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In Russland feiert die Kremlpartei den Sieg: Opposition spricht von Wahlbetrug

In Russland feiert die Kremlpartei den Sieg: Opposition spricht von Wahlbetrug

20.09.2021, 06:38
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Bei der von Manipulationsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl in Russland steuert die Kremlpartei Geeintes Russland auf einen Sieg zu. Nach Auszählung von knapp 55 Prozent der Stimmzettel kam die Machtbasis von Präsident Wladimir Putin auf 46,6 Prozent, wie die Wahlkommission in der Nacht zum Montag in der Hauptstadt Moskau mitteilte. Mit Spannung wird erwartet, ob sie in der neuen Staatsduma ihre absolute Mehrheit verteidigen kann. Die Opposition um den inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny sprach dagegen von Wahlbetrug, den niemand hinnehmen sollte.

Den ersten Ergebnissen zufolge werden im neuen Parlament mit seinen 450 Abgeordneten mindestens vier Parteien vertreten sein. Die Kommunisten erhielten demnach 21,3 Prozent. Die rechtspopulistische Partei LDPR des Ultranationalisten Wladimir Schirinowski kam auf 8 Prozent und Gerechtes Russland auf 7,6 Prozent. Sie alle gelten als systemtreue Parteien und waren bereits in der Duma vertreten.

epa09476747 A man votes in a polling station at a local school during the Parliamentary elections in Podolsk outside Moscow, Russia, 19 September 2021. Elections of deputies of the State Duma, governo ...
Ein Mann stimmt in Moskau am 19. September 2021 ab.Bild: keystone

Hoffnungen auf einen Einzug kann sich eine neue Kraft machen: die Partei Nowyje Ljudi – auf Deutsch Neue Leute. Sie landete nach dem Zwischenstand bei der Auszählung auf knapp 6 Prozent der Stimmen. Die im März vergangenen Jahres gegründete Bewegung kann demnach auch bei den Regionalwahlen in einigen Gebieten auf Erfolge hoffen. Bereits im vergangenen Jahr war sie bei Wahlen auf Regionalebene erfolgreich.

Die Wahlbeteiligung hatte die Wahlkommission am Abend mit 45 Prozent angegeben. Am Montag sollte mitgeteilt werden, wie viele Menschen tatsächlich wählen gegangen sind. In Russland und im Ausland waren rund 110 Millionen Menschen zur Abstimmung aufgerufen.

Am Montag wollte Putin zudem mit Wahlleiterin Ella Pamfilowa die Abstimmung auswerten. Die Wahl galt als ein wichtiger Stimmungstest für den Kremlchef und seine Politik. Wegen steigender Preise bei gleichzeitig sinkender Löhne war der Unmut zuletzt gewachsen.

Bei einer Wahlfeier in Moskau kündigten Parteifunktionäre bereits an, dass der Kurs Putins fortgesetzt werde. Obwohl der Staatschef wegen mehrerer Coronafälle in seinem Umfeld nicht anwesend war, wurde er von Anhänger mit «Putin, Putin, Putin»-Rufen gefeiert.

Kremlgegner Nawalny darf nicht wählen
Der in einem Straflager in Russland inhaftierte Kremlgegener Alexej Nawalny hat nach Angaben der Behörden bei der Parlamentswahl nicht abstimmen dürfen. Laut russischem Recht seien rechtskräftig Verurteilte von Wahlen ausgeschlossen, sagte der Vize-Chef des Strafvollzugs, Waleri Bojarinew, am Sonntag der Agentur Interfax zufolge.

Nur Menschen in Untersuchungshaft, gegen die noch kein rechtsgültiges Urteil vorliege, dürften wählen. «Soweit ich weiss, ist das Urteil gegen Nawalny rechtskräftig», sagte Bojarinew.Der 45-jährige Oppositionelle hatte zuvor aus dem Straflager östlich von Moskau heraus die Menschen in Russland zur Protestwahl gegen die Kremlpartei Geeintes Russland aufgerufen.

Stimmungstest für Putin

Am Tag nach der Wahl wollen auch die Anhänger von Nawalny Bilanz ziehen. Sie hatten mit der «schlauen Abstimmung» zu einer Protestwahl gegen Geeintes Russland aufgerufen, um so ihr Machtmonopol zu brechen. Der Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow meinte, diese Methode habe in einzelnen Regionen Erfolge erzielt – konkret lässt sich das allerdings erst nach Vorlage der vorläufigen Endergebnisse sagen.

Wolkow kritisierte im Kurznachrichtendienst Twitter: «Diese Wahlen sind schmutziger als die von 2011 – viel schmutziger.» Die unabhängigen Wahlbeobachter der Organisation Golos haben mehr als 4000 Verstösse aufgelistet. Besonders verbreitet war demnach das Vollstopfen der Wahlurnen mit packenweise Stimmzetteln, aber auch erzwungene Stimmabgaben etwa unter Staatsbediensteten.

Der Politikwissenschaftler Gleb Pawlowski erwartete, dass beim Auszählen der Stimmzettel das Ergebnis zugunsten der Kremlpartei nachgebessert werde. «Geeintes Russland ist nicht mehr die Partei der Macht», sagte er dem unabhängigen Internet-Fernsehkanal Doschd.

Der Parteichef der Kommunisten, Gennadi Sjuganow, glaubt, dass Geeintes Russland bei «objektiver Betrachtung» nicht mehr die absolute Mehrheit erreicht habe. Er warnte nach Angaben der Agentur Interfax einmal mehr vor Wahlbetrug. Die Kommunisten meinten, dass unter der Kremlpartei und Putin kein Fortschritt zu erwarten sei. (sda/dpa)

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Maurer bei Putin
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Maurer bei Putin
Strahlen in die Kameras am 21.11.2019: Ueli Maurer und Wladimir Putin.
quelle: epa / alexei druzhinin / sputnik / kre
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Rohes Video – Putin und Trump (16.07.2018)
Video: srf
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26 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Graf Zacharias von Zitzewitz
19.09.2021 21:41registriert August 2019
Dieser dynamische junge Typ namens Putin könnte doch glatt als Überraschungssieger aus dieser Wahl hervorgehen. Das verspricht eine richtig spannende Wahl zu werden!
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AfterEightUmViertelVorAchtEsser___________________
19.09.2021 22:50registriert August 2017
Ich gehe mal davon aus, dass Putin so etwa 125 % aller Wählerstimmen gewinnt.
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Kommissar Rizzo
19.09.2021 23:25registriert Mai 2021
Im Osten nichts Neues
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