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Grossmutter aus Russland darf ihre Schweizer Enkel nicht besuchen

Symbolbild.
Symbolbild.Bild: Shutterstock

«Falscher» Impfstoff: Grossmutter aus Russland darf ihre Schweizer Enkel nicht besuchen

Geimpfte Personen aus Drittstaaten dürfen wieder in die Schweiz einreisen. Der russische Impfstoff Sputnik wird hierzulande jedoch nicht anerkannt. Das verhindert Familientreffen – und lässt bei Betroffenen schmerzhafte Gefühle zurück.
10.08.2021, 19:3410.08.2021, 20:12
Christoph Bernet und Kari Kälin / ch media
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Sieben und zehn Jahre alt sind die Töchter des 47-jährigen Daniel G. (alle Namen geändert). Seit fast zwei Jahren haben sie ihre Grossmutter nicht mehr gesehen. Der Grund dafür: G.s Schwiegermutter Irina B. (59) ist Russin und lebt in Moskau. Und hat seit März 2020 keine legale Möglichkeit, in die Schweiz einzureisen, um ihre beiden Enkelinnen, ihre Tochter Elena G. (43) und ihren Schwiegersohn in Zürich zu besuchen.

Damals, auf dem Höhepunkt der ersten Welle des Coronavirus, schloss der Bundesrat mit Ausnahme des Warentransports die Landesgrenzen weitgehend. Nur in Ausnahmefällen waren Einreisen möglich, wie beispielsweise für Diplomaten, für Grenzgänger oder für Patienten, die für eine dringende medizinische Behandlung in die Schweiz einreisen mussten.

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Dieser weitreichende Einreisestopp ist seither mehrfach gelockert worden. Im Einklang mit der EU wurden zunächst Einreisen für Erwerbstätigkeit, Aus- und Weiterbildungen oder den Familiennachzug erneut ermöglicht. Später erlaubte der Bundesrat auch Reisen mit touristischem oder privatem Zweck wieder.

Mit dem jüngsten Lockerungsschritt von Ende Juni hob die Landesregierung die Quarantänepflicht für Einreisende aus dem Schengenraum grundsätzlich auf und lockerte «die noch bestehenden Einreisebeschränkungen für nachweislich geimpfte Drittstaatsangehörige», wie der Bundesrat in seiner Medienmitteilung schrieb.

Putin warb bei Parmelin für Sputnik

Daniel G.s Schwiegermutter ist gegen das Coronavirus geimpft. Sie hat unterdessen sogar bereits zwei Auffrischungsimpfungen erhalten. Das Problem: Sie erhielt den russischen Impfstoff Sputnik. Eine Impfung mit diesem Vakzin reicht nicht aus, um aus Sicht der Schweizer Behörden als «nachweislich geimpft» zu gelten. Denn Sputnik ist weder von der Schweizer Heilmittelbehörde Swissmedic, noch deren EU-Pendant EMA noch von der Weltgesundheitsorganisation WHO entsprechend anerkannt worden.

Der russische Präsident Wladimir Putin rührte zwar im Juni beim Treffen mit Bundespräsident Guy Parmelin in Genf die Werbetrommel für Sputnik. Zuständig für die Zulassung des Impfstoffs ist aber die Heilmittelbehörde Swissmedic. Bei dieser hat der russische Hersteller bis jetzt kein Zulassungsgesuch eingereicht.

epa09277824 Russian President Vladimir Putin (L) attends a bilateral meeting with Swiss President Guy Parmelin (R) during the US-Russia summit at Villa La Grange in Geneva, Switzerland, 16 June 2021.  ...
Putin traf Bundespräsident Parmelin am Rande des Russland-USA-Gipfels in Genf.Bild: keystone

Daniel G. kann aus einer epidemiologischen Betrachtungsweise zwar der Logik etwas abgewinnen, dass die Schweiz nur hierzulande zugelassene Impfungen als wirksam anschaut. Aber er fragt sich: «Wie kann es gleichzeitig sein, dass mit Sputnik geimpfte Slowaken sogar ohne Test geschweige denn Quarantäne einreisen können?» Diese Regelung ergebe keinen Sinn. «Das Virus interessiert es nicht, ob jemand aus dem Schengenraum oder aus einem Drittstaat kommt.»

Es braucht wichtige familiäre Gründe wie eine Hochzeit

Zusätzlich irritiert ihn, dass für Einreisen von russischen Staatsbürgern aus beruflichen Gründen Ausnahmebewilligungen erteilt würden. Für den Besuch von Enkelkindern hingegen braucht es einen «wichtigen familiären Grund», wie es in einer Weisung des Bundes heisst, also zum Beispiel Geburt, Hochzeit oder eine schwere Erkrankung.

