Buenos Aires, Dubrovnik oder La Palma – so lauten normalerweise die warmen Destinationen der Lufthansa-Tochter Edelweiss. Doch am 10. Mai 2019 fliegt eine A340-Maschine der Ferien-Airline in den Norden. Weit, weit in den Norden. Edelweiss führt einen Flug zum nördlichsten Punkt der Erde durch. Es lockt der Blick auf schneebedeckte Berge, Treibeis und Fjorde sowie die kürzeste mögliche Weltumrundung am Polpunkt, bei der alle 360 Längengrade der Erde innerhalb weniger Minuten durchflogen werden.
Hinter dem Angebot steht die deutsche Firma Air Event, die neu mit der Schweizer Airline zusammenspannt und dies in einer Medienmitteilung bewirbt: «Mit Edelweiss Air von Zürich zum Nordpol». Sie bietet Tickets ab 499 Euro an. Gemäss Programmbeschrieb startet der Edelweiss-Airbus A340 von Zürich aus zu einem 16-stündigen Sonderflug über die Arktis und den Nordpol zu einer Jahreszeit, in der die Mitternachtssonne herrscht. Für eine «themengerechte Unterhaltung und Vermittlung von Hintergrundinformationen» würden Polarforscher und Wissenschafter den Flug begleiten.
Es sind zwei Sinnbilder der Klimaerwärmung, die bei diesem Angebot zusammenkommen: Einerseits die schmelzenden Eisberge, andererseits das kerosinfressende, CO2-ausstossende Flugzeug. Diese symbolische Kollision kommt nicht überall gut an. Florian Brunner, Projektleiter Fossile Energien und Klima bei der Schweizerischen Energie-Stiftung, bezeichnet das Angebot als unnötig. «Es widerspricht der aktuell herrschenden Debatte rund um die Umweltschäden, welche die boomende Aviatikbranche verursacht.» Ändert sich daran nichts, selbst wenn die Passagiere auf diese Negativfolgen während des Fluges von den Experten hingewiesen werden? «Dann ist der Flug erst recht widersprüchlich», sagt der Klimaexperte der gemeinnützigen Organisation.
Ähnlich tönt es bei Greenpeace Schweiz. «Dieses Angebot zielt definitiv in die falsche Richtung, es ist ein NoGo», sagt Georg Klingler, Leiter Klima bei der Umweltorganisation. Es handle sich zwar um ein kleines Nischenangebot, sei aber symptomatisch für die rasant wachsende Airline-Industrie. Schliesslich würden Schweizer doppelt so viel fliegen wie Menschen in den benachbarten Ländern. Statt solcher Angebote seien von den Airlines viel eher Lösungen für einen effizienteren Kerosineinsatz gefragt. Und wer den Gletscherschwund aus nächster Nähe betrachten wolle, könne dies problemlos in der Schweiz tun. Greenpeace biete zudem bei Veranstaltungen und Strassenständen ein Virtual-Reality-Erlebnis an.
«Damit zeigen wir filmisch den Arktisschwund aus nächster Nähe.» In der Medienmitteilung betont «Air Event» den neuen Partner stark: «Die Crew der Edelweiss Air sorgt in der gewohnt hohen Qualität der Schweizer Airline mit einem eigens für diesen Sonderflug zusammengestellten Menü natürlich auch für das leibliche Wohl der Gäste an Bord.» Doch die Schweizer Fluggesellschaft distanziert sich nun so weit als möglich vom Angebot: Man sei nicht die Initiantin des Fluges, sagt ein Sprecher. Die kommerzielle Verantwortung, die Auswahl der Flugroute und die Vermarktung des Fluges würden zu 100 Prozent bei «Air Event» liegen, mit der man einen Vollcharter-Vertrag abgeschlossen habe.
Ein Sprecher von «Air Event» sagt, dass man diesen Flug bereits seit zehn Jahren anbiete, maximal einmal pro Jahr. Da der bisherige Partner Air Berlin jedoch pleite ging, benötigte die Firma einen neuen Partner und wurde bei Edelweiss fündig. Von der Kritik der Umweltschutz-Organisation zeigt sich der Sprecher enttäuscht. Der Flug ziele in dieselbe Richtung wie die Arbeit der Umweltschützer.
Er schaffe Bewusstsein über die Treibhauseffekte mithilfe eines populärwissenschaftlichen Bordprogramms: «Die Erderwärmung und die Effekte in der Arktis werden offen angesprochen und detailliert erklärt.» Den Teilnehmern vermittle man ein klares Verständnis für die Verletzlichkeit der Erde und sie würden symbolisch zu «Botschaftern der Arktis» ernannt, die ihr neu erlangtes Wissen über die Erde verbreiten sollen. Ausserdem würden die CO2-Emission über die Organisation Myclimate kompensiert. Wie viele Tickets bereits verkauft wurden, gibt die Firma nicht bekannt. Man stellte aber ein «durchaus angemessenes Interesse» fest.