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Wirtschaft

USA verhängt 39 Prozent Zölle: Schweizer Unternehmen in Schock

CAPTION ADDITION: ADDS FEDERAL COUNCILLOR PARMELIN - Swiss President Karin Keller-Sutter, left, and Swiss Federal Councillor Guy Parmelin, second left, are greeted as she arrives at the State Departme ...
Trotz aller Bemühungen: Karin Keller-Sutter und Guy Parmelin konnten den Importzoll von 39 Prozent nicht abwenden.Bild: keystone

«39 Prozent sind eine Katastrophe. Es ist brutal, ein Schlag ins Gesicht»

Es hat sich abgezeichnet und ist nun Tatsache: Ab sofort gilt für Schweizer Produkte in den USA ein Importzoll von 39 Prozent. Schweizer Unternehmer reagieren schockiert.
07.08.2025, 10:4307.08.2025, 16:39

Um 6 Uhr Schweizer Zeit ist die Frist abgelaufen. Der Zollsatz von 39 Prozent für die Schweiz ist in Kraft getreten.

Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin sind am Freitagmorgen aus den USA zurückgekehrt – sie haben gegen Trumps Entscheid nichts mehr ausrichten können. Im Anschluss an eine ausserordentliche Sitzung wird der Bundesrat die Öffentlichkeit am Nachmittag informieren.

Die Stimmung der Schweizer Wirtschaft ist auf dem Tiefpunkt. watson hat sich mit drei Unternehmenden mit bedeutendem US-Markt unterhalten.

Thermoplan AG

Die Firma Thermoplan mit Hauptsitz im luzernischen Weggis entwickelt, produziert und vertreibt vollautomatische Kaffeemaschinen. Sie beschäftigt in Weggis etwas mehr als 500 Mitarbeitende.

Eine Produktionshalle der Thermoplan AG.
Eine Produktionshalle der Thermoplan AG.bild: zvg

Das Unternehmen ist in 86 Ländern tätig, die USA sind mit Abstand der grösste Markt. Adrian Steiner ist CEO des 1974 gegründeten Unternehmens und zeigt sich gegenüber watson schockiert:

«Jetzt, wo der Zollhammer gefallen ist, muss ich sagen: 39 Prozent sind eine Katastrophe. Es ist brutal, ein Schlag ins Gesicht. Die schlechtesten Rahmenbedingungen von ganz Europa. Wir machen 30 Prozent unseres Gesamtumsatzes in den USA. Es ist ein Schock, jetzt müssen wir reagieren.

Unser Geschäftsmodell ist so aufgebaut, dass wir uns auch auf Grosskunden fokussieren, darunter Starbucks, McDonald’s, die Imbisskette Tim Hortons etc. Für die meisten dieser Grosskunden sind die USA der Heimmarkt. Durch diese 39 Prozent Zoll sind wir auf dem US-Markt nicht mehr wettbewerbsfähig, so können wir globale Partner nicht mehr bedienen.

Ich bin seit 28 Jahren im Unternehmen und weiss, dass unsere Kunden die Qualität, Innovation und Zuverlässigkeit der Schweiz als Entwicklungs- und Produktionsstandort immer sehr geschätzt haben. Sie waren darum auch bereit, den Preis zu bezahlen.

Rund die Hälfte der Hersteller in unserer Branche stammt aus der Schweiz. Die sitzen im gleichen Boot wie wir. Die andere Hälfte stammt aus Süddeutschland und Norditalien und hat aufgrund des EU-Zolls von 15 Prozent nun massive Wettbewerbsvorteile.

Die 39 Prozent zwingen uns, verschiedene Produktionsverlagerungen nach Europa oder in die USA in Betracht zu ziehen. Wir haben Jahrzehnte an die Produktion in der Schweiz geglaubt und müssen nun fast unsere Seele verlagern. Das tut wahnsinnig weh. Es ist ein bitteres Gefühl, selbst nichts falsch gemacht zu haben, sondern einfach externe Rahmenbedingungen akzeptieren zu müssen.»

