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Trump angeklagt? Es wird sein Triumph – oder sein Untergang

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Trump angeklagt? Es wird sein Triumph – oder sein Untergang

Der Ex-Präsident hat wieder, was ihm am wichtigsten ist: die ungeteilte Aufmerksamkeit der Medien. Ihm drohen aber auch drei Anklagen.
31.03.2023, 01:45
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Am vergangenen Wochenende hat Donald Trump seinen Wahlkampf ernsthaft in Angriff genommen. Ausgerechnet in Waco (Bundesstaat Texas), dem Ort, an dem 1993 82 Sektenmitglieder bei einer Schiesserei mit dem FBI zu Tode kamen, hielt der Ex-Präsident sein erstes Rally ab. Mit allem Drum und Dran: Der Alt-Rocker Ted Nugent heizte die MAGA-Meute an, der Kissen-Fabrikant Mike Lindell durfte einmal mehr seine Lüge von einem angeblichen Wahlbetrug vortragen, bis der in seinem Privatjet angereiste Maestro selbst die Bühne betrat und – begleitet von einem Gesang eines Gefangenenchors von verurteilten Kapitol-Stürmern – zunächst den Treueschwur auf die Verfassung verlas, bevor er eine Tirade auf eine angebliche Politisierung der Justiz vom Stapel liess.

Former President Donald Trump arrives to speak at a campaign rally at Waco Regional Airport, Saturday, March 25, 2023, in Waco, Texas. (AP Photo/Evan Vucci)
Donald Trump
Der Privatjet als Symbol von Potenz: Trump bei seinem Rally in Waco.Bild: keystone

Pomp und Pseudo-Patriotismus können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Trump in ernsthaften juristischen Schwierigkeiten steckt. Am Donnerstag wurde er nun erstmals angeklagt: Alvin Bragg, der Untersuchungsrichter von Manhattan, zieht ihn wegen der Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels vor den Kadi. Ihm drohen zudem zwei andere Anklagen: Im Bundesstaat Georgia muss er sich womöglich sehr bald wegen versuchter Wahlmanipulation verantworten – die «Findet mir 11'780 Stimmen»-Geschichte – und Sonderermittler Jack Smith scheint im Begriff, seine Untersuchungen der Geheimdokumente und Trumps Rolle beim Sturm auf das Kapitol abzuschliessen.

Die Chancen, dass Donald Trump bald in den Genuss eines sogenannten «Perp Walks» kommt, sind daher so gross wie noch nie. Doch was ist das überhaupt?

Der Ausdruck «Perp Walk» lässt sich in etwa mit «öffentliche Zurschaustellung» umschreiben. Konkret ist damit die Prozedur gemeint, die durchgeführt wird, wenn ein Angeklagter zum ersten Mal dem Richter vorgeführt wird. Das geschieht in Handschellen. Zuvor wurden noch die «mug shots», die Polizeifotos des Angeklagten, gemacht und seine Fingerabdrücke genommen. Erst dann verliest ihm der Richter die einzelnen Anklagepunkte, derer er sich schuldig oder unschuldig bekennen kann.

Der Perp Walk ist mehr als eine formalistische Prozedur, er ist eine bewusste Demütigung des Angeklagten. Es stellt sich die Frage: Wie wird Trump mit einem Perp Walk umgehen?

Manhattan District Attorney Alvin Bragg participates in a news conference in New York, Tuesday, Feb. 7, 2023. After a challenging first year in office, Manhattan's district attorney is back in th ...
Klagt Donald Trump an: Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg.Bild: keystone

Locker, sagen die Leute aus seinem Umfeld vor einigen Tagen noch. Trump sei bester Laune und er freue sich geradezu auf den Perp Walk. «Das ist die neue Normalität für uns», sagte sein Sprecher Steven Cheung. «Der Präsident ist mittlerweile kampferprobt. Wir werden mit allem fertig, das uns in die Quere kommt.»

