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Coronavirus: Kantone hadern mit dem Contact Tracing

Eine Person nutzt die SwissCovid Contact Tracing App auf ihrem Smartphone, fotografiert am Donnerstag, 25. Juni 2020, in Lugano. (KEYSTONE/Ti-Press/Pablo Gianinazzi)
Die SwissCovid-App unterstützt die Kantone beim Contact Tracing. Bild: keystone

Zürich ist bereits am Anschlag: Wie die Kantone mit dem Contact Tracing hadern

Mit den steigenden Corona-Fallzahlen rückt das Contact Tracing wieder ins Scheinwerferlicht. Zwar sind die Kantone besser vorbereitet als im Frühling, doch ob sie die steigenden Fallzahlen bewältigen können, bleibt unklar.
03.07.2020, 05:5704.07.2020, 09:25
Dennis Frasch
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So schnell kann es gehen: Vor zwei Wochen schien es so, als sei Corona besiegt. Der Bundesrat beendete die ausserordentliche Lage und das Leben schien wie gewohnt weiterzugehen. Badis, Bars, Clubs: Alles ging wieder auf. Doch die Idylle hielt nicht lang: Mittlerweile verzeichnet die Schweiz wieder über 100 Corona-Fälle pro Tag.

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Um potenziellen Neuinfektionen Herr zu werden, forderte der Bund die Kantone bereits Anfang Mai dazu auf, Social-Tracing-Teams auf die Beine zu stellen. Diese sollten das Bewegungs- und Kontaktverhalten von positiv getesteten Personen gezielt zurückverfolgen.

Aber auch zwei Monate später scheint das noch nicht richtig zu funktionieren. Matthias Egger, Leiter der wissenschaftlichen Corona-Taskforce des Bundes, sagte am Mittwoch im Gespräch mit watson:

«Die Kantone sind sicher viel besser vorbereitet als im März. Wie hoch die Kapazitäten aber wirklich sind und wie schnell sie hochgefahren werden könnten, weiss niemand. Es gibt keine nationale Koordination, die den Überblick hätte. Zudem fehlt auch weiterhin eine zentrale Datenbank, wo die Resultate des Contact Tracing von den Kantonen in Echtzeit eingespeist werden könnten.»
Matthias Egger, Leiter der wissenschaftlichen Corona-Taskforce des Bundes

Wenig auskunftsfreudig

In den Kantonen Aargau und Zürich, die in den letzten Tagen die meisten Neuinfektionen zu beklagen hatten, gibt man sich bedeckt.

Im Aargau wurde die «Kompetenz- und Koordinationsstelle CONTI» geschaffen. Angestellte des Kantons, Mitarbeitende der Lungenliga und Zivildienstleistende kümmern sich um das Contact Tracing. Wie viele Personen genau Infektionsketten nachverfolgen, will man nicht verraten. Nur so viel:

«Mit den aktuell bestehenden Ressourcen können im Aargau rund 75 infizierte Personen sowie rund 300 Kontaktpersonen informiert und begleitet werden.»
Michel Hassler, Mediensprecher des Departements Gesundheit und Soziales Aargau

Auch auf die Frage hin, ob das Contact Tracing bei steigenden Fallzahlen durchgeführt werden kann, gibt es keine klare Antwort. «Bei einer Zunahme der zu prüfenden Personen werden wir zusätzliche Tracer einsetzen», sagt Michel Hassler, Mediensprecher des Departements Gesundheit und Soziales. Ob diese bereits vorhanden und ausgebildet sind, darüber schweigt Hassler.

Die aktuellen Ressourcen reichen dafür aus, dass laut Hassler rund zwei Drittel der Fälle zurückverfolgt werden können. In einer Sache preschten die Aargauer jedoch vor: Ab heute gilt im Kanton eine Ausweispflicht für Bar- und Clubbesuche.

In Zürich gibt es ebenfalls keine klaren Antworten. Eine Anfrage von watson bleibt bis Publikationszeit unbeantwortet. Wie die SDA berichtet, kommt man im Zwingli-Kanton jedoch allmählich an seine Grenzen. Ab 50 Fällen pro Tag wird das Contact Tracing im Kanton schwierig. Am Mittwoch wurden 48 Fälle gemeldet.

Die Gesundheitsdirektion sucht momentan nach einem externen Anbieter, etwa einem Call-Center, um die rasant steigenden Fälle adäquat nachverfolgen zu können. Die Zürcher Ärztegesellschaft habe ihre Hilfe angeboten, schreibt die NZZ. Ab Ende Sommer will der Kanton das Contact Tracing auslagern.

Aktuell sind in Zürich 25 Personen für das Contact Tracing im Einsatz. Darunter sind Mitarbeitende der Gesundheitsdirektion, der Baudirektion sowie Polizisten. An einer Pressekonferenz am Mittwoch sagte Kantonsärztin Christiane Meier, dass die Virenjäger «gefordert» seien. Die Schichten seien mittlerweile bis 22 Uhr verlängert worden.

St. Gallen an einem «kritischen Punkt»

Auch im Kanton St. Gallen funktioniert das Contact Tracing noch nicht so, wie es sollte. Obwohl der Kanton am Mittwoch «nur» 11 Neuansteckungen meldete, stösst das Contact-Tracing-Team bereits an seine Grenzen.

Gegenüber dem Tagblatt sagte Bruno Damann, Gesundheitsdirektor von St. Gallen: «Wir stehen an einem kritischen Punkt». Mit Ansteckungszahlen im tiefen zweistelligen Bereich stehe das Contact Tracing bereits auf der Kippe. Trotzdem wolle man so lange wie möglich an der Massnahme festhalten. Die Lungenliga, welche das Tracing für den Kanton übernimmt, sucht bereits händeringend nach neuem Personal.

Basel bleibt gelassen

In Basel-Stadt ist die Situation momentan ruhig. Seit dem 19. Juni gab es nur einen dokumentierten Corona-Fall.

Würde sich die Situation jedoch wieder verschärfen, könnte Basel «fünf tägliche Neuansteckungen mit je rund zehn geschätzten Kontaktpersonen» betreuen. Bei Bedarf könne die Kapazität zudem erhöht werden, wie Anne Tschudin, Pressesprecherin des Gesundheitsdepartements Basel-Stadt, sagt. Mit zusätzlichem Personal und verringerter Betreuung der bereits identifizierten Kontakte könnte das Volumen auf acht bis zehn Neuansteckungen pro Tag erhöht werden.

Zur Erinnerung: Zu Spitzenzeiten Ende März verzeichnete der Kanton bis zu 50 Neuansteckungen pro Tag.

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171 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Töfflifahrer
03.07.2020 06:27registriert August 2015
Das war ja nieeeeeeeee vorhersehbar.
Was haben die Kantone in dieser Angelegenheit seit dem März eigentlich gemacht?
Nicht mal eine Koordination bringen die zustande.
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plaga versus
03.07.2020 06:10registriert November 2015
Die Kantone wollten wollten mehr Aufmerksamkeit vom Bundesrat? Jetzt haben sie diese und eiern herum...
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peterli90
03.07.2020 07:38registriert Mai 2017
Ich hätte eine ganz einfache Sofortmassnahme: Schliesst diese verdammten Clubs! Letztes Wochenende gab es x Clubs mit Covid19 positiven. In Zürich wird die Situation ausser Kontrolle geraten, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Sind die Clubs irgendwie systemrelevant?
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