Adrian Steiner in der Produktion seines Unternehmens Thermoplan AG.
Adrian Steiner in der Produktion seines Unternehmens Thermoplan AG.bild: zvg

Platit AG

Die Firma Platit hat sich auf Beschichtungen spezialisiert. Wenn es darum geht, Werkzeuge, Gelenkimplantate oder Münzprägungen zu beschichten und so zu härten, gehört die Firma aus dem solothurnischen Selzach zu den weltweit führenden Adressen.

Dominik Blösch, CEO Platit AG
Dominik Blösch ist CEO der Platit AG. Seine hochspezialisierten Beschichtungslösungen exportiert er zu einem Viertel in die USA.Bild: zvg

Rund ein Viertel seiner Produktion exportiert Platit in die USA. Das KMU hat neben Selzach einen weiteren Produktionsstandort in Tschechien. Gesamthaft beschäftigt Platit 150 Personen, davon rund 50 in der Schweiz. Gegenüber watson nimmt Firmenchef Dominik Blösch Stellung.

«39 Prozent Zölle sind natürlich brutal. Wir haben in den USA keine direkte Konkurrenz. Die entsprechenden US-Firmen bewegen sich nicht auf dem Qualitätslevel, auf dem wir sind. Die Konkurrenz aus Europa und Japan ist jetzt jedoch bedeutend besser gestellt. Dies bringt uns als Firma, die auch in der Schweiz produziert, in eine schwierige Lage. Kurzfristig heisst das, dass es unwahrscheinlich ist, dass wir ein Gut, das wir in der Schweiz produzieren, in die USA verkaufen.

Unsere Arbeitsplätze kommen auf jeden Fall unter Druck. Wir könnten mittelfristig Produkte, die für den US-amerikanischen Markt bestimmt sind, in der EU produzieren. Da haben wir eine gewisse Flexibilität. Aber es führt in jedem Fall zu Ineffizienz und Mehrkosten.

Ebenfalls von Vorteil ist, dass wir eine amerikanische Niederlassung haben. Und wir sind im Moment auch in der Prüfung, gewisse Wertschöpfungsschritte direkt in den USA durchzuführen. Das heisst aber nicht, dass wir die Produktion komplett in die USA verlagern.

Aktuell spüren wir eine sehr grosse Zurückhaltung von amerikanischen Kunden, was Bestellungen anbelangt. Die Unsicherheit, wie sich die Zölle in den nächsten Monaten entwickeln können, ist im Moment einfach Gift. Das nimmt die Planbarkeit aus den Investitionen. Insbesondere kleinere Kunden haben Angst, dass sie überzahlen. Wenn sie jetzt kaufen und die derzeitigen Zölle gelten und dann doch noch eine Veränderung des Zollsatzes eintritt, haben sie einen Wettbewerbsnachteil.»

Urma AG

In Rupperswil im Kanton Aargau produziert die Firma Urma Präzisionswerkzeuge für die Metallbearbeitung. 150 Personen beschäftigt das KMU, davon etwa 110 in der Schweiz. Zwischen 20 und 25 Prozent des Exports geht in die Vereinigen Staaten.

Yannick Berner, Co-CEO der Urma AG
Yannick Berner, Co-CEO der Urma AG in der Schleifhalle der Firma.Bild: zvg

Wichtig sind dort vor allem Werkzeuge für die genaue Bearbeitung von Bohrungen. Die Kunden kommen aus dem Maschinenbau, aus dem Flugzeugbau und der Automobilindustrie, erklärt Yannick Berner gegenüber watson. Er führt das Unternehmen zusammen mit seinem Bruder.

«Wir sind natürlich enttäuscht. Gleichzeitig bleiben wir zuversichtlich, dass die Schweiz es doch noch schaffen wird, den Zollsatz auf ein anständiges Niveau herunterzuverhandeln. Anständiges Niveau heisst für uns: gleich lange Spiesse wie die EU.

