Sie kommen aus der NHL zurück, Grégory Hofmann steht vor dem Wechsel in die NHL – da hat es wohl schon mehrere Telefongespräche gegeben.
Gaëtan Haas: Klar, Greg hat viele Fragen. Es hilft, wenn man in dieser Situation jemanden fragen kann.
Was wollten Sie wissen?
Grégory Hofmann: Mich interessiert vieles. Wie alles gelaufen ist in Edmonton, angefangen beim Trainingscamp.
Was ist Ihre Empfehlung?
Haas: Halte den Kopf hoch, vertraue auf deine Stärken und wage es, sie auszuspielen. Ändere deinen Stil nicht. Es gibt Tage, da kriegst du wenig Eiszeit. Aber da musst du durch. Greg ist wie ich ein Spieler, der mit der Scheibe besser ist als ohne.
Dann haben Sie in den letzten beiden Jahren in Edmonton mehrheitlich ohne Puck gespielt…
Haas: … so extrem würde ich es nicht formulieren. Aber ich hätte den Puck schon gerne öfter gehabt.
Haben wir in Edmonton den wahren Gaëtan Haas gesehen?
Haas: ich hatte viel Selbstvertrauen. Aber die beiden ersten Centerpositionen waren von zwei der besten Center der ganzen Liga besetzt. Um einen Platz in der Mannschaft zu haben, musste ich mich stärker aufs Defensivspiel konzentrieren und spielte halt nicht sehr oft in der gegnerischen Zone. Aber ich konnte den Coach nie ganz von meinen offensiven Qualitäten überzeugen. Meine besten Spiele waren die zwei letzten in den Playoffs gegen Winnipeg. Da war für mich bereits klar, dass ich zurückkehren würde und ich habe wie befreit gespielt.
Was geht Ihnen bei solchen Erzählungen über die NHL durch den Kopf?
Hofmann: Jeder schreibt seine eigene Geschichte. Ich weiss nicht, was auf mich zukommt. Aber ich freue mich auf diese Herausforderung und ich werde versuchen, mein Spiel zu spielen, so wie zuletzt in Zug. Als Flügelstürmer ist die Ausgangslage nicht die gleiche, ein Mittelstürmer ist stärker in Defensivaufgaben eingebunden.
Also nicht zu viel nachdenken und spielen?
Hofmann: So ungefähr. Ich weiss, dass für mich nicht der rote Teppich ausgerollt wird. Aber ich bekomme eine Chance.
War für Sie die Umstellung auf das nordamerikanische Hockey und das Leben in Nordamerika schwierig?
Haas: Nein, eigentlich nicht. Es braucht eine gewisse Zeit, um sich an das Hockey auf dem kleineren Eisfeld zu gewöhnen. Aber so schwierig ist es nicht: In der Defensive ist es etwas einfacher, weil die Gegenspieler weniger Platz haben, um davonzulaufen. Dafür ist es in der Offensive schwieriger, weil du weniger Platz hast. Man ist in den Spielbetrieb integriert, findet den Rhythmus und es gibt so viele Spiele, dass es mir vorgekommen ist, als sei während der ganzen Saison Playoffs. Es bleibt genug Zeit für die Regeneration, höchstens der Jetlag bei den Reisen in andere Zeitzonen ist am Anfang ungewohnt. Das Leben war in der zweiten Saison auch angenehmer, weil meine Freundin nach Edmonton gekommen ist.
Kommt Ihre Freundin mit nach Columbus?
Hofmann: Das ist so vorgesehen. Aber erst einmal muss ich einen Platz im Team erkämpfen.
Sind Ihre Eltern zu Ihrem ersten NHL-Spiel eingeladen worden?
Haas: Ja, auch daran sieht man, welche Dimensionen die NHL hat. Als mein erster NHL-Einsatz feststand, hat Edmonton die Reise meiner Eltern organisiert. Sie sind gegen 18.00 Uhr rund zwei Stunden vor dem Spiel in Edmonton eingetroffen.
Wann war für Sie die Rückkehr in die Schweiz klar?
Haas: Als ich sah, dass für mich in Edmonton keine Steigerung mehr möglich ist.
Und da war auch klar, dass Sie nach Biel heimkehren?
Haas: Eigentlich schon. Für mich ist wichtig, dass ich viel Verantwortung übernehmen kann und Biel gibt mir diese Verantwortung. Das bedeutet für mich als Bieler in Biel sehr viel. Für mich ist auch wichtig, dass ich in Biel nach Ablauf meines Fünfjahresvertrages die Zusicherung für zwei weitere Jahre im Klub habe und dann herausfinden kann, was für mich nach meiner Spielerkarriere das Beste ist. Vielleicht spiele ich dann noch weiter oder ich helfe Stoney (Sportchef Martin Steinegger – die Red.).
Sie haben in Biel also eine wichtigere Rolle als zuvor in Bern?
