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Coronavirus: Beamte befürchten einen Aufstand der Geimpften

Falls die Massnahmen verschärft werden: Beamte befürchten einen Aufstand der Geimpften

Experten des Bundes rechnen mit Protesten geimpfter Personen, sollten neue Einschränkungen auch sie treffen. Das zeigt ein internes Papier.
03.08.2021, 06:48
Sven Altermatt / ch media
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Sie skandierten «Gemeinsam für Freiheit und Grundrechte». Oder: «Mein Körper, meine Regeln». Am Samstag marschierten in Luzern wieder Tausende Menschen auf, um gegen die coronabedingten Einschränkungen und die Impfkampagne zu demonstrieren. Sie warfen der Berner Politik unter anderen vor, mit den Schutzimpfungen indirekt eine Zweiklassengesellschaft schaffen zu wollen.

Laura bei der Impfung an im Covid-19-Impfzentrum Messe Zuerich, aufgenommen am Montag, 26. Juni 2021. Das Impfzentrum impft ab heute Jugendliche im Alter von 12 bis 15 Jahren (KEYSTONE/Ennio Leanza).
48,2 Prozent der Schweizer Bevölkerung sind vollständig geimpft.Bild: keystone

Noch sind es vor allem sogenannte Covid-Skeptiker – und die von ihnen provozierten Gegendemonstranten –, die auf die Strasse gehen. Bald jedoch könnte ein anderes Motiv für Proteste sorgen: der Unmut der Geimpften. Im Herbst rechnen Fachleute mit steigenden Fallzahlen und unter Umständen auch mit einem erneuten Anstieg der Spitalbelegung.

Einschätzung der Lage derzeit nicht leicht

Zu dieser Einschätzung kommt auch der Koordinierte Sanitätsdienst (KSD) der Armee, dem in der Krisenbewältigung beim Bund eine zentrale Rolle zukommt. Seine Experten überwachen landesweit die Gesundheitsversorgung und haben die Auslastung der Spitalbetten im Blick. Ihre fachlichen Urteile haben Gewicht.

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In einer internen Lageeinschätzung, die CH Media vorliegt, zeichnet der KSD ein bemerkenswertes Bild. Eine Einschätzung sei aufgrund von Unsicherheiten derzeit nicht leicht. Zum einen habe sich die ansteckendere Delta-Variante in der Schweiz schneller ausgebreitet als angenommen, heisst es. Und zum anderen liessen sich weniger Menschen impfen als ursprünglich vorhergesagt.

Unter diesen Rahmenbedingungen sei es «sehr schwierig, einen erneuten Anstieg der Spitalbelegung durch Covid-19 in den Spitälern im Herbst zu verhindern». Somit sei es wahrscheinlich, dass auch «nicht-pharmazeutische Massnahmen» wieder notwendig würden; eigentliche Beschränkungen des öffentlichen Lebens also. Als Beispiel werden explizit auch Lockdowns genannt. Und dies könnte «wiederum zu weiteren Protesten, diesmal vermutlich auch im geimpften Teil der Bevölkerung führen», heisst es in der aktuellen Lageeinschätzung weiter. Das Papier datiert von vergangener Woche.

Massnahmen für den Herbst rücken in den Fokus

Was die Bundesexperten da ansprechen, führt zu Fragen von grundsätzlicher Bedeutung: Sollen allfällige Einschränkungen nur noch Nichtgeimpfte treffen? Gilt es die Freiheiten von Geimpften und Genesenen besser zu schützen – zumal die Gefahr der Ansteckung durch sie geringer ist?

Die Zahlen der vergangenen Tage "lassen einen schon vorsichtig bleiben", sagte Lukas Engelberger, Pr�sident der kantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK), am Sonntagabend. (Archivbild)
Lukas Engelberger: «Wenn es draussen kühler wird, werden wir sehen, ob wir gut aufgestellt sind.»Bild: sda

Behörden und Politiker aller Couleur diskutieren derzeit über Massnahmen für den Herbst. So hält es Lukas Engelberger, Basler Regierungsrat und Präsident der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren, durchaus für möglich, dass die Massnahmen dann allenfalls wieder verschärft werden müssen. Dies, um eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern. «Wenn es draussen kühler wird, werden wir sehen, ob wir gut aufgestellt sind», erklärte Engelberger in der «Sonntagszeitung».

