Mit dem etwas wackeligen Auftritt eines Parlamentarier-Streichquartetts und einer wirren Rede von SVP-Nationalrat und Alterspräsident Luzi Stamm begann am 30. November 2015 die neue Legislatur der eidgenössischen Räte. Ihren Abschluss findet sie mit der Herbstsession 2019, die am kommenden Montag beginnt. Am 20. Oktober folgt die Wahl eines neuen Parlaments.
Im Rückblick war der eher durchzogene Auftakt ein Vorzeichen für das, was in den nächsten vier Jahren in Bundesbern folgen sollte. National- und Ständerat haben nur wenige grosse Geschäfte auf die Reihe gebracht. Manches scheiterte im Parlament, anderes in der Volksabstimmung. Auf allen Seiten des politischen Spektrums herrschen Ernüchterung bis Verärgerung.
Die SP macht für die «verlorene Legislatur» die rechtsbürgerlichen Parteien verantwortlich, die ihre «Macht des Stärkeren» ausgespielt hätten. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse zog am Ende der Sommersession ebenfalls eine negative Bilanz. Die Schweiz sei «stehen geblieben», sagte Chefökonom Rudolf Minsch. Bei vielen Geschäften verzeichnete er einen Status Quo.
Man darf das Klagelied der SP als Wahlkampfmanöver einordnen. Denn in der Tat haben die rechten Parteien herzlich wenig aus ihrer vermeintlichen Dominanz gemacht, worüber nicht nur Economiesuisse frustriert ist. Der Arbeitgeberverband stellte schon vor einem Jahr «mit Bedauern fest, dass sich die Hoffnungen auf eine bürgerliche Wende in dieser Legislatur nicht erfüllt haben.»
Die Flüchtlingskrise in Europa katapultierte die SVP bei den Wahlen 2015 auf ein Allzeithoch von knapp 30 Prozent. Weil auch die FDP erstmals seit langer Zeit zulegen konnte, kamen die beiden rechtsbürgerlichen Parteien im Nationalrat auf eine absolute Mehrheit von 101 Sitzen. Der Rechtsrutsch weckte Fantasien und Befürchtungen im Hinblick auf eine «bürgerliche Wende».
Eine Machtdemonstration erfolgte am Ende der ersten Session der neuen Legislatur. In der Schlussabstimmung votierten SVP und FDP im Nationalrat gegen eine Verlängerung des Zulassungsstopps für Ärzte. Es war ein unausgegorener Schnellschuss mit potenziell üblen Folgen für das Gesundheitswesen und die Krankenkassenprämien, eine Deregulierung am falschen Objekt.
Schliesslich wurde der Ärztestopp doch verlängert, und nun soll die bislang provisorische Massnahme im Krankenversicherungsgesetz verankert werden. Der Nationalrat beugt sich in der Herbstsession über das Geschäft, noch gibt es Differenzen zum Ständerat. Aber in gewisser Weise schliesst sich der Kreis. Der Ärztestopp ist zum Symbol geworden für den gefloppten Rechtsrutsch.
Ein anderes schönes Beispiel ist der Vaterschaftsurlaub. Im Frühjahr 2016 schmetterten SVP und FDP im Nationalrat einen CVP-Vorstoss für zwei Wochen «Papiferien» ab. Am kommenden Mittwoch wird der gleiche Rat die gleiche Forderung mit grosser Wahrscheinlichkeit durchwinken. Selbst eine Elternzeit scheint nicht mehr völlig utopisch.
Nachdem der rechte Tessiner Ignazio Cassis den Neuenburger Linksfreisinnigen Didier Burkhalter im September 2017 «beerbt» hatte, kam es auch im Bundesrat zu einem Rechtsrutsch. Die vier Mitglieder von SVP und FDP liessen wiederholt ihre Muskeln spielen. Das zeigte sich besonders deutlich beim Entscheid, das Verbot von Waffenexporten in Konfliktgebiete zu lockern.
