Die Schweiz war definitiv zu klein für Tidjane Thiam. Und verstanden hat er sie auch nie wirklich. Das zeigt sich exemplarisch an einer überlieferten Anekdote rund um die feierliche Eröffnung des Gotthard-Basistunnels vom 1. Juni 2016, zu der viele Würdenträger aus dem In- und Ausland geladen waren.
Die Sitzplätze waren knapp, begehrt und folglich kontingentiert im ersten Zug, der durch das Jahrhundertbauwerk fahren sollte. Thiams Wunsch, sich von einer Gruppe von Bodyguards begleiten zu lassen, konnte folglich nicht respektiert werden. Ein Umstand, welcher der damalige Credit-Suisse-Chef wiederum nur schwer akzeptieren konnte.
Thiam, sozialisiert in französischen Eliteschulen und einer Politikerfamilie aus der Elfenbeinküste, ist ein Mann mit Hofstab. Das war auch in seinen Credit-Suisse-Jahren so, obwohl ein solches Gebaren besser zur Politik als zu einer Bank passt. Ehemalige Weggefährten sind deshalb auch nicht erstaunt, dass Thiam nun zurückwill in die Politik. In den 1990er-Jahren war er in der Elfenbeinküste Minister für Planung und Entwicklung, nun will er ganz nach oben: auf den Präsidentenstuhl.
Eine erste Entscheidung auf dem Weg dahin steht nun an: Thiam bewirbt sich für das Amt des Chefs einer der wichtigsten politischen Parteien des Landes, der Demokratischen Partei der Elfenbeinküste (PDCI). Kann er sich am Samstag vor den rund 6000 PDCI-Delegierten gegen seine vier Konkurrenten durchsetzen, hat er gute Chancen, bei den Präsidentschaftswahlen 2025 als Kandidat seiner Partei anzutreten.
Davon jedenfalls gehen die Experten aus. Sebastian van Baalen, Assistenzprofessor an der schwedischen Universität Uppsala und Kenner der ivorischen Politik, spricht Thiam Stärken als potenzieller Herausforderer zu, wie er gegenüber der «Financial Times» festhält. Mit 61 Jahren sei er relativ jung in der ivorischen Präsidentenlandschaft, die von älteren Politikern dominiert werde.
Den Präsidentenposten inne hat der 81-jährige Alassane Ouattara, der derzeit seine dritte Amtszeit absolviert, obwohl die Verfassung eigentlich nur zwei zulassen würde.
Während Thiam an seiner nächsten Karriere arbeitet, ist die Schweiz mit den Aufräumarbeiten der zusammengebrochenen Credit Suisse beschäftigt. Und mit der Ursachenforschung, wie es so weit kommen konnte. Kurz nach der staatlich orchestrierten CS-Rettung wusch sich Thiam prophylaktisch schon mal seine Hände in Unschuld. In einem Gastbeitrag in der «Financial Times» hielt er fest, dass die Credit Suisse – als er als Chef zurücktrat – «nach einer tiefgreifenden Restrukturierung gerade den höchsten Gewinn seit zehn Jahren erzielt» hatte. Und dass in den «folgenden Jahren einiges schiefgelaufen» sei.
Bankkenner sehen das freilich ziemlich anders. Schliesslich war er es, der Nichtbanker und Versicherungsexperte Thiam, der nach seinem Antritt an der CS-Spitze die Bank mit fünf Geschäftseinheiten dezentralisierte und die Risikokontrolle massiv schwächte. Das machte sich später mit den zwei kostspieligen Fehlinvestitionen Greensill und Archegos schmerzlich bemerkbar. Es waren letztlich diese beiden Milliarden-Pleiten, welche das Ende der Credit Suisse einleiteten.
In Erinnerung bleiben wird Thiam der Schweizer Bevölkerung aber wegen einer anderen Geschichte: wegen des wohl absurdesten Nachbarschaftsstreits im noblen Villenquartier in Herrliberg am Zürichsee. Am Anfang der Geschichte stand Thiam und sein damaliger Untergebener Iqbal Khan, der sich damals auf dem Sprung zur UBS befand. Die beiden gerieten sich wegen Bäumen und vielem anderem in die Haare. Die Affäre gipfelte darin, dass Thiam Khan überwachen liess – was wiederum die Liste der CS-Skandale um eine unrühmliche Episode verlängerte. (aargauerzeitung.ch)
Ich wage mal die These, dass der ex-CS-Banker Thiam ("sozialisiert in französischen Eliteschulen und einer Politikerfamilie aus der Elfenbeinküste") als Präsident der Elfenbeinküste das nicht grundlegend ändern wird oder will.
Im neuen Amt würde dann wenigstens der Überwachungs- und Spionageapparat besser passen als in einer Bank.
Eigentlich müssten die in der Elfenbeinküste zum Teufel jagen, sobald er auch nur seinen Mund öffnet.