Offen ist, welche Nachteile die Ungeimpften sodann in Kauf nehmen müssten. Bundespräsident Guy Parmelin stellte am Wochenende zumindest öffentlich in Frage, ob die Covid-19-Tests noch gratis sein sollen, wenn erst einmal alle geimpft sind, die das wollen. Dass das Covid-Zertifikat an weiteren Orten zur Pflicht werden könnte, wenn die Zahl der Hospitalisierungen steigt, ist absehbar.

Der Kommissionssprecher der Debatte um das Covid-19-Gesetz, Philippe Nantermod, FDP-VS, spricht, an der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 9. September 2020 im Nationalrat in Bern. ...
Einschränkungen für Nicht-Geimpfte: Philippe NantermodBild: keystone

Die drei G-Kategorien – Genesene, Geimpfte und Getestete – sind heute gleichgestellt. Dass dies keinesfalls sakrosankt bleiben muss, zeigen Äusserungen von Politikern. Klartext sprach jüngst etwa FDP-Nationalrat Philippe Nantermod. Wenn eine neue Welle komme, müssten Leute, die nicht geimpft sind, zumindest am Anfang Einschränkungen akzeptieren, sagte er dieser Zeitung. «Und nicht jene Leute, die geimpft sind.»

Einschränkungen nur noch für Nichtgeimpfte als Möglichkeit

Deutlich umriss unlängst auch Mitte-Nationalrat Lorenz Hess eine mögliche Verschärfung, sollten die Zahlen wieder ansteigen:

«Es kann ein Thema werden, dass nur noch Genesene und Geimpfte Zutritt zu Grossveranstaltungen haben. Sonst wird das Testen das neue Impfen, und das ist nicht gut.»

Tatsächlich gibt es solche Überlegungen in der Bundesverwaltung schon. Der Koordinierte Sanitätsdienst verweist in seiner internen Lageeinschätzung auf Übertragungsketten an Grossveranstaltungen. Getestete Besucher könnten sich auch nach Erhalt des Covid-Zertifikats anstecken; zumal die Delta-Variante einfacher übertragbar und ein negatives Testresultat bis zu 72 Stunden gültig ist.

Die Experten regen deshalb an, zumindest bei Grossveranstaltungen einen auf Geimpfte und Genesene beschränkten Einlass zu prüfen. Soll heissen: Aus drei würden zwei G-Kategorien. (bzbasel.ch)

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391 Kommentare
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Rethinking
03.08.2021 07:06registriert Oktober 2018
Ich bin jetzt einfach mal so frech zu behaupten das es inter den Geimpften einen höheren prozentualen Anteil von Vernünftigen hat, als bei den Ungeimpften (darum liessen sie sich ja impfen)…

Entsprechend glaube ich nicht dass es zu Aufständen kommt…

Hingegen Unmut wird es sicher geben…

Vor allgemeinen Einschränkungen sollte daher sanfter Druck auf Ungeimpfte ausgeübt werden. Insbesondere unentschlossene könnten durch Zertifikatpflicht an allen Veranstaltungen, Kinos, Restaurands etc. Zu einer Entscheidung geholfen werden…
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Ohniznachtisbett
03.08.2021 07:31registriert August 2016
Es geht ja nicht unbedingt um "Aufstände". Ich glaube aber einfach, dass es für die Impfbereitschaft z.b. einer allfälligen 3. Impfung, in einer weiteren Pandemie etc. nicht förderlich wäre, wenn jetzt wieder Massnahmen für alle kämen. Wenn Sportveranstaltungen, Konzerte, Sport, Restaurants etc. wieder geschlossen würden, würden sich wohl ganz viele Geimpfte sagen, warum genau haben wir das nun gemacht. Angelogen wurden wir auch noch. Weil es ja mal hiess, wenn alle die wollen geimpft sind, dann machen wir ganz auf. Jetzt wird schon wieder relativiert.
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guby
03.08.2021 07:42registriert August 2015
Würden die Geimpften in die Massnahmen eingeschlossen hätte ich ein sehr grosses Problem damit. Die Weigerung anderer darf mir nicht meine Freiheit nehmen. Wenn man die Wahl haben will soll man auch auch die Konsequenzen selber (!) tragen. Ich bezweifle, dass es zu Aufständen im wörtlichen Sinne kommen würde. Aber würde eine Demonstration stattfinden wäre ich wohl das erste Mal ein Teilnehmer einer solchen.
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