Wir müssen sicher einen Teil der Zölle weitergeben. Viele vergessen, dass wir über die letzten Jahre wegen des starken Schweizer Frankens bereits teurer geworden sind. Wir müssen wettbewerbsfähig bleiben. Die USA und Japan haben 15 Prozent Zölle. Wenn wir jetzt unsere 39 Prozent Zoll komplett an die Kunden weitergeben, befördern wir uns damit aus dem Markt.

In den vergangenen Tagen haben wir so viel wie möglich für die USA vorproduziert. Wir haben gestern ausgeliefert, damit es vor der Zollfrist reichte. Nun geht es vor allem auch darum, den Kunden in den USA Sicherheit zu vermitteln, ihnen zu sagen: Wir sind hier. Ihr seid uns wichtig. Wir werden den amerikanischen Markt nicht aufgeben.

Unser Standort ist die Schweiz. Wir stehen für Qualität und haben die Produktion hier über Jahre hinweg aufgebaut. Das würde ebenfalls Jahre dauern, bis man so etwas in den USA auch schafft. Als KMU haben wir schlicht einen zu wenig grossen Hebel, um in den USA produzieren zu können. Abgesehen davon besteht auch in den USA ein Fachkräftemangel, auch die USA sind kein Niedriglohnland. Eine Verlagerung ist für uns deshalb kein Thema.»
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229 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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harbourCity
07.08.2025 10:50registriert Januar 2021
Easy, durchatmen. Die Zölle sind seit wenigen Stunden in Kraft. Wer weiss was der orangen Clown in den nächsten Tagen alles wieder umkehrt. Man muss nicht schon am allerersten Tag in Panik verfallen, die Produktion verlagern und am liebsten noch Kohle vom Staat verlangen.
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P. Etter
07.08.2025 10:53registriert Dezember 2021
Die USA ist ein wichtiger Markt und wenn man es auf Länder runterbricht auch unser wichtigster Exportpartner. die EU zusammengerechnet ist aber weitaus wichtiger. genauso wie China und die Emirate.
Wenn man global nicht mehr marktfähig ist, weil ein einziges Land wegfällt, dann hat man sich mit dem Land verzockt und das ist Teil der globalen Marktwirtschaft.
Natürlich trifft es diese Firmen hart, aber am Ende schneidet sich die USA ins eigene Fleisch. Man muss nur ein wenig abwarten.
Abgesehen davon werden Luxusgüter auch noch gekauft, wenn sie 39% teurer werden. Dann erst recht.
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René Obi (1)
07.08.2025 10:58registriert Januar 2016
Lasst dem Monster Zeit, genügend Aktien von Schweizer Firmen tu kaufen. Dann wird er die Zölle senken und diese Aktien mit fettem Gewinn wieder verkaufen. Hat er ja schon mal gemacht. Und ist damit durchgekommen.
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Historiker über Trumps Handelskrieg: «Europa muss kaltblütig bleiben»
Der amerikanische Präsident will Europa und China durch Zölle niederringen. So irrational, wie manche glaubten, sei sein Vorgehen nicht, sagt der Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe. Für die Schweiz hat er einen Ratschlag.
Sie haben sich mit der Geschichte von Handelskriegen beschäftigt. Welcher vergangenen Epoche ähnelt unsere Zeit am ehesten? Ich dachte an die Lage nach dem Ersten Weltkrieg, als Grossbritannien nicht mehr stark genug war, um die Ordnung aufrechtzuerhalten, die USA aber noch nicht bereit, an Englands Stelle zu treten.
Werner Plumpe: Grossbritannien hatte damals noch eine dominante Stellung inne, man sprach von der «Pax Britannica», die seit dem Ende der napoleonischen Kriege bestand. Doch bereits seit dem späten 19. Jahrhundert hatten die Engländer den Aufstieg der USA und Deutschlands hinnehmen müssen. Aber anders als die USA heute akzeptierten sie einen relativen Gewichtsverlust, zumal Grossbritannien ja weiterhin prosperierte.
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