Die Gruppierung «Freunde der Verfassung» ist in kurzer Zeit zum politischen Faktor geworden. Im Sommer 2020 gegründet, waren sie am letzten Abstimmungswochenende fürs Zustandekommen von zwei von fünf Vorlagen verantwortlich. Das Covid-19-Gesetz ist der Hauptfeind der coronaskeptischen Bewegung. Nebenbei halfen sie aber auch dem Referendum gegen das Terrorismusgesetz. Innert kurzer Zeit sammelte die Gruppe im Winter die noch fehlenden Unterschriften und halfen damit linken Jungparteien aus.
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Beide Vorlagen gingen verloren, beim Covid-19-Gesetz ist den Verfassungsfreunden und ihren Verbündeten allerdings ein Achtungserfolg gelungen. 1,2 Millionen Stimmberechtigte und sechs Stände lehnten das Gesetz ab, obwohl keine Partei das Referendum unterstützte.
Kaum waren die Urnen geschlossen, begannen die Verfassungsfreunde erneut mit dem Unterschriftensammeln. Sie wollen die überarbeitete Version des Covid-19-Gesetzes und nebenbei auch noch das Medienförderungsgesetz an die Urne bringen. Wer sind diese «Freunde der Verfassung», die gemäss eigenen Angaben über 10'000 Mitglieder haben?
Unweit des Bahnhofs Solothurn-West steht das Hauptquartier der Bewegung. Im Erdgeschoss eines in die Jahre gekommenen Mehrfamilienhauses haben die Verfassungsfreunde eine geräumige Wohnung bezogen.
Co-Präsidentin Marion Russek aus dem Kanton Zug empfängt in heiterer Stimmung («Das Abstimmungsresultat ist genial!»). Drinnen sind Wände und Türen bunt verziert, Kisten mit Papier stapeln sich neben einem ausgedienten Drucker. Helfer sind dabei, die neuen Abstimmungsbögen in Couverts zu stecken und Retouren mit den alten zu entsorgen. «Wir müssen hier unbedingt mal die Wände streichen», sagt Russek, die sich kurz vor Ausbruch der Pandemie als Innenarchitektin selbstständig gemacht hat. Davor arbeitete sie als Headhunterin für die Uhren- und Bekleidungsbranche.
Im Sitzungszimmer wartet Sandro Meier. Der 38-Jährige verdient seinen Lebensunterhalt als Kampagnenleiter der Gruppe. Vorher war der Ökonom Kader in der Bahnlogistik und im Detailhandel. Sein Lohn sei weniger als halb so hoch wie damals. Es reiche aber, um seine Familie zu ernähren. Für die Kampagne gaben die Verfassungsfreunde rund eine Million Franken aus. Drei Viertel der Spenden sei von Privaten, der Rest von Firmen gekommen.
Im Wohnzimmer prangt das Bild des UNO-Folterexperten Nils Melzer von einem Plakat gegen das Terrorismusgesetz. Auf einem Salontisch liegt das Buch «Corona Fehlalarm?» von Karina Reiss und Sucharit Bhakdi. Über das Fragezeichen im Titel, das wird im Gespräch mit Russek und Meier schnell klar, sind die Verfassungsfreunde längst hinaus. Für sie sind praktische alle Vorsichtsmassnahmen gegen das Virus entweder nutzlos oder übertrieben. Sie zweifeln an der Wirkung von Masken und am Aussagewert von PCR-Tests. Die Gefährlichkeit des Virus halten sie für «masslos überschätzt».
Zu den Verfassungsfreunden kamen Russek und Meier auf verschiedenen Wegen. Russek sagt, sie war bis auf eine erfolglose Intervention in einer Gemeindeversammlung in Steinhausen (gegen ein ihr zu teures Gemeindehaus) nicht politisch aktiv. Als im Frühling 2020 wegen Corona private Treffen beschränkt und Läden geschlossen wurden, «lupfte es ihr den Deckel», wie sie es formuliert.
An einer Demonstration gegen die Coronamassnahmen lernte sie Gleichgesinnte kennen und gründete mit ihnen die Verfassungsfreunde, für die sie sich heute Vollzeit engagiert.
Sandro Meier war hingegen schon vor Corona politisch interessiert, sympathisierte etwa mit der Vollgeld-Initiative. Sein politisches Interesse begründet er auch mit einem Verweis auf die Geschichte. 1990 wurde die US-amerikanische Öffentlichkeit mithilfe einer Lüge für den damaligen Irakkrieg motiviert. Die Behauptung, irakische Soldaten hätten in Kuwait Babys getötet, entpuppte sich später als Inszenierung. Meier sagt:
Hält er also Corona auch für eine grosse Lüge? Er sagt: «Ich weiss es nicht.» Im Gespräch mit den Verfassungsfreunden klingen ab und zu solche Gedanken an, die nach Verschwörungstheorie klingen. Auf Nachfrage werden sie aber wieder relativiert. Das Misstrauen gegenüber Politik und Medien ist jedenfalls gross.
Meier bezeichnet sich als «grün» und war einst Abonnent des linksliberalen Zürcher Onlinemagazines «Republik». Wegen eines kritischen Artikels über Russland, der ihm sehr einseitig erschien, kündigte er das Abo. Stattdessen schaut er ab und zu den russischen Staatssender Russia Today. Was die berichteten, stimme auch nicht hundertprozentig, die Wahrheit liege häufig in der Mitte, sagt er.
Es ist schwierig, die Gruppe zu fassen. Bei Corona liegen sie auf SVP-Kurs, in Fragen staatlicher Überwachung ticken sie links. In der Charta der Gruppe ist zudem von der Einführung einer unabhängigen Währung die Rede.
Zudem sind sie sich in einigen Fragen selbst nicht einig. So wünscht sich Meier eine stärker genossenschaftliche Wirtschaft, Russek teilt diese Meinung nicht. Sie will dafür mehr Freiheit für Unternehmen. Trotz der Differenzen will die Gruppe unabhängig von Corona weitermachen. Sie träumen von einer Volksinitiative. Über das Thema ist man sich noch nicht einig.
Hoffen wir mal dass ihnen nach der Pandemie der gemeinsame Nenner verloren geht, und sie zurück in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.