17 Bewerbungen waren bis Mitte August 2011 bei der Gerichtskommission eingegangen. Sie alle wollten Nachfolger oder Nachfolgerin von Erwin Beyeler werden, dem vom Parlament nicht wiedergewählten Bundesanwalt.
Einer der 17 stiess auf fast ungeteilte Begeisterung bei der Gerichtskommission, die die Wahl vorbereitete: Michael Lauber, ein Parteiloser, ein Mann ohne Feinde und Makel, aber mit Charisma und voller wohlklingender Sätze.
Dass er offen zu seiner Homosexualität stand, war kein Nachteil, es machte ihn noch perfekter. Lauber stand für eine Zeitenwende in den Amtsstuben an der Taubenstrasse, dem Sitz der Bundesanwaltschaft, die jahrelang mit negativen Schlagzeilen für Ärger und Arbeit gesorgt hatte.
Jetzt, Mitte Juni 2019, ist Lauber ein Bundesanwalt ohne Freunde. «Ich kenne bei uns niemanden mehr, der ihn unterstützt», sagte am Freitag ein Parlamentsmitglied aus dem Freisinn. Dabei gilt Lauber vielen als FDP-nahe, und dort hatte er bisher besondersviel Rückhalt.
Im Bundeshaus geht sogar das Gerücht um, Lauber werde die Kandidatur für seine Wiederwahl zurückziehen, die im September stattfinden sollte.
Aufstieg und Fall des Bundesanwalts. Mit 203 von 206 gültigen Stimmen war Michael Lauber am 28. September 2011 als Bundesanwalt gewählt worden. Das Parlament hatte sich für den Tadel- und Kantenlosen entschieden, der ihm die perfekte Strafverfolgung versprach, bei der es keine Nebengeräusche und keine negativen Schlagzeilen gab.
Dass Lauber ein Bankenmann des Liechtensteiner Geldfürsten war und noch gar nie Strafverfolgung gemacht hatte, nie Staatsanwalt gewesen war, das ging nur zu gerne vergessen.
Der Marketingmann in eigener Sache schuf nach seiner Wahl sehr rasch auch Nähe zu den Journalisten. Manchmal kam statt einer Antwort auf eine eingereichte, etwas kritische Frage das Angebot: «Kommen Sie doch rasch rüber, der Chef hat gerade Zeit.» Der Bundesanwalt, dein Kumpel, unkompliziert und zugänglich. Welcher Kontrast zum knorrigen Beyeler. Gespräche, wenn überhaupt, waren bei ihm formell und trocken, sie fanden im Sitzungszimmer der Bundesanwaltschaft statt.
Laubers Lohn war eine gute Presse. Und Journalisten hatten ihre Storys über Dschihadisten und deutsche Steuerfahnder.
Das System wurde perfektioniert, als Lauber ab 2015 André Marty als seinen Pressesprecher und Vertrauensmann installierte. Der ehemalige Journalist beim Schweizer Fernsehen und Tamedia war auch für ein gutes Verhältnis mit Parlamentariern besorgt. Heute sagen manche: «Zum Glück habe ich ihn nur einmal getroffen.»
Es herrschte Sorglosigkeit auch bei kantonalen Oberstaatsanwälten. Auf «Mike», den smarten Kommunikator, liessen viele nichts kommen. Es war eine Art Heldenverehrung.
Ein etwas kritischer Blick hätte nicht geschadet. Gerade, weil Lauber mehr Macht hat als alle seine Vorgänger. Die Wahl durch das Parlament gibt ihm hohe Legitimation, er muss sich vom Bundesrat nichts sagen lassen. Er kann seine Staatsanwälte selbst wählen oder in die Wüste schicken – was er auch gezielt tut. Er allein kann entscheiden, ob Verfahren eingestellt oder weitergeführt werden. Lauber, der Allmächtige. Dies ist ihm, glauben nicht wenige, in den Kopf gestiegen. «Grössenwahn» nennt es einer, der Lauber lange kennt.
Was jetzt passiert, hat sich lange vorher angekündigt. Spätestens Anfang 2015 wurde öffentlich, dass mit Laubers Methode etwas nicht stimmt. Dass er sich nicht an die Regeln der Strafverfolgung hält, sondern als Deal-Maker versteht.
Damals wurde zufällig bekannt, dass der Bundesanwalt abseits vom Protokoll Leute wie den Lobbyisten Thomas Borer traf, zu dessen Klientel umstrittene Oligarchen und Regimes gehörten.
Die «Schweiz am Sonntag» kommentierte damals: «Brandgefährlich sind Laubers anscheinend formlose ‹Apéros› oder ‹Mittagessen› mit weltweit bekannten Lobbyisten, die mit allen Wassern gewaschen sind.» Das erwecke den Anschein von Befangenheit und schade «der Glaubwürdigkeit der Schweizer Strafverfolgung».
Aber auch die Aufsichtsbehörde Bundesanwaltschaft (AB-BA) intervenierte nicht. Auch sie schien dem Charme Laubers zu erliegen.
Abrupt stolpert der Bundesanwalt jetzt über seine Auffassung, dass er sich auch mit in Verfahren involvierten Akteuren wie Fifa-Boss Gianni Infantino ohne Protokoll treffen kann. Mindestens drei derartige Treffen gab es zwischen 2016 und 2017. An das dritte vermag sich angeblich keiner der Anwesenden mehr zu erinnern.
Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Die AB-BA unter dem neuen Präsidenten Hanspeter Uster hat ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Das Bundesstrafgericht hat geurteilt, dass Laubers formlose Infantino-Treffen die Regeln der Strafverfolgung verletzen und die Fifa-Verfahren beschädigen. Ausgerechnet die Fussball-Verfahren, mit denen Lauber international brillieren wollte.
Wer sich im Parlament umhört, stellt fest: Die Politik hofft jetzt nur noch, dass der Bundesanwalt von sich aus verzichtet, sich im September zur Wiederwahl zu stellen. Kommt er trotzdem, winkt ihm die Abwahl.
All die Leute, welche die schönen Reden von der perfekten Strafverfolgung gerne glaubten, fühlen sich vorgeführt. Wohl hat Lauber die Behörde reorganisiert und modernisiert. Aber im Kerngeschäft, der Strafverfolgung, fehlten Resultate. Und, was viele besonders ärgert: Den internationalen Ruf der Behörde hat Lauber mit seinen Infantino-Treffen gründlich ruiniert. (bzbasel.ch)
Die Selbstherrlichkeit solcher Menschen ist nur widerwärtig.