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Angst vor neuer Virus-Welle: «Kriegszustand» nach Ausbruch in Peking

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Polizei-Patrouillen in Peking überprüfen die Lage, 8. Juni.Bild: keystone

Erneuter Ausbruch in Peking +++ Virus hat sich verändert +++ 11 Stadtviertel abgeriegelt

Zwei Monate lang war China praktisch virenfrei. Nun kam es zu einem erneuten Corona-Ausbruch auf einem Markt. Die Behörden sind alarmiert, denn der Genstamm scheint anders zu sein.
15.06.2020, 07:2215.06.2020, 11:15
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Was ist passiert?

Nach dem grössten Ausbruch des Coronavirus seit vielen Wochen in Peking geht die Angst vor einer neuen Welle von Infektionen um. Bei einem Krisentreffen wurden die Behörden der chinesischen Hauptstadt aufgefordert, in den «Kriegszustand» zu gehen, um einen zweiten Ausbruch der Lungenkrankheit Covid-19 zu verhindern. Dutzende neue Ansteckungen wurden seit Freitag auf einem riesigen Grossmarkt festgestellt, über den der grösste Teil der frischen Nahrungsmittel für die mehr als 20 Millionen Einwohner Pekings geliefert wird.

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Wieso sind die Behörden so alarmiert?

Das neu entdeckte Virus ist nach einer vorläufigen Sequenzierung des Genstamms anders als der Typ, der das Land vorher heimgesucht hat, wie Zeng Guang, Epidemiologe des Gesundheitsamtes nach Angaben der «Global Times» vom Sonntag berichtete. Die Ergebnisse sollen mit Analysen aus anderen Länder verglichen werden, um die Herkunft zu ermitteln.

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Der Xinfadi-Markt ist Ort des neuen Ausbruchs.Bild: keystone

Das Virus wurde bis zu einem Hackbrett auf dem Xinfadi-Grossmarkt zurückverfolgt, auf dem importierter Lachs verarbeitet worden war. China importiert Lachs aus mehreren Ländern wie Norwegen, Chile, Australien, Kanada und von den Färöer-Inseln.

China hatte die Lungenkrankheit schon weitgehend im Griff. Die nationale Gesundheitskommission meldete am Montag 49 neue Infektionen. Am Samstag waren es landesweit 57 bestätigte Infektionen. Das ist die höchste Zahl seit April. 36 wurden in Peking festgestellt, davon 27 in Verbindung mit dem Markt. Es ist geplant, rund 10'000 Händler und Mitarbeiter auf das Virus zu testen. Bei ersten 500 Tests wurden am Samstag schon 45 Infektionen entdeckt, die zunächst aber als asymptomatisch eingestuft wurden und damit nicht in der landesweiten Statistik aufgeführt werden.

Welche Massnahmen wurden getroffen?

Der Xinfadi-Markt im südwestlichen Stadtviertel Fengtai liefert rund 90 Prozent des Gemüses und Obsts der Hauptstadt. Er ist der grösste in Peking und hat eine Fläche von 112 Hektar - umgerechnet rund 150 Fussballfelder. Nach der Schliessung soll der Markt «gründlich» desinfiziert werden. Im Umfeld wurden elf Wohnviertel abgeriegelt sowie neun Kindergärten und Grundschulen zugemacht. Auch wurden sechs weitere Märkte geschlossen. Experten warnten, dass die Versorgung der Hauptstadt mit Lebensmitteln beeinträchtigt werden dürfte.

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Der Xinfadi-Markt wurde abgesperrt.Bild: keystone

Nach dem neuen Ausbruch auf dem Markt wurden in Peking sofort wieder alle Vorsichtsmassnahmen verschärft. Die Hauptstadt war schon seit Beginn der Pandemie in Wuhan in Zentralchina vor einem halben Jahr besonders geschützt und stärker als andere Städte vom Rest des Landes abgeschottet worden. Die Sicherheitsvorkehrungen waren gerade erst gelockert worden.

Stagnierende Zahlen
Seit Wochen meldet China täglich nur noch eine Handvoll Infektionen – meist unter heimkehrenden Chinesen aus dem Ausland. Insgesamt sind in China mehr als 83'000 Corona-Infektionen offiziell bestätigt. 4634 Menschen starben.

Peking habe jetzt einen «wichtigen Test» im Kampf gegen die Lungenkrankheit zu bestehen - den grössten seit einer Phase der Ruhe im Land, sagte der Epidemiologe Zeng Guang vom nationalen Gesundheitsamt der «Global Times». Tianjin und andere angrenzende Städte und Gemeinden in der Provinz Hebei sowie Stadtviertel der Hauptstadt forderten Bewohner auf, sich umgehend zum Corona-Test zu melden, wenn sie jüngst auf dem Xinfadi-Markt oder den sechs anderen geschlossenen Märkten in Peking waren.

