Kyle R. in Kenosha an den Tag legte. Dieser ist denn auch ein überzeugter Trump-Anhänger und sass im Januar in der ersten Reihe einer Wahlkampfveranstaltung des Präsidenten. Würde Trump das Verhalten der «Bürgerwehren» explizit verurteilen, dann würde er seine eigene Wählerschaft vergraulen. Und das will er natürlich nicht.
Übrigens erwähnt John Oliver in seinem Beitrag auch den Schweizer Basketballer Thabo Sefolosha, um den strukturellen Rassismus in den USA aufzuzeigen. Sefolosha wurde 2015 von Polizisten derart schwer verletzt, dass er sich in der Folge einer Operation zuziehen musste. Kürzlich meinte der Schweizer Basketball-Star gegenüber der NZZ:
(cma)
Die Doppelstandards sind nun hoffähig und es wird lange dauern, bis wieder eine vernünftige und faire Sicht von Verbrechen Einzug halten wird.
Hoffen wir dass dies bei uns nicht Schule macht, auch wenn wir auch in Europa nicht von Doppelstandards gefeit sind.
Polizisten hätten auch nicht in jeder Situation den Finger am Abzug. Da aber fast jeder mit einer Knarre herumläuft, ist das Risiko für die Polizei entsprechend hoch, was die Spirale der Gewalt immer weiter antreibt.