Tatsächlich spielt ein Perp Walk Trump in gewisser Hinsicht in die Karten. Er kann sich wieder vollumfänglich in seiner Lieblingsrolle darstellen, der Opferrolle. Die MAGA-Meute hat Trump seit Wochen auf dieses Ereignis vorbereitet. Ja, er hatte gar seine Verhaftung auf den vergangenen Dienstag angekündigt, eine der unzähligen Fakes News aus seinem Munde.

Immer wieder betont Trump auch, dass er sein Haupt stellvertretend für den kleinen vergessenen Mann auf den Richtblock lege. Gleichzeitig erklärt er, dass er in sein letztes Gefecht ziehe. «Sie wissen es. Ich weiss es. Ihr wisst es. Alle wissen es», feuert er seine Fans an. «Entweder gewinnen sie oder wir. Sollten sie gewinnen, dann haben wir keine Nation mehr.»

Nicht alle kaufen Trump jedoch seine heldenhafte Opferpose ab. Das sei Pfeifen im Walde, sagen sie, in Wirklichkeit habe Trump geradezu Panik vor dem Perp Walk. Er habe gesehen, wie das bei seinem Finanzchef Allen Weisselberg gelaufen sei, und es habe ihn zutiefst erschüttert.

Für diese These spricht der Umstand, dass Trump in den letzten Tagen selbst für seine Verhältnisse auf den sozialen Medien geradezu Amok gelaufen ist. Alvin Bragg beschimpfte er als «Tier» und «degenerierten Psychopathen». Zugleich postete er ein Foto, in dem er den schwarzen Untersuchungsrichter mit einem Baseball-Schläger bedrohte. Dem Land stellte er «potenziellen Tod und Verwüstung» in Aussicht, sollte er tatsächlich angeklagt werden. Wirklich souverän wirkt dies nicht.

epa10398563 Former Trump Organization Chief Financial Officer Allen Weisselberg (L) arrives with his attorney Nicholas Gravante (C) for his sentencing at New York Supreme Court, in New York, New York, ...
Trumps Finanzchef Allen Weisselberg bei seinem Perp Walk.Bild: keystone

Den Anfang der möglichen Anklagen hat nun die Schweigegeld-Affäre gemacht. Trump hat via seinen damaligen Anwalt Michael Cohen dem Pornostar Stormy Daniels, bürgerlich Stephanie Clifford, 130'000 Dollar bezahlt. Cohen wurde deswegen zu drei Jahren Gefängnis verurteilt und hat die Strafe bereits verbüsst. Inzwischen befindet er sich auf einer Rachetour gegen Trump.

Dass Trump ausgerechnet wegen Stormy Daniels als Erstes angeklagt wird, halten viele für einen Fehler. Das sei der schwächste von allen Fällen, argumentieren sie. Tatsächlich ist das Verfahren auf Bundesebene eingestellt worden, allerdings aus mehr als dubiosen Gründen. Beim Verfahren, dem sich Trump nun stellen muss, handelt es sich um ein einzelstaatliches Verfahren des Bundesstaates New York.

Der Staatsanwalt begibt sich auf juristisches Neuland

Das Verfahren stehe zudem auf wackligen Füssen, so die Skeptiker. Gemäss der einzelstaatlichen Gesetzgebung handle es sich zunächst bloss um ein Vergehen. Um dieses Vergehen in eine Straftat umzumünzen, müsse Alvin Bragg ein bisher unerprobtes und sehr heikles juristisches Manöver durchführen.

Auch politisch sei diese Klage unklug, so die Kritiker weiter. Die MAGA-Meute habe null Probleme mit Trumps Affäre mit dem Pornostar. Im Gegenteil, sie verzeihe ihm das nicht nur, sie liebe es geradezu und würde jubeln, «when Trump is owning the libs», was sich etwas ordinär wie folgt übersetzen lässt: wenn Trump den Linken in die Eier tritt.