Der neue Coronavirus-Ausbruch auf dem Grossmarkt in Peking hat auch personelle Konsequenzen. Drei Beamte mussten ihre Posten wegen Fehlverhaltens im Amt räumen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Montag berichtete.

Dem Bericht zufolge handelt es sich unter anderem um Zhou Yuqing, den stellvertretenden Leiter der Bezirksregierung im Stadtteil Fengtai, und Wang Hua, den Parteisekretär der Gemeinde Huaxiang in Fengtai. Auch Zhang Yuelin, der Generaldirektor des Xinfadi-Grosshandelsmarktes, wurde entlassen.

Wie weit hat sich das Virus ausgedehnt?

Wie weit die Infektionen gehen, lässt sich noch schwer abschätzen. Unter den Infizierten ist auch der Fahrer eines Shuttle-Busses des Pekinger Flughafens. Er habe den Xinfadi-Grossmarkt am 3. Juni besucht, sich danach unwohl gefühlt und am Freitag Fieber bekommen, so das Blatt. Er habe drei Krankenhäuser aufgesucht, bis bei ihm schliesslich Covid-19 diagnostiziert worden sei.

epa08354258 Passenger wearing protective suit and mask arrives at terminal 3 of Beijing Capital International Airport in Beijing, China, 09 April 2020 (issued 10 April 2020). EPA/WU HONG
Ein Fahrer eines Flughafen-Shuttlebusses hat sich ebenfalls infiziert.Bild: EPA

Der Covid-19-Krisenstab der Hauptstadt kündigte an, die Kontrolle von Fracht und Reisenden bei der Einreise verschärfen zu wollen, um eine weitere Einschleppung des Virus zu verhindern. China vergibt seit März ohnehin keine normalen Visa mehr an Ausländer und beschränkt die Einreise heimkehrender Chinesen. Internationale Flüge sind sehr begrenzt. Auch werden Corona-Tests sowie 14 Tage Quarantäne verlangt.

Wie gross sind die Testkapazitäten?

Jetzt sollen auch die Tests ausgeweitet werden. Peking hat 98 Labors, die eine Kapazität von mehr als 90'000 Tests pro Tag haben, berichtete ein Sprecher der städtischen Gesundheitskommission der «China Daily» zufolge. «Es wird genug sein, um den Bedarf zu decken.» In der Elf-Millionen-Metropole Wuhan, wo das Virus Anfang Dezember erstmals entdeckt worden war, hatten die Behörden in der zweiten Maihälfte fast zehn Millionen Menschen getestet. Dabei waren nur noch 300 asymptomatische Fälle entdeckt worden.

Schon in Wuhan wurde ein Markt mit Meeresfrüchten, wo auch wilde Tiere verkauft worden waren, als möglicher Ursprung des Ausbruchs der Lungenkrankheit Covid-19 verdächtigt, die sich seither in der ganzen Welt ausbreitet. Mehr als sieben Millionen Infektionen sind weltweit gezählt worden, mehr als 400 000 Menschen sind gestorben. (jaw/sda/dpa)

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So hat Wuhan in acht Tagen ein Spital gebaut
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So hat Wuhan in acht Tagen ein Spital gebaut
Vor neun Tagen machte dieses Bild die Runde um den Globus. Es zeigt, wie Bagger den Boden für zwei neue Spitäler in Wuhan vorbereiten.

quelle: epa / yuan zheng
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95 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Gurgelhals
15.06.2020 08:59registriert Mai 2015
Hackbrett? Demfall wahrscheinlich aus Appenzell eingeschleppt, chchchchchch.

Sorry Leute, konnte nicht anders.
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Saraina
15.06.2020 08:16registriert August 2016
Dass Kränkelnde in China immer noch drei Krankenhäuser aufsuchen müssen, ja dürfen, bevor ihnen das Virus diagnostiziert wird, überrascht mich jetzt doch etwas.
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Bin nur wegen der Kommentare hier
15.06.2020 09:15registriert November 2018
"Das Virus wurde bis zu einem Hackbrett auf dem Xinfadi-Grossmarkt zurückverfolgt, auf dem importierter Lachs verarbeitet worden war."

Korrekt! Und vermutlich kennt man auch den Vornamen des von ausserhalb importieren Lachses, der das Virus in sich trug. So sehr hat man das im Griff...
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