Nach heftigen Protesten und der Lancierung einer Volksinitiative krebste der Bundesrat zurück. Seit der zur Dogmatismus neigende Freisinnige Johann Schneider-Amman durch die pragmatische Karin Keller-Sutter ersetzt wurde, sind die Mehrheiten volatiler geworden. Der Rechtsrutsch war auch in der Landesregierung eine Episode mit wenig Wirkung.
Die rechte Mehrheit im Nationalrat scheiterte in erster Linie an der SVP, die sich zu oft im ideologischen Bunker verschanzte. Umso mehr Gewicht erhielt die kleine Kammer, in der die Mehrheitsverhältnisse volatiler waren. Mit CVP, FDP und SP gab es drei praktisch gleich starke Blöcke, während die SVP, die einst das Stöckli stürmen wollte, kaum etwas zu melden hatte.
Damit wurde der Ständerat zum Taktgeber bei wichtigen Geschäften, etwa der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative, der Altersvorsorge oder der Verknüpfung der Unternehmenssteuerreform mit einer Zusatzfinanzierung für die AHV. Dafür sorgte auch die Bereitschaft der SP zum Kompromiss. Die Bilanz aber ist auch in diesem Fall durchzogen.
Einen grossen Erfolg erzielten die Rechtsbürgerlichen: Sie brachten die von einer Mitte-links-Allianz beschlossene Altersvorsorge 2020 in der Volksabstimmung zu Fall. Die Vorlage hatte Mängel, vor allem der 70-Franken-Zuschlag bei der AHV für Neurentner war zu wenig durchdacht. Ihr Absturz aber verstärkte den Eindruck, dass die Schweiz keine grossen Reformen mehr zustande bringt.
Zuvor war bereits die Unternehmenssteuerreform III am Widerstand von links gescheitert. Als Erfolg kann eigentlich nur die Energiestrategie 2050 verzeichnet werden, und deren Umsetzung erweist sich als Kraftakt mit ungewissem Ausgang. Gegen Windkraftwerke und neue Speicherseen kämpfen nicht selten Grüne und Linke, die die ES 2050 noch bejubelt hatten.
Mit der AHV-Steuervorlage gelang es, die zwei gescheiterten Grossreformen wenigstens teilweise nachzuholen. Eine nachhaltige Lösung aber ist sie nicht. Bei den Steuern ist neuer Druck auf die Schweiz durch G20 und OECD absehbar. Bei der Altersvorsorge liegen Vorschläge auf dem Tisch, aber ihre Chancen sind ungewiss. Eine Dauerbaustelle ist auch die Gesundheitspolitik.
Eine gewisse Entspannung gab es bei einem anderen Aspekt: Erstmals seit langer Zeit wurde während einer Legislatur keine einzige Volksinitiative angenommen. Selbst vermeintliche «Renner» wie die Durchsetzungs- und die Selbstbestimmungsinitiative der SVP blieben auf der Strecke. Dem Parlament blieb wenigstens in diesem Bereich Mehrarbeit erspart.
Der Arbeitgeberverband hoffe, «dass sich die Politik der bürgerlichen Mitte in der nächsten Legislatur zunehmend von links emanzipiert», hielt Direktor Roland Müller letztes Jahr gegenüber watson fest. Das könnte schwierig werden, vieles deutet auf einen Linksrutsch hin. Fragt sich nur, ob damit die für die Beseitigung des Reformstaus notwendigen Kompromisse möglich werden.
1. Man verfolgt nationalistische Ideologien, die nicht mit den globalen Anspruch her werden
2. Jeder will das 5er und Weggli. Niemand ist bereit ein wenig zu bluten oder Abstriche zu machen damit man etwas zustande bringt. Alle wollen ihrer Basis immer das Blaue vom Himmel versprochene zutage bringen und sieht die Schuld bei allen anderen.
3. Wir beschäftigen und viel zu sehr mit NOnsene, investieren jahre dafür obwohlh niemand etwas davon will statt pragmatisch an richtige Probleme zu denken.
Und wenn man diese Probleme angeht, passiert 2.
Angesichts der Herausforderungen sollten wir vielleicht mehr "zusammerrutschen".
Polarisierung und Polemik passiert zur Zeit genug auf der politischen Weltbühne.