Was wären unsere Fussballligen ohne die Stars aus anderen Ländern? Während diese früher noch als Exoten galten, gibt es heute kaum eine Nation, die nicht in einem Klub vertreten ist. Aber wie sieht die Realität wirklich aus?
Wir haben die 108 Klubs, die aktuell in den höchsten Ligen in Deutschland, England, Frankreich, Italien, Spanien und der Schweiz spielen, nach ihrer Internationalität untersucht. Die grösste Überraschung: Der Verein, der die meisten verschiedenen Nationalitäten seit 1955 engagierte, ist ein Schweizer.
Die Recherche basiert auf den gesammelten Daten von Transfermarkt (siehe Box für Details). Das sind die Resultate:
Aus den 108 untersuchten Klubs schwingt tatsächlich ein Schweizer Verein oben aus. Und es ist nicht Sion. In keinem anderen Klub kickten seit Erfassung der Daten mehr Nationen als bei GC. Der Rekordmeister aus Zürich hatte in dem Zeitraum Spieler aus insgesamt 75 Nationen unter Vertrag. Sion, das insbesondere unter dem eigenwilligen Präsidenten Christian Constantin an Internationalität zulegte, schafft es auf bisher 72 Nationen.
Am anderen Ende der Ausländerverpflichtung steht – wenig überraschend – Athletic Bilbao, das sich als inoffizielles «Nationalteam der Basken» versteht. Verpflichtet werden nur Spieler mit baskischen Wurzeln. So schafften es bisher erst sechs «Ausländer» ins Team. Der bekannteste von ihnen ist wohl Welt- und Europameister sowie Bayern-Legende Bixente Lizarazu, ein französischer Baske.
Auffällig auch, dass die aktuellen Vertreter der Super League insgesamt eine deutlich höhere Vielfalt ausweisen als die Klubs der fünf Topligen. Zu erklären dürfte dies unter anderem damit sein, dass für die Top-5-Ligen grundsätzlich nur die besten Fussballer der Welt verpflichtet werden, in der Super League aber auch Spieler mit weniger Qualität Unterschlupf finden, womit auch Fussballer aus weniger bekannten Fussballnationen eher einen Vertrag erhalten können.
Insgesamt haben seit 1955 schon Akteure aus 178 verschiedenen Nationen (aktuelle Anzahl UNO-Mitglieder: 197) in den ausgewählten Ligen (Deutschland, England, Frankreich, Italien, Spanien, Schweiz) gespielt. Mit dabei sind auch heute nicht mehr existierende Länder wie die DDR, Sowjetunion oder Jugoslawien.
Interessant ist der Blick auf jene Länder, die bis heute kaum Spieler gestellt haben – oder noch gar nie. Letzteres betrifft insgesamt 42 aktuelle Nationen. Während aus Amerika praktisch jedes Land vertreten ist, sind die asiatischen Spieler deutlich untervertreten:
In den sechs untersuchten Ländern kamen praktisch überall ähnlich viele Nationalitäten zum Einsatz. Einzig bei den aktuellen Premier-League-Teams spielten mit 135 deutlich am meisten verschiedene Herkunftsländer.
Die aktuellen Superligisten haben vier klare Favoriten: Italien, Frankreich, Deutschland und Brasilien. Alle anderen Nationen folgen mit grossem Abstand. Mit Liechtensteinern wurden bisher 29 Verträge abgeschlossen.
Die Serie A zeigt dagegen eine klare Vorliebe für ausländische Kicker aus Brasilien (526) und Argentinien (489). Auch Spieler aus Uruguay, Kroatien und – etwas überraschend – Schweden sind sehr beliebt. Werden Afrikaner verpflichtet, so sind dies in den meisten Fällen Ghanaer (100).
Auch in Spanien ist die Vorliebe für südamerikanische Fussballer bekannt. Dort allerdings dominiert das spanischsprechende Argentinien (537) vor Brasilien (343) und Uruguay (210). Für Schweizer gab es bisher neunmal ein Plätzchen:
Auch in Deutschland wurden die meisten Verträge mit Brasilianern (198) unterzeichnet. Allerdings folgen danach Kroaten (181) und Österreicher (166). Mit Spielern aus der Schweiz wurden schon 129 Kontrakte abgeschlossen. Das reicht für Rang 6.
In Frankreich stellt Frankreich selbst die grösste «Ausländergruppe» in der Ligue 1. Dies ist der AS Monaco geschuldet, die als ausländisches Team an der Liga teilnehmen kann. Wir haben die Franzosen bei Monaco hier aber nicht berücksichtigt.
So sticht die Vorliebe für afrikanische Fussballer aus ehemaligen französischen Kolonien heraus: Der Senegal (291) stellt so die grösste Ausländergruppe, ebenfalls weit vorne: Algerien, Kamerun, die Elfenbeinküste, Marokko und Mali:
Während sich die anderen grossen Nationen gerne aus Südamerika oder Afrika bedienen, setzt die Premier League auf viele Vertreter aus Schottland, Irland, Wales und Nordirland. Oder vielleicht müssten wir sagen: setzte. Denn in den letzten Jahren holten die traditionell starken Fussballnationen mächtig auf. Auch spannend: Australier (124) wurden bisher öfter berücksichtigt als Brasilianer (111).