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Sexarbeiterinnen-Demo in Basel verkommt zur PR-Aktion für ein Puff

Sexarbeiterinnen-Demo in Basel verkommt zur PR-Aktion für ein Puff

Angekündigt war eine Demonstration für bewilligte Arbeitsplätze von Sexarbeiterinnen. Die Veranstaltung wurde zum Werbeumzug für eine Sexplattform.
26.09.2018, 17:2826.09.2018, 18:46
Martina Rutschmann
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Worum geht es eigentlich? Auf den ersten Blick scheint die Antwort klar: um bessere Arbeitsbedingungen im Sexgewerbe. Das implizieren die Transparente, die rund zwei dutzend Sexarbeiterinnen in die Luft halten. Ihre Forderungen: «Bewilligte und sichere Arbeitsplätze, Schutz und Kontrolle, regelmässige Gesundheitskontrollen.» Auf den zweiten Blick wird klar: Hier geht es nicht nur um die Verdrängung des Rotlichtmilieus und den Kampf gegen diese Entwicklung. Diese Kundgebung verfolgt noch ein anderes Ziel: Werbung für eine Internet-Sexplattform. Der Chef ist persönlich anwesend. 

Prostituierte fordern an einer Demonstration klare und transparente gesetzliche Grundlagen fuer Erotikdienstleisterinnen in Basel am Mittwoch, 26. September 2018. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Sexarbeiterinnen demonstrieren in Basel mit einem Immobilienmakler (mitte) für Arbeitsplätze und ein Sexportal.Bild: KEYSTONE

Es gilt, potentielle neue Kunden anzusprechen. Ein Blick aufs Dekolleté der Damen (oder auf das falsch parkierte Auto des Firmenchefs) reicht: Auf deren T-Shirts steht der Name der Plattform genauso deutlich wie auf den Schlüsselanhängern, die um ihre Hälse baumeln.

Wissen die Frauen, dass es nicht nur um ihre Rechte geht? Oder anders gefragt: Würde irgendjemand an eine Veranstaltung kommen, die als das angekündigt wird, was sie auch ist: eine PR-Aktion für ein Puff? Wohl kaum. An eine Demo, die Prostituierten sichere Arbeitsplätze verschaffen soll, kommen die Journalisten aber in Scharen. Passiert ja selten, dass Prostituierte demonstrieren.

Makler will Bordell auf Dreispitz

Sie fühlten sich verdrängt, sagen die Frauen. Vanessa, 32, zum Beispiel. „Ich muss meine Dienste nun in Luzern anbieten, weil ich in Basel vertrieben wurde“, sagt die Ungarin. Das Etablissement, in dem sie arbeitete, musste schliessen. Schuld seien Anwohner. Sowieso sei es in Basel schwer, einen Arbeitsplatz zu finden und nicht auf dem Strich zu landen. 

Das sagt auch Hardy Kaiser. Der Immobilienmakler will Gewerbeflächen auf dem Dreispitzareal an Sexarbeiterinnen vermieten. „Weil es anderswo schwierig ist für die Frauen, eine Lokalität zu finden“, sagt er. Schreiner und dergleichen gäbe es genug, da müsse er seine Flächen nicht auch noch an Handwerker vermieten.

Prostituierte fordern an einer Demonstration klare und transparente gesetzliche Grundlagen fuer Erotikdienstleisterinnen in Basel am Mittwoch, 26. September 2018. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Wissen die Frauen, dass es nicht nur um ihre Rechte geht?Bild: KEYSTONE

„Mit dem Mietzins hat das nichts zu tun, Sexarbeiterinnen zahlen gleich viel wie alle anderen“, beteuert Kaiser. Doch die Christoph Merian Stiftung (CMS) als Bodeneigentümerin der Industrie- und Gewerbezone auf dem Dreispitz mache ihm einen Strich durch die Rechnung. «Sie möchte kein Rotlicht auf dem Areal.»

Sexsalons neu bewilligungspflichtig

Die CMS bestätigt dies gegenüber der «TagesWoche»: Man habe ein entsprechendes Gesuch abgelehnt, da die Nutzungsabsichten nicht der Zweckbestimmung im Baurechtsvertrag entsprachen. Hardy Kaiser gibt sich damit nicht zufrieden – und demonstriert in der ersten Reihe. Weiter hinten marschiert der Sexportal-Chef mit. Und die Frauen? Sie hoffen, die Demonstration helfe ihnen, nicht in die Illegalität gedrängt zu werden.

Was schwierig werden dürfte: Die Umnutzung von Wohnraum in Sexsalons ist seit 2013 bewilligungspflichtig. Anwohner können Einsprache erheben. «Diese Gesetze und Verordnungen dienen dazu, dass Wohnraum auch zum Wohnen genutzt wird», begründet André Frauchiger vom Baudepartement. Für die Sexplattform dürfte der Umzug dennoch ein Erfolg gewesen sein. (bzbasel.ch)

Die Schweizer Sexarbeitenden erhalten Konkurrenz aus Südeuropa

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Die Schweizer Sexarbeitenden erhalten Konkurrenz aus Südeuropa
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quelle: keystone / jean-christophe bott
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