Das Rechts-System in unserem Hockey funktioniert gut. Entweder bringen Schiedsrichter eine Missetat, die über gewöhnlich abzusitzende Strafen hinausgeht, beim Einzelrichter zur Anzeige. Oder der Player Safety Officer (PSO) oder das sog. Sounding Board beantragen beim Einzelrichter eine Bestrafung, wenn hinter dem Rücken der Schiedsrichter gesündigt worden ist. Sozusagen in der Funktion einer Staatsanwaltschaft.
Das Amt des Player Safety Officer haben bisher die ehemaligen Profi-Spieler Ryan Gardner und sein Stellvertreter Dale McTavish ausgeübt. Und zwar von ihrer nordamerikanischen Heimat aus. TV-Bilder können ja weltweit angeschaut werden.
Ein System ist aber letztlich nur so gut wie die Funktionäre, die es umsetzen. Ein Vorfall im März hat unser Hockey der Lächerlichkeit preisgegeben. Lausannes Gavin Bayreuther checkt im 4. Viertelfinalspiel zwischen Langnau und Lausanne am 19. März Linienrichter Dario Fuchs in den Rücken. Noch selten ist ein Linienrichter von einem Spieler so rüde attackiert worden. Vor den Augen der TV-Kameras und der Hockey-Welt. Es ist kein unglücklicher Zusammenprall. Es ist ein Check. Selbst wenn der Linienrichter ein Spieler gewesen wäre, hätte es eine Strafe gegeben.
Ein Vergehen, das zwingend eine Sperre bis an die juristische Grenze des Berufsverbotes hätte nach sich ziehen müssen (mindestens 10 Spiele).
Und was ist passiert? Nichts.
Wie ist das möglich? Es ist eine Verkettung von Umständen. Erstens sehen die Schiedsrichter den Vorfall auf dem Eis nicht. Hätten sie den Vorfall gesehen und den amerikanischen Verteidiger mit einem Restausschluss unter die Dusche geschickt, dann wäre der Fall automatisch beim Einzelrichter gelandet und die Hockey-Justiz hätte ihres Amtes gewaltet.
Wenn die Schiedsrichter einen Vorfall gegen einen Schiedsrichter nicht gesehen haben, kommt die Angelegenheit auf den Tisch des sogenannten Sounding Boards. Ein Dreiergremium mit Ryan Gardner als Player Safety Officer, Marc Reichert als Vertreter der Operetten-Spielergewerkschaft und Philippe Rytz als Vertreter der Schiedsrichter. Ryan Gardner und Marc Reichert haben Philipp Rytz, der den Fall an den Einzelrichter weiterleiten wollte, mit 2:1 überstimmt. Schlimmer noch: Sie haben auch die Wiedererwägung gegen die Stimme von Philipp Rytz abgeschmettert.
Ryan Gardner als Player Safety Officer ist also dafür verantwortlich, dass dieser Vorfall weder Verfahren noch Strafe nach sich gezogen hat. Die Hockey-Justiz ist ad absurdum geführt, ja der Lächerlichkeit preisgegeben worden. Kommt dazu: Wäre Lausannes wichtigster Verteidiger für die restlichen drei Viertelfinalpartien gesperrt worden, hätte Langnau womöglich diesen Viertelfinal gewinnen können. Ryan Gardner, zuvor schon umstritten, ist seit diesem Vorfall in der Schlüsselposition Player Safety Officer nicht mehr tragbar.
Nun hat die Liga reagiert und ihn gefeuert. Sein Stellvertreter Dale McTavish hat aus Solidarität zu seinem Chef das Handtuch geworfen. Beide sind weg.
Ryan Gardner und Dale McTavish werden durch Philippe Rytz – er hatte vergeblich ein Verfahren gegen Gavin Bayreuther gefordert – und David Racicot ersetzt. Philippe Rytz war ein Verteidiger-Haudegen (Servette, Biel, SCB, Lausanne, Langenthal, Olten) mit Erfahrung aus mehr als 500 Partien in der höchsten und 350 in der zweithöchsten Liga. Er hat sich als Schiedsrichter bewährt und arbeitete zuletzt als Inspizient und führte interimistisch die Schiedsrichter-Abteilung. Er steht bei Klubs und Spielern gleichermassen in hohem Ansehen. Der Kanadier David Racicot wird sein neuer Stellