Kampfpilotin Fanny Chollet könnte der Politik das eine oder andere in Sachen Fehlerkultur beibringen. Bild: keystone
Die Behörden-Kakophonie im Umgang mit Corona ist unerträglich. Politikerinnen und Politiker haben eine grottenschlechte Fehlerkultur. Sie sollten sich ein Vorbild nehmen an der Luftfahrt.
Liebe Frau Chollet
Sie sind mir kürzlich wieder über den Bildschirm geflattert. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, bewerben Sie in der Öffentlichkeit das umstrittene Kampfjet-Beschaffungsgeschäft? Sie machen das vermutlich nicht ganz uneigennützig, als Kampfpilotin sind Sie ja Ihren Job los, wenn wir keine Flieger mehr haben.
Wir haben aber derzeit ein dringenderes Problem, wo Leute wie Sie ihre Person und ihren beruflichen Background mit grösserem Nutzen für die Allgemeinheit einsetzen könnten: Ich meine natürlich das Pandemie-Management des Bundes und der Kantone.
«Was soll ich da beitragen?», werden Sie sich fragen? Nun, Sie könnten eine Fehlerkultur vorleben, die darauf ausgerichtet ist, schwierige und potentiell lebensbedrohliche Situationen eher zu verhindern, statt sie zu repetieren.
In der Luftfahrt ist man es sich gewohnt, bei Fehlern und Unfällen die Fehlerquellen zu finden, deren Ursachen zu analysieren und die Schlussfolgerungen daraus samt Untersuchung öffentlich zu machen. Damit die ganze Branche daraus lernen kann und sich Fehler nicht wiederholen.
Das bedingt, dass dieser Prozess nicht primär zum Ziel hat, einen Schuldigen verantwortlich zu machen, sondern die Fehlerquelle zu eliminieren.
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Wie Sie jetzt gesehen haben, funktioniert das in der Politik und der Verwaltung anders. Weil Politikerinnen und Politiker wiedergewählt werden müssen, ist fast nichts so schlimm, wie Fehler zuzugeben und dann schlechte Presse zu kriegen.
Und so macht jetzt die Zürcher Gesundheitsdirektorin den Bundesrat dafür verantwortlich, dass sich in einem Club ein Infektionsherd gebildet hat und tadelt den eigenen Regierungsrat, weil er gegen die Maskenpflicht war. Der Gesundheitsminister macht die Kantonsregierungen verantwortlich, dass sie die Empfehlungen des Bundes nicht durchsetzen. Die Kantonsregierungen kommen mit den steigenden Fallzahlen nicht klar und statt sich mit dem Bundesrat zu koordinieren, bleiben sie beleidigt der entscheidenden Sitzung fern, weil die Einladung zu spät gekommen sei.
Sie sehen, es ist eine einzige grosse Polit-Shitshow.
In der geht es nicht darum, Transparenz und eine Verbesserung der Situation herbeizuführen, um künftige Tote zu verhindern. Es geht nur darum, die Verantwortung für die Fehler, die zur derzeitigen Situation geführt haben, auf jemand anderen zu schieben. Und am Schluss dieser Kakophonie der rückwärtsgewandten Propheten droht der Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz den Leuten mit der Polizei.
Nun wissen wir, das wirksamste Mittel im Kampf gegen die Coronapandemie ist die Solidarität in der Bevölkerung. Wenn wir alle ein wenig aufeinander aufpassen, wird es sofort auch für alle viel sicherer.
Aber werden die einzelnen Bevölkerungsgruppen zurückstecken, eine Maske tragen, aufeinander Rücksicht nehmen, wenn schon diejenigen Leute, die sie für die Krisenbewältigung gewählt haben, sich gegenseitig aufs Dach geben und alle anderen verantwortlich statt einen besseren Plan machen?
Ich fürchte nicht. Eher im Gegenteil.
Deshalb rege ich an, Sie rufen mal Alain Berset an und fragen, ob Sie behilflich sein könnten.
Mit freundlichen Grüssen