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Befürworter planen Volksinitiative für den Beitritt der Schweiz zur EU

Die Befürworter des Rahmenvertrags sind aufgebracht darüber, dass der Bundesrat das Abkommen eigenständig versenkt hat. (Symbolbild)
Die Befürworter des Rahmenvertrags sind aufgebracht darüber, dass der Bundesrat das Abkommen eigenständig versenkt hat. (Symbolbild)Keystone

Befürworter planen Volksinitiative für den Beitritt der Schweiz zur EU – oder zum EWR

Noch sind sich die EU-freundlichen Kräfte nicht einig, wie es in der Europapolitik weitergehen soll. Den Entscheid des Bundesrats wollen sie jedenfalls nicht hinnehmen.
27.05.2021, 05:31
Francesco Benini / ch media
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Wie weiter nach dem Scheitern des Rahmenabkommens? Der Plan des Bundesrats zeichnet sich nicht durch grosse Klarheit aus. Aber auch bei den Befürwortern des Vertrages gibt es noch keine einheitliche Position.

Was die Unterstützer eint, ist die Enttäuschung. «Der Bundesrat hat einen fundamentalen Fehlentscheid getroffen, der zu einem Zerfall der Bilateralen Verträge führt», sagt Tiana Moser, die Fraktionschefin der Grünliberalen – jener Partei, die das Abkommen ohne Vorbehalte unterstützt. Moser kritisiert, dass der Bundesrat die Verhandlungen «ohne Alternativkonzept» abgebrochen habe.

«Wir werden zusammen mit den konstruktiven Kräften Wege suchen, die Beziehungen zur Schweiz auf eine stabile Basis zu stellen.»

Die «stabile Basis» könnte mit der Lancierung einer Volksinitiative erreicht werden. Die Frage ist nun, was sie fordern soll: den Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union, zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) – oder aber ein neues Rahmenabkommen.

Die Operation Libero fordert ein neues Rahmenabkommen

SP Nationalrat Fabian Molina praesentiert sich der Delegiertenversammlung der SP des Kanton Zuerich fuer die Nomination der kommenden Nationalratswahlen in Zuerich am Samstag, 18. Mai 2019. (KEYSTONE/ ...
Will die Schweiz jetzt in die EU führen: SP-Nationalrat Fabian Molina.Bild: KEYSTONE

SP-Nationalrat Fabian Molina meint, dass das Ende des Rahmenvertrags der Souveränität der Schweiz schade. Molina ist dafür, eine Volksinitiative für den Beitritt des Landes zur EU zu starten. Er betont:

«Die Schweiz soll in Europa mitreden können.»

Molinas Parteikollege Eric Nussbaumer ist Präsident der Europäischen Bewegung. Diese bezeichnet eine EU-Mitgliedschaft der Schweiz als «sinnvollste aller Varianten», um das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU dauerhaft zu regeln. Nationalrat Nussbaumer sagt, dass die Bewegung die Lancierung einer Volksinitiative prüfe: eine EWR- oder EU-Beitritts-Initiative. Ziel sei es, die europäische Integration der Schweiz zu bewahren. Denn der politische Dialog mit der EU, von dem der Bundesrat nun spreche, werde selbstverständlich nicht genügen.

Auch die Operation Libero prüft «mit Hochdruck» die Lancierung einer Volksinitiative, wie Mediensprecher Stefan Schlegel sagt. Weder aus dem Bundesrat noch aus dem Parlament komme eine Lösung, was das Verhältnis der Schweiz zur EU anbelange. Bei der Operation Libero steht die «Lösung der institutionellen Fragen mit der EU» mit einem neuen Rahmenvertrag im Vordergrund. Dafür sucht die Politorganisation nun «eine tragfähige Koalition.» Die Hegemonie der SVP in der Schweizer Europapolitik müsse gebrochen werden, sagt Schlegel. Die Operation Libero war erfolgreich darin, Volksinitiativen der SVP abzuschmettern. Jetzt schickt sie sich an, selber ein Volksbegehren auszuarbeiten.

Auch die Operation Libero prüft «mit Hochdruck» die Lancierung einer Volksinitiative. Im Bild: Operation Libero Co-Präsident Stefan Manser-Egli, von links, Co-Präsidentin Laura Zimmermann und Geschäft ...
Auch die Operation Libero prüft «mit Hochdruck» die Lancierung einer Volksinitiative. Im Bild: Operation Libero Co-Präsident Stefan Manser-Egli, von links, Co-Präsidentin Laura Zimmermann und Geschäftsfuehrerin Isabelle Gerber.keystone

Micheline Calmy-Rey spricht von einer «Erleichterung»

Die Befürworter des Rahmenvertrags sind aufgebracht darüber, dass der Bundesrat das Abkommen eigenständig versenkt hat. Ob sich daran noch etwas ändern lässt, darüber gehen die Meinungen auseinander. Die Meinung herrscht vor, dass der Zug abgefahren sei.

Nicht einverstanden ist Markus Notter, vormaliger Zürcher SP-Regierungsrat. Ein Abbruch der Verhandlungen über den Rahmenvertrag bewirke faktisch eine Änderung der Abkommen der Schweiz zum EU-Marktzugang, sagt Notter. «Für Vertragsänderungen braucht es die Genehmigung der Bundesversammlung. So steht es im Artikel 166 der Bundesverfassung.» Die Interpretation ist gewagt, denn die Bilateralen Verträge bleiben bestehen. Sie werden wohl aber nicht mehr aktualisiert.

Altbundesrätin Micheline Calmy-Rey erwartet nun eine Debatte über den EU-Beitritt. «Es ist aber zu früh, den Beitritt auf den Tisch zu bringen. Vor allem sollte man ihn nicht als einzige Alternative sehen», sagt Calmy-Rey.

Die vormalige Aussenministerin bezeichnet den Entscheid des Bundesrates als «eine Erleichterung.» Die Ungewissheit sei Gift für die Debatte in der Schweiz gewesen. «Das Rahmenabkommen hat in der Schweiz alle gespalten: den Bundesrat, das Parlament, die Parteien und die Familien.» (bzbasel.ch)

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quelle: x01164 / francois lenoir
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Video: srf
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243 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Rethinking
27.05.2021 06:32registriert Oktober 2018
Ein Beitritt zur EU dürfte weiterhin Chancenlos sein und nicht im Interesse der Bevölkerung…

Hingegen ein EWR Beitritt könnte gar knapp auf Zustimmung treffen…
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Globemaster
27.05.2021 06:22registriert Juni 2020
Ich denke nicht, dass der EU Beitritt realistisch ist, dafür wird es in den nächsten Jahrzehnten keine Mehrheiten geben. Der Beitritt zum EWR ist als Option zu prüfen: Wie wären da die 3 strittigen Punkte (Rechtsübernahme, Lohnschutz & Unionsbürgerschaft) geregelt? Lichtenstein ist ja auch schon Teil des EWR…
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Gusto
27.05.2021 06:21registriert Mai 2016
Wieso nicht? Zumindest der Beitritt zum EWR darf nochmals diskutiert werden. Das Resultat von 1992 bedeutet ja nicht, dass es für immer und ewig gelten muss. Es sind seither bald 30 Jahre vergangen, Meinungen können sich ändern, und neue Generationen können mitreden. Das damalige, sehr knappe Resultat von 50,3 % Nein war jetzt nicht so klar, dass es sakrosankt ist und man nie wieder darauf zurückkommen darf.
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