Der Machtkampf um Bundesanwalt Michael Lauber eskaliert. Bisher waren vor allem zwei Institutionen betroffen, die Bundesanwaltschaft und ihre Aufsichtsbehörde AB-BA, die sich in den Haaren liegen: Die AB-BA unter Präsident Hanspeter Uster hat ein Disziplinarverfahren gegen Lauber eingeleitet – wegen dessen nicht protokollierten, teilweise «vergessenen» Treffen mit Fifa-Boss Gianni Infantino. Lauber wehrt sich mit Händen und Füssen und mit Hilfe seines Anwalts Lorenz Erni gegen dieses Verfahren. Erni, der notabene gleichzeitig auch der Anwalt von Infantinos Vorgänger an der Fifa-Spitze Sepp Blatter ist.
Jetzt wird eine dritte Institution so richtig in den Strudel dieses Machtkampfes hineingezogen: Das Bundesstrafgericht in Bellinzona. Gestern schrieb die «SonntagsZeitung» von einem «Putsch am Bundesstrafgericht» und suggerierte, dass ein für Bundesanwalt Lauber folgenschwerer Entscheid nicht über alle Zweifel erhaben sei.
Im Visier der Lauber-Supporter ist Bundesstrafrichter Giorgio Bomio (60, SP). Er wurde im August vom Richterkollegium nicht als Präsident der Beschwerdekammer wiedergewählt. Bomio hatte den dreiköpfigen Spruchkörper präsidiert, der Lauber im Fifa-Verfahren in den Ausstand schickte, weil er sich ohne Protokoll mit Infantino getroffen hatte – was vom Gericht als Verstoss gegen die Strafprozessordnung gewertet wurde.
Bomio hält auf Anfrage von CH Media fest, dass seine im August erfolgte Nicht-Wahl keinen Zusammenhang mit dem Lauber-Verfahren habe. «Ich habe seit April 2019 gewusst, dass die Mehrheit des Gesamtgerichts mich nicht mehr zum Präsidenten der Beschwerdekammer wählen würde.»
Laut Bomio strafte man ihn dafür ab, dass er sich der Neuwahl der Verwaltungskommission des Gerichts widersetzt hatte: Diese dreiköpfige Gerichtsleitung wurde vom Gericht mit drei deutschsprachigen SVP-Richtern besetzt. «Eine solche Situation ist an den Gerichten und in den Institutionen der Schweiz noch nie da gewesen, da sonst stets sorgfältig darauf geachtet wird, die sprachlichen Minderheiten und die politische Vielfalt zu respektieren», sagt Bomio.
Die definitive Neubestellung der Verwaltungskommission wurde danach durch die Gerichtskommission in Bern sistiert. Laut Bundesparlamentariern war die Absetzung Bomios als Chef der Beschwerdekammer eine Retourkutsche in diesem Streit. Ihm wurde vorgeworfen, er habe das Parlament in Bern auf die Sache aufmerksam gemacht. Die Verwaltungskommission ist unter anderem für die Bewilligung von Nebentätigkeiten und Privilegien von Richtern zuständig. Bomio gilt als Kritiker dieser Privilegien.
Nicht nur Bomio ist sein Präsidium auf Ende Jahr los, sondern auch Claudia Solcà (53, CVP), eine erfahrene Richterin, die der Berufungskammer vorstand. Auch unter ihr hatte Lauber eine Niederlage erlitten: Die Berufungskammer lehnte es ab, Bomio im Fall Lauber für befangen zu erklären, wie es SP-Ständerat und Lauber-Supporter Claude Janiak behauptet hatte. Laut «SonntagsZeitung» war der Führungsstil Solcàs von nebenamtlichen Richtern kritisiert worden. Die Zeitung wirft aber auch die Frage nach einem «besonderen Verhältnis» zwischen Bomio und Solcà auf: «Das würde ihre Entscheide gegen Lauber und für Bomio in ein anderes Licht rücken.» Bomio weist auch diese «Konstruktion» zurück: «Sie ist eine Kollegin wie alle anderen.»
Die Lauber-Affäre wird jetzt auch noch zur Schlammschlacht. Und sie entwickelt sich immer mehr zum Flächenbrand in der helvetischen Justizlandschaft. Bald weitet sie sich nach Lausanne aus: Lauber gelangt inzwischen mit Beschwerden ans Bundesgericht. Ob er als Bundesanwalt wiedergewählt wird, zeigt sich am Mittwoch in der Bundesversammlung.
Darum muss der weg!