Merkel und Bundespräsident Steinmeier beraten über aktuelle Lage

Merkel und Bundespräsident Steinmeier beraten über aktuelle Lage

20.11.2017, 13:52

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ist am Montag im Berliner Schloss Bellevue mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zusammengetroffen. Die beiden wollten nach dem Scheitern der Sondierungen für eine Jamaika-Koalition die Lage in Deutschland besprechen.

Steinmeier hatte zuvor einen geplanten Besuch in Nordrhein-Westfalen verschoben. Auch ein Besuch des niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte bei Merkel wurde wegen der innenpolitischen Lage in Berlin kurzfristig abgesagt.

Dem Bundespräsidenten kommt in der schwierigen Situation nach dem Abbruch der Gespräche zur Bildung einer neuen Bundesregierung eine Schlüsselrolle zu. Steinmeier will um 14.30 Uhr eine Erklärung abgeben, teilte das Bundespräsidialamt mit. Am Wochenende hatte er vor «panischen Neuwahldebatten» gewarnt.

Unübersichtliche Situation

Das Scheitern der Sondierungen von Union, FDP und Grünen hat Deutschland in unübersichtliche politische Verhältnisse gestürzt. Nachdem die SPD ihre Ablehnung einer grossen Koalition auch nach dem Abbruch der Jamaika-Gespräche noch einmal bekräftigte, bleiben zwei Möglichkeiten: eine Minderheitsregierung unter Führung der Union oder aber Neuwahlen.

Die FDP hatte die Verhandlungen mit Union und Grünen am späten Sonntagabend überraschend abgebrochen. «Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren», sagte FDP-Chef Christian Lindner. Er begründete den Abbruch der Sondierungen damit, dass es in den gut vier Verhandlungswochen nicht gelungen sei, eine Vertrauensbasis zu schaffen.

Merkel stürzt damit zwei Monate nach der Bundestagswahl in die schwerste Krise ihrer zwölfjährigen Amtszeit. «Es ist ein Tag mindestens des tiefen Nachdenkens, wie es weitergeht in Deutschland», sagte sie in der Nacht.

Schlüsselrolle für Steinmeier

Dem Bundespräsidenten kommt in dieser heiklen und in der Geschichte der Bundesrepublik bisher einmaligen Lage eine Schlüsselrolle zu. Er muss dem Bundestag einen Kandidaten für die Kanzlerwahl vorschlagen.

Denkbar wäre eine Minderheitsregierung unter Führung Merkels, etwa mit den Grünen oder der FDP. Merkel bräuchte dann aber bei Abstimmungen einige Dutzend Stimmen aus anderen Fraktionen.

Als weiteres Szenario denkbar sind Neuwahlen. Der Weg dorthin ist aber verfassungsrechtlich nicht einfach. Denn eine mögliche Neuwahl ist erst nach einer Kanzlerwahl möglich. Steinmeier müsste zunächst jemanden für das Amt des Bundeskanzlers vorschlagen.

Wäre dies Merkel und würde sie im dritten Wahlgang nur mit relativer und nicht mit absoluter Mehrheit gewählt, könnte der Bundespräsident sie zur Kanzlerin einer Minderheitsregierung ernennen - er kann aber auch den Bundestag auflösen. Innerhalb von 60 Tagen muss es dann Neuwahlen geben.

EU-Kommission hofft

Die EU-Kommission äusserte ihr Hoffnung, dass der Einfluss der gescheiterten Gespräche auf die Europapolitik begrenzt bleibt. «Wir sind zuversichtlich, dass der verfassungsmässige Prozess in Deutschland die Basis für Stabilität und Kontinuität sicherstellen wird», sagte ein Sprecher von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Diese sei «ein Markenzeichen der deutschen Politik» und die Kommission hoffe, «dass das dieses Mal nicht anders sein wird».

In der EU stehen in den kommende Monaten wichtige Reformentscheidungen an. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sowie Kommissionschef Juncker haben ehrgeizige Pläne für die Vertiefung der Währungsunion vorgelegt. Erste Weichen dafür sollen bei einem Gipfel der Eurozone Mitte Dezember gestellt werden. (sda/dpa/afp/reu)

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