Der Wunsch der Schwiegermutter, ihre Tochter und Enkelkinder zu sehen, genügt nicht. «Diese Gewichtung stört mich», sagt Daniel G. Immerhin sei seine aus Russland stammende Frau seit vielen Jahren Schweizer Bürgerin und die gemeinsamen Kinder ebenso. Selbstverständlich wäre seine Schwiegermutter bereit, sich vor und nach der Einreise in die Schweiz testen zu lassen, versichert Daniel G. Die lange Trennung von ihrer Grossmutter sei vor allem für seine beiden Töchter schmerzhaft:

«Meine Schwiegermutter kam uns jeden Sommer für mehrere Wochen besuchen. Ihre Enkelkinder haben sie sehr gern und vermissen sie fest.»

Eine gemeinsame Reise nach Russland ist für Familie G. wegen Problemen mit der russischen Einreisebürokratie derzeit nicht möglich. Nun überlegt sich die Familie, sich im Herbst in einem anderen Land mit der Grossmutter zu treffen, das Einreisen für russische Staatsbürger zulässt. Etwa Griechenland oder die Türkei: «Aber dass wir zu diesem Schritt gezwungen werden, kann ja nicht wirklich im Interesse des Bundesrats sein.» Aus epidemiologischer Sicht sei ein solches Unterfangen sicher risikoreicher als ein Besuch der geimpften und negativ getesteten Schwiegermutter bei Familie G.

Treffen in den Vereinigten Arabischen Emiraten

Ein Treffen in einem Drittstaat erwägt nicht nur die Familie G, sondern ist eine Option, die bereits viele Betroffene umsetzen. Recherchen unserer Redaktion zeigen: Viele Schweizer und Schweizerinnen, die Bekannte oder Partner und Partnerinnen aus Drittstaaten wegen der geltenden Einschränkungen nicht in der Schweiz empfangen dürfen, weichen für Treffen von Angesicht zu Angesicht auf die Vereinigten Arabischen Emirate oder die Malediven aus. Eine Schweizer Botschaft im Ausland schlägt den Betroffenen sogar explizit diese Variante vor.

Fest steht: Wer die coronabedingten Voraussetzungen für eine Einreise nicht erfüllt, wird wieder zurückgeschickt. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurde an Schweizer Flughäfen rund 700 Personen die Einreise verweigert, weil sie eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellten. Dies teilte das Staatssekretariat für Migration auf Anfrage mit. (bzbasel.ch)

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BAG verteilt Torte zur Feier des Impffortschritts
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BAG verteilt Torte zur Feier des Impffortschritts
Sicht auf ein Plakat des BAG, am Montag, 19. Juli 2021, auf dem Bundesplatz in Bern. Das BAG informiert, dass die Impfkampagne voranschreite, zudem können sich Personen spontan gegen Covid-19 impfen lassen.
quelle: keystone / peter schneider
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Video: watson
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74 Kommentare
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FlamingFleming
10.08.2021 21:19registriert August 2021
Ich lasse mich durch diesen Artikel nicht triggern und nicht zum Schimpfen über Behörden verleiten. Eine WHO (Notfall-)Zulassung hat keine Auswirkung auf Länder wie USA, Kanada, UK, CH. Das ist Sache der Länder (man stelle sich mal vor, China lässt Medikamente für die CH zu …). Sputnik (d.h. das Gamaleya-Institut) hat sich im März-21 erstmals um Zulassung in der EU beworben. Wenn Grossmütterchen nicht reisen kann, dann weil Russland auf das Prozesse in anderen Ländern pfeift. Und für Slowaken: seit wann können die (nach Sputnik) ohne PCR-Test einreisen? Quelle?
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Unicron
10.08.2021 20:58registriert November 2016
Iiiiiich verstehe irgendwie nicht warum hier so auf Tränendrüse gemacht wird?. Wir befinden uns in einer globalen Pandemie und der verwendete Impfstoff ist in der Schweiz nicht anerkannt. Also alles richtig gelaufen? Ich fände es schlimmer wenn jemand einfach rein gelassen wird weil sie "eine traurige Story" hat?
Wenn es wirklich so schlimm ist, soll die Familie halt nach Russland, oder ist da Pfizer/Moderna auch nicht zugelassen?
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PixelPrinz
10.08.2021 21:42registriert Dezember 2020
Russland meint, sich über wissenschaftliche Standards hinwegsetzen zu müsse. Dies hat nunmal Konsequenzen. Das ist im vorliegenden Fall sehr bedauerlich für die Betroffenen, aber die Verantwortung ist in Russland zu suchen.
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Leichenfunde in Merenschwand und Frankfurt: Möglicher Zusammenhang
Eine Frau aus Muri ist seit knapp zwei Wochen vermisst worden. In der Zwischenzeit ist ihre Leiche in Deutschland gefunden worden. Am Donnerstag teilt die Staatsanwaltschaft mit, dass auch ihr Ehemann tot sei. Ein Zusammenhang der Ereignisse wird geprüft.

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