«39 Prozent sind eine Katastrophe. Es ist brutal, ein Schlag ins Gesicht»
Um 6 Uhr Schweizer Zeit ist die Frist abgelaufen. Der Zollsatz von 39 Prozent für die Schweiz ist in Kraft getreten.
Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin sind am Freitagmorgen aus den USA zurückgekehrt – sie haben gegen Trumps Entscheid nichts mehr ausrichten können. Im Anschluss an eine ausserordentliche Sitzung wird der Bundesrat die Öffentlichkeit am Nachmittag informieren.
Die Stimmung der Schweizer Wirtschaft ist auf dem Tiefpunkt. watson hat sich mit drei Unternehmenden mit bedeutendem US-Markt unterhalten.
Thermoplan AG
Die Firma Thermoplan mit Hauptsitz im luzernischen Weggis entwickelt, produziert und vertreibt vollautomatische Kaffeemaschinen. Sie beschäftigt in Weggis etwas mehr als 500 Mitarbeitende.
Das Unternehmen ist in 86 Ländern tätig, die USA sind mit Abstand der grösste Markt. Adrian Steiner ist CEO des 1974 gegründeten Unternehmens und zeigt sich gegenüber watson schockiert:
Unser Geschäftsmodell ist so aufgebaut, dass wir uns auch auf Grosskunden fokussieren, darunter Starbucks, McDonald’s, die Imbisskette Tim Hortons etc. Für die meisten dieser Grosskunden sind die USA der Heimmarkt. Durch diese 39 Prozent Zoll sind wir auf dem US-Markt nicht mehr wettbewerbsfähig, so können wir globale Partner nicht mehr bedienen.
Ich bin seit 28 Jahren im Unternehmen und weiss, dass unsere Kunden die Qualität, Innovation und Zuverlässigkeit der Schweiz als Entwicklungs- und Produktionsstandort immer sehr geschätzt haben. Sie waren darum auch bereit, den Preis zu bezahlen.
Rund die Hälfte der Hersteller in unserer Branche stammt aus der Schweiz. Die sitzen im gleichen Boot wie wir. Die andere Hälfte stammt aus Süddeutschland und Norditalien und hat aufgrund des EU-Zolls von 15 Prozent nun massive Wettbewerbsvorteile.
Die 39 Prozent zwingen uns, verschiedene Produktionsverlagerungen nach Europa oder in die USA in Betracht zu ziehen. Wir haben Jahrzehnte an die Produktion in der Schweiz geglaubt und müssen nun fast unsere Seele verlagern. Das tut wahnsinnig weh. Es ist ein bitteres Gefühl, selbst nichts falsch gemacht zu haben, sondern einfach externe Rahmenbedingungen akzeptieren zu müssen.»
Platit AG
Die Firma Platit hat sich auf Beschichtungen spezialisiert. Wenn es darum geht, Werkzeuge, Gelenkimplantate oder Münzprägungen zu beschichten und so zu härten, gehört die Firma aus dem solothurnischen Selzach zu den weltweit führenden Adressen.
Rund ein Viertel seiner Produktion exportiert Platit in die USA. Das KMU hat neben Selzach einen weiteren Produktionsstandort in Tschechien. Gesamthaft beschäftigt Platit 150 Personen, davon rund 50 in der Schweiz. Gegenüber watson nimmt Firmenchef Dominik Blösch Stellung.
Unsere Arbeitsplätze kommen auf jeden Fall unter Druck. Wir könnten mittelfristig Produkte, die für den US-amerikanischen Markt bestimmt sind, in der EU produzieren. Da haben wir eine gewisse Flexibilität. Aber es führt in jedem Fall zu Ineffizienz und Mehrkosten.
Ebenfalls von Vorteil ist, dass wir eine amerikanische Niederlassung haben. Und wir sind im Moment auch in der Prüfung, gewisse Wertschöpfungsschritte direkt in den USA durchzuführen. Das heisst aber nicht, dass wir die Produktion komplett in die USA verlagern.
Aktuell spüren wir eine sehr grosse Zurückhaltung von amerikanischen Kunden, was Bestellungen anbelangt. Die Unsicherheit, wie sich die Zölle in den nächsten Monaten entwickeln können, ist im Moment einfach Gift. Das nimmt die Planbarkeit aus den Investitionen. Insbesondere kleinere Kunden haben Angst, dass sie überzahlen. Wenn sie jetzt kaufen und die derzeitigen Zölle gelten und dann doch noch eine Veränderung des Zollsatzes eintritt, haben sie einen Wettbewerbsnachteil.»
Urma AG
In Rupperswil im Kanton Aargau produziert die Firma Urma Präzisionswerkzeuge für die Metallbearbeitung. 150 Personen beschäftigt das KMU, davon etwa 110 in der Schweiz. Zwischen 20 und 25 Prozent des Exports geht in die Vereinigen Staaten.
Wichtig sind dort vor allem Werkzeuge für die genaue Bearbeitung von Bohrungen. Die Kunden kommen aus dem Maschinenbau, aus dem Flugzeugbau und der Automobilindustrie, erklärt Yannick Berner gegenüber watson. Er führt das Unternehmen zusammen mit seinem Bruder.
Wir müssen sicher einen Teil der Zölle weitergeben. Viele vergessen, dass wir über die letzten Jahre wegen des starken Schweizer Frankens bereits teurer geworden sind. Wir müssen wettbewerbsfähig bleiben. Die USA und Japan haben 15 Prozent Zölle. Wenn wir jetzt unsere 39 Prozent Zoll komplett an die Kunden weitergeben, befördern wir uns damit aus dem Markt.
In den vergangenen Tagen haben wir so viel wie möglich für die USA vorproduziert. Wir haben gestern ausgeliefert, damit es vor der Zollfrist reichte. Nun geht es vor allem auch darum, den Kunden in den USA Sicherheit zu vermitteln, ihnen zu sagen: Wir sind hier. Ihr seid uns wichtig. Wir werden den amerikanischen Markt nicht aufgeben.
Unser Standort ist die Schweiz. Wir stehen für Qualität und haben die Produktion hier über Jahre hinweg aufgebaut. Das würde ebenfalls Jahre dauern, bis man so etwas in den USA auch schafft. Als KMU haben wir schlicht einen zu wenig grossen Hebel, um in den USA produzieren zu können. Abgesehen davon besteht auch in den USA ein Fachkräftemangel, auch die USA sind kein Niedriglohnland. Eine Verlagerung ist für uns deshalb kein Thema.»