«Ich finde es schon etwas frech», enerviert sich Sonja R.* (*Name der Redaktion bekannt). Die CH-Media-Leserin erfuhr kürzlich in ihrer Coop-Filiale in St.Gallen, dass sie ihre leeren Plastikflaschen von Shampoos oder Waschmitteln nicht mehr gratis entsorgen kann. «Bisher war das immer möglich, aber nun sollen wir dafür etwas bezahlen. Das ist unfair.» Der Coop-Kundendienst sagte der verdutzten Kundin, sie könne stattdessen einen kostenpflichtigen Entsorgungssack kaufen, «oder die Flaschen halt bei der Migros vorbeibringen».
Der Grund für den Unmut der Coop-Kundin hat einen Namen: Recypac. Anfang Jahr lancierten Vertreter aus dem Schweizer Detailhandel und aus der hiesigen Nahrungsmittelindustrie das neue Recycling-System. Dazu gehören bekannte Namen wie Migros, Coop, Lidl, Aldi, Spar, Nestlé, Unilever und Emmi. Die von ihnen gegründete Branchenorganisation Recypac will laut eigenen Angaben ein «schweizweit flächendeckendes, einheitliches und hochwertiges Recycling für die beiden Wertstoffen» aufbauen, für Plastik-Verpackungen und Getränkekartons (CH Media berichtete).
Zwar gab es schon früher und auch heute noch ähnliche Sammelsysteme, die allerdings auf private Initiativen in gewissen Regionen beschränkt sind. Die Preisempfehlung der Organisation an die teilnehmenden Gemeinden sieht für den lila Sack namens Recybag so aus:
Doch wie sich nun bei der Umsetzung zeigt, hat das System aus Konsumentensicht bei Coop einen Haken. Denn bisher konnten Kundinnen wie Sonja R. ihre leeren Milch-, Duschgel- und Waschmittel-Flaschen in einen entsprechenden Recycling-Container bei den Supermärkten einwerfen. Gratis.
Doch an Orten, in denen der Recybag eingeführt wird, ist dieses System Vergangenheit, wie Coop-Sprecher Kevin Blättler auf Anfrage bestätigt. Milch- und Plastikflaschen nehme man nur noch dort separat gratis zurück, wo der Recybag noch nicht eingeführt worden sei. Dort, wo es ihn gibt – nötig dafür ist eine Konzession der Gemeinde – müssen sie im neuen, kostenpflichtigen Sack retourniert werden. «Wir planen eine schrittweise Überführung in das Recypac-System.»
Blättler weist darauf hin, dass die Sammlung von PET-Getränkeflaschen bereits heute nicht gratis ist und durch eine vorgezogene Recyclinggebühr von 1 Rappen pro Flasche finanziert werde. Diese ist im Verkaufspreis eingespeist.
Bei der restlichen sogenannten Hohlkörpersammlung, also jener von Waschmittel-, Shampoo- oder Milchflaschen, ist dies allerdings nicht der Fall. Diese werde bisher von Coop freiwillig und kostenlos angeboten, sagt Blättler. Doch nun solle sie «nach Möglichkeit» über Recypac mit kostenpflichtigen Kunststoffsammelsäcken laufen, «da die Sortierung und Aufbereitung aufwendig sind». Aktuell betreffe dies Verkaufsstellen in den Kantonen Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Zürich, Bern, St.Gallen, Schaffhausen und Graubünden.
Blättler betont, die Recypac-Säcke seien meist günstiger als Kehrichtsäcke. Zudem könne man in die neuen Recycling-Säcke auch andere Kunststoffverpackungen wie zum Beispiel jene von Take-away-Salaten oder Joghurts werfen. Auch Kartonverpackungen wie Tetrapack sind darin erlaubt. Das Volumen der gebührenpflichtige Kehrichtsäcke könne dadurch massiv reduziert werden. «Die Kundinnen und Kunden zahlen somit unter dem Strich nicht mehr.»
Eine unabhängige Kostenanalyse als Beweis für diese Aussage legt Coop nicht vor. Tatsache ist, dass Milch- und Duschgel- oder Waschmittelflaschen – in der Branche ist von PE-Flaschen die Rede – viel Platz im Sack einnehmen. Je nach Konsumentenverhalten ist es also durchaus möglich, dass die Privatkosten wegen der notwendigen Recybags steigen. Immerhin: Bei den Milchflaschen ist eine Umstellung auf PET in Gange. Diese können somit zunehmend in den PET-Containern entsorgt werden.
Coop-Sprecher Blättler sagt, der Kundendienst habe bisher keine negativen Reaktionen erhalten. Der Detailhändler bezeichnet das System als «bequem und einfach». Das sieht Sonja R. hingegen anders. «Wir überlegen uns nun, statt Milchflaschen aus Plastik solche aus Tetrapak zu kaufen und sie im herkömmlichen Abfall zu entsorgen, obwohl wir gerne mehr recyceln würden.» Doch es sei mühsam, zu Hause Platz zu machen für einen weiteren Sammelsack, nebst dem Glas-, Alu- und PET-Abfall. Zudem dürfte der Inhalt nicht besonders gut riechen, wenn auch Joghurt-Becher und Plastik-Salatschüsseln darin gelagert werden, wenn sie noch Lebensmittelrückstände aufweisen.
Die Migros geht einen kulanteren Weg als Coop. «Die Gratis-Entsorgung von PE-Behältern wie Shampoo-, Milch- oder Reinigungsmittelflaschen bleibt weiterhin möglich», sagt Sprecher Tobias Ochsenbein. Man sei bestrebt, den Kundinnen und Kunden «ein möglichst umfassendes Rücknahmesystem» anzubieten. Dies verringere den Abfallberg und helfe, Wertstoffkreisläufe zu schliessen und so Ressourcen und Umwelt zu schonen.
Wie beurteilt die Organisation Recypac die Sparmassnahme von Coop und den daraus entstehenden Nachteil für die Konsumenten? Sprecherin Stefanie Brauchli sagt, man habe Kenntnis von Coops Entscheid. Aber: «Recypac gibt keine Empfehlungen zur Plastikflaschen-Sammlung des Detailhandels ab.» Diese werde von den Detailhändlern selbst betrieben und auch von den Detailhändlern finanziert.
Derweil ist das Recypac-System weiter auf dem Vormarsch. Diese Woche gab die Organisation bekannt, dass die Städte Basel und Zürich sowie der Abfallzweckverband des Zürcher Bezirks Horgen dem Non-Profit Verein eine Konzession für die Sammlung von Plastik-Verpackungen und Getränkekartons erteilt haben. Damit erhielten zusätzlich über 700’000 Personen Zugang zum Recybag, heisst es in einer Mitteilung.
In den Sammelgebieten wird der Recybag in Filialen des Detailhandels sowie durch die Gemeinden verkauft. Die Sammelstellen befinden sich in ausgewählten Supermärkten sowie auf den Recyclinghöfen. (aargauerzeitung.ch)
Damit dies funktioniert, darf es für den Endbenutzer nicht teurer sein als das aktuelle System. Derzeit bezahlen wir Endkundinnen und Endkunden die Kosten bereits indirekt über die Produktpreise.
Also, liebe Detailhändler: Hört auf, ständig neue «Dienstleistungen» zu erfinden und separat zu bepreisen – und versucht nicht, das auch noch zu rechtfertigen.
Recycling sollte eine Pflichtaufgabe sein – kein Geschäftsmodell.