Der Prozess zwingt die Republikaner zudem, sich uneingeschränkt wieder hinter den Ex-Präsidenten zu stellen, was sie denn auch bereits tun. Die meisten wichtigen Vertreter der Grand Old Party haben inzwischen alle pflichtbewusst die Anklage als politisch motivierte Hexenjagd gegen Trump verurteilt.

Selbst sein ärgster Rivale in den Primärwahlen, Ron DeSantis, hat dies mittlerweile getan, allerdings versehen mit einer gut platzierten Bosheit. In Sachen Schweigegelder an Pornostars habe er leider keine Erfahrung, so der Gouverneur aus Florida. Deshalb könne er sich inhaltlich dazu nicht äussern.

Auch zu den möglichen politischen Folgen gibt es eine Gegenthese, und die lautet: Wer Präsident der Vereinigten Staaten werden will, muss zwingend die Gunst der Frauen in den Vorstädten gewinnen. Diese sogenannten Soccer Moms werden jedoch durch den Prozess wieder an das vulgäre Verhalten Trumps erinnert werden und sich daher angewidert von ihm abwenden.

Zudem würden die anstehenden Verfahren gegen Trump nicht nur sehr viel Geld, sondern auch sehr viel Zeit auffressen, argumentieren die Skeptiker weiter. Ob der Ex-Präsident da noch genügend Zeit für seine Rallys finden werde, sei fraglich. Und selbst dann würden die Prozesse den Demokraten ein sehr starkes Argument in die Hand geben, nämlich das folgende: Wer will schon einen Präsidenten, der sich nebst seinen anspruchsvollen Aufgaben in einer ohnehin gefährlichen Welt noch gleichzeitig um seine Strafverfahren kümmern muss?

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Kanye West trifft Donald Trump
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Kanye West trifft Donald Trump
Am Dienstag besuchte Kanye West Donald Trump in Manhattan.
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Einmaliger Gebrauch: Kanye und Trump
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47 Kommentare
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banda69
27.03.2023 12:40registriert Januar 2020
"Immer wieder betont Trump auch, dass er sein Haupt stellvertretend für den kleinen vergessenen Mann auf den Richtblock lege. "

Man erinnere sich: Trumps erste Amtshandlung als schlechtester Präsident aller Zeiten war es, die Steuern für Reiche und Abzocker zu senken. Der kleine, vergessene Mann wurde hemmungslos belogen und über den Tisch gezogen und zahlt dafür die Zeche.

Und ja. Donald Trump ist Rechtspopulist. Sozusagen ein SVPler. What else.
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Paul Badman
27.03.2023 12:17registriert November 2015
Vielleicht ist die Taktik auch ganz einfach: "ärgern bis zum Herzkasper". Kann funktionieren, muss aber nicht. Gefährlich finde ich, dass die Dem's sich noch immer sehr fest am alten adipösen Mann abarbeiten. Sie sollten besser ihre Zukunft vorbereiten.
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Pontifax
27.03.2023 13:02registriert Mai 2021
Er verlas also den Treueschwur auf jene Verfassung, welche er fast täglich mit Füssen tritt... Was für ein Hohn!
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Drohne des US-Militärs stürzt im Jemen ab – Huthi-Miliz reklamiert Abschuss für sich

Im Jemen ist eine US-Militärdrohne abgestürzt. Es handelte sich um eine Drohne vom Typ MQ-9, wie ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums am Samstag der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Der Vorfall ereignete sich demnach am frühen Freitagmorgen (Ortszeit). Eine Untersuchung sei im Gange und es gebe keine Informationen über Verletzte. Nach Angaben des US-Kongresses beläuft sich der Gegenwert einer MQ-9-Drohne auf rund 30 Millionen US-Dollar (etwa 28 Millionen Euro). Ein gängiges Modell der MQ-9-Drohnen ist bekannt als «Reaper» (Deutsch: «Sensenmann»).

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