Ein Jahrzehnt lang ist Greg Louganis der wohl beste Wasserspringer der Welt. Er ist fünffacher Weltmeister und triumphiert 1984 an den Olympischen Spielen von Los Angeles mit dem Double vom 3-Meter-Brett und vom 10-Meter-Turm. Jedem ist klar: Der Weg zu Gold in Seoul führt über Louganis.
Vielleicht denkt auch der 28-Jährige, dass er sich nur selber schlagen kann. Und das geschieht in der Qualifikation beinahe. Greg Louganis schlägt sich bei einem Sprung den Kopf am Brett an. Schlechte Noten sind die Folge, vor allem aber: eine Gehirnerschütterung und eine offene Wunde. Mit fünf Stichen wird diese umgehend genäht.
Nun befindet sich Louganis in der Zwickmühle. Denn wenige Wochen vor den Olympischen Spielen wurde er HIV-positiv getestet, doch das hatte er niemandem gesagt. Er hatte sich testen lassen, nachdem ein Ex-Freund an Aids gestorben war. Die Krankheit ist zu diesem Zeitpunkt noch eher unbekannt, sie gilt als unheilbar und wer von ihr betroffen ist, wird häufig geächtet und vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.
Louganis ringt schon vor dem Abflug nach Südkorea mit sich. Er will den Verband und das amerikanischen olympischen Komitee offen über seinen Gesundheitszustand ins Bild setzen. Doch sein Trainer und sein Arzt raten ihm davon ab, da er keine Kontaktsportart ausübe.
Im olympischen Pool von Seoul sieht Louganis, wie sein Blut vom Brett ins Wasser tropft. Wie gelähmt sei er gewesen vor Angst, erzählt der Sportler später, er habe befürchtet, jemanden mit Aids anzustecken. Besonders den Arzt, der seine Kopfwunde ohne Handschuhe behandelt. Später lässt sich der Mediziner testen, das Resultat ist negativ.
«Wenn du aufhören willst, ist das okay», sagt ihm sein Trainer Ron O'Brien. Doch daran denkt Greg Louganis nicht. Nach der Erstversorgung steigt er in der Qualifikation für den 3-Meter-Final wieder die paar Stufen zum Brett hinauf. Als wäre nichts gewesen, holt er gleich mit dem nächsten Sprung die höchste Punktzahl aller Teilnehmer. Tags darauf wird er überlegen Olympiasieger.
Eine Woche später tritt Louganis mit der vierten olympischen Goldmedaille vom Spitzensport zurück. Erneut hat er auch vom 10-Meter-Turm gewonnen. Auch einen anderen Kampf hat er erfolgreich für sich entschieden – den gegen sich selber und die Dämonen.
1995 erzählt Greg Louganis ein Jahr nach seinem Coming-Out als Homosexueller, dass ihn als Teenager Depressionen heimgesucht hätten und er sich mehrmals versucht habe, das Leben zu nehmen. Louganis wird als Kind minderjähriger Eltern (die Mutter Schwedin, der Vater aus Samoa) geboren und von einer griechischstämmigen amerikanischen Familie adoptiert. «Wegen meiner dunklen Hautfarbe wurde ich früher Nigger, Feigling und Geisteskranker genannt», schildert er in einem Interview mit Talkmasterin Barbara Walters. Auch wegen seiner Leseschwäche wird er von Mitschülern gemobbt.
Der Sport ist als Jugendlicher seine Rettung. Der Sprung ins Wasser als Sprung in die Freiheit.
Seit seinem Rücktritt setzt sich Greg Louganis als Aktivist für die Rechte der LGBT-Community ein – und er ist auch zurück in seinem Sport. Als Trainer der US-Wasserspringer war er 2012 und 2016 wieder bei Olympischen Spielen dabei.