Haas: Ja. Ich kam in Bern in eine Mannschaft mit einer festgefügten Hierarchie, die von einer Gruppe von erfahrenen Spielern um Mosi (Captain Simon Moser – die Red.) geführt wurde. Ich konnte sozusagen auf den fahrenden Zug aufspringen.
Nun sind Sie so etwas wie der Simon Moser von Biel…
Haas: …das sind grosse Worte. Wir werden sehen. Früher war man in Biel mit den Playoffs zufrieden. Die Mannschaft ist besser geworden und die Erwartungen sind nun grösser.
Sind Sie nach zwei Jahren in der NHL ein anderer Spieler geworden?
Haas: Nein. Aber ich musste mich in einigen Punkten verbessern. Beispielsweise beim Bully und ich habe gelernt, mich im Gedränge an der Bande besser durchzusetzen.
Sie waren bereits mit Davos Meister und nun haben Sie auch mit Zug den Titel geholt. Hat dieser Titelgewinn etwas verändert?
Hofmann: Ich habe 2019 in Zug einen Vierjahresvertrag ohne NHL-Ausstiegsklausel unterschrieben. Inzwischen gibt es durch den Transfervertrag der Liga mit der NHL die Möglichkeit, trotzdem in die NHL zu wechseln. Columbus hat früh Interesse signalisiert und dann meine Rechte von Carolina erworben. So ist die NHL überhaupt erst wieder ein Thema geworden. Ich glaube nicht, dass ich von Carolina einen Vertrag bekommen hätte. Aber alles hat sich erst ab Februar so richtig entwickelt: Nach einer Verletzungspause ist mir die Rückkehr gelungen, die Playoffs mit dem Gewinn der Meisterschaft und eine gute WM haben mich darin bestärkt, den Wechsel in die NHL zu wagen.
Sie haben sich erst nach der WM zum Wechsel nach Columbus entschieden?
Hofmann: Ja, vorher war der Spielbetrieb so intensiv, dass ich einfach keine Zeit hatte, mir die Sache zu überlegen.
Sie nehmen in Kauf, dass Sie in Columbus weniger Geld verdienen. Das war auch bei Ihnen beim Wechsel von Bern nach Edmonton so.
Haas: Jeder versucht, sein bestes Hockey auf dem höchstmöglichen Niveau zu spielen. Die Chance, in der besten Liga der Welt zu spielen, musst du einfach packen. Dafür nimmst du in Kauf, ein oder zwei Jahre weniger zu verdienen, Geld spielt überhaupt keine Rolle und wäre erst ein Thema, wenn es darum ginge, zehn Jahre im Farmteam zu verbringen.
Hofmann: Diese Chance kannst du einfach nicht auslassen. Die NHL war immer mein Ziel, es ist die beste Liga der Welt…
Haas: …und was heisst in diesem Zusammenhang schon weniger Geld? Selbst wenn es etwas weniger sein sollte als beim Klub hier in der Schweiz, dann ist es noch immer ein sehr gutes Salär.
Hofmann: Es ist kein Verzicht. Von Verzicht könnten wir reden, wenn ich fünf oder sechs Jahre im Farmteam spielen würde.
Wenn wir schon beim Geld sind: Wissen Sie, wie viel Greg in Zug verdient?
Haas: Nein.
Wissen Sie, wie viel Gaëtan in Biel verdient?
Hofmann: Nein.
Interessiert es Sie nicht?
Haas: Nein.
Hofmann: Mich auch nicht.
Sie tauschen keine Lohninformationen aus?
Haas: Nein. Jeder von uns hat seine Rolle in seinem Team und er wird so bezahlt, wie es der Klub für richtig befindet. Wir kennen ja den Markt.
Ärgern Sie sich über Lohnsummen, die in den Medien herumgeboten werden?
Haas: Nein. Gerüchte gibt es immer und das Publikum interessiert sich halt dafür. Unter uns Spielern reden wir nicht über die Löhne. Das ist unsere Kultur, nicht nur im Sport. In Nordamerika ist das anders. Da sagt jeder offen, was er verdient.
Hofmann: Wie Gaëtan sagt: Wir kennen ja den Markt.
Haas: Ein bisschen ärgerlich ist es höchstens, wenn in den Medien Fantasiesummen herumgeboten werden.
Zum Beispiel?
Haas: Löhne von über 800'000 Franken.
Verdient keiner in der Liga mehr als 800'000 Franken?
Haas: Mehr als 800'000? Vielleicht gibt es einen oder zwei. Ich weiss es nicht. Aber eigentlich kann ich mir das nicht vorstellen.
Hofmann: Natürlich ist Geld im Leben wichtig. Aber es gibt nicht einen Spieler, der des Geldes wegen eine Hockeykarriere beginnt. Es geht um die Leidenschaft für dieses Spiel.
Sie sind auch Bieler – ist es möglich, dass Sie in zwei Jahren, wenn es keine vertragliche Bindung mehr mit Zug gibt, im Falle einer Rückkehr nach Biel wechseln?
Haas: Ich werde in diesem Fall versuchen, ihn davon zu überzeugen.
Hofmann: Jetzt konzentriere ich mich auf die neue Herausforderung in Columbus. Aber später einmal nach Biel? Warum nicht? Das Leben hat mich gelehrt, niemals nie zu sagen.
In welchem Zusammenhang?
Hofmann: Als ich in Ambri war, hat Teleticino mit Inti Pestoni und mir ein Interview geführt. Ich war 17, sprach noch nicht so gut Italienisch und ich habe mich zur Aussage provozieren lassen, dass ich ganz sicher nie für Lugano spielen werde. Als ich später dann von Davos doch nach Lugano wechselte, hat man sich natürlich an diese Aussage erinnert.
Sind Sie aufgrund dieser Erfahrung bei Interviews so professionell und unpolemisch?
Hofmann: Ich sage, was ich denke. Aber ich habe bei allem, was ich sage, auch eine Verantwortung gegenüber meinem Klub und meinen Mitspielern. Meine Muttersprache ist Französisch und manchmal wird eine Aussage in italienischer oder deutscher Sprache anders empfunden, als ich es meinte oder es wird etwas hineininterpretiert. Also überlege ich mir, was ich sage.
Sie sind zwar Bieler, haben aber nie in Biel gespielt. Wie kommt das?
Hofmann: Ich bin in Biel geboren, wohnte später in Tramelan, spielte als Junior zuerst in La Chaux-de-Fonds. Ich erinnere mich aber noch gut, wie ich mit Gaëtan im Sommer zu einem Plauschturnier nach Gap in Frankreich gefahren bin. Da war ich 13 oder 14 Jahre alt.
Haas: Wir brauchten noch ein paar gute Spieler für unser Team und ich fragte Greg, den ich aus Spielen in der Juniorenmeisterschaft kannte. Mein Vater übernahm die Rolle des Coaches und sagte in der Kabine einfach: Ihr wisst ja, was zu tun ist.
Hofmann: Es hat sehr viel Spass gemacht und seither sind wir befreundet. Als Junior habe ich nur ein paar Monate bei La Chaux-de-Fonds gespielt und bin dann zu meinem Vater gezogen, der in der Nähe von Bellinzona wohnt. So kommt es, dass meine Karriere in Ambri begonnen hat…
…und einmal in Biel eine Fortsetzung finden könnte. Haas/Hofmann wäre das ultimative Power-Duo.
Hofmann: Wie gesagt: Man soll niemals nie sagen. Wir haben inzwischen ja wenigstens in der Nationalmannschaft schon ein paar Mal zusammen gespielt.
In Biel könnten Sie jedenfalls bei Interviews frei heraus sagen, was Sie denken. Anders als in Ambri oder Lugano gibt es in Biel keine Polemik in den Medien.
Haas: Das könnte Greg bei uns. Das ist auch ein Grund, warum ich mich in Biel wohlfühle. Nach acht oder neun Niederlagen in Serie gibt es zwar Kritik, aber der Respekt geht nie verloren und es wird nicht polemisiert. Ich denke, das wird trotz höheren Erwartungen auch künftig so bleiben.
Da rockt es in Lugano in den Medien ganz anders…
Hofmann: ... das ist so. Die Medien sind näher bei der Mannschaft und auch das Training wird intensiv verfolgt. Nach Niederlagen kommt Unruhe auf. Das gehört zum Temperament der Lateiner.
Da war es in Zug vergleichsweise windstill.
Hofmann: Wir haben halt meistens gewonnen.
Beschäftigt Sie die WM-Viertelfinal-Niederlage gegen Deutschland immer noch?
Hofmann: Ja, es tut immer noch weh. Wir haben 2019 im Viertelfinal gegen die Kanadier auch eine schmerzliche Niederlage erlitten. Aber wir hatten dort alles gegeben und verloren gegen einen starken Gegner. Gegen die Deutschen haben wir ein Spiel aus den Händen gegeben, das wir hätten gewinnen können. Diese Niederlage steckt noch immer wie ein Kloss im Hals. Wir wollten eine Medaille und wir hatten die Mannschaft für eine Medaille. Aber wir werden unsere Lehren daraus ziehen.
Haben Sie das Spiel am Fernsehen verfolgt?
Haas: Ja. Wie Greg sagt: Wir hatten nicht nur die Mannschaft, um dieses Spiel zu gewinnen, es war auch eine Mannschaft für noch mehr. Aber so kann es gehen, wenn der Gegner am Schluss mit sechs Feldspielern alles riskiert. Es ist einfach sehr schade.
(Aus dem Fachmagazin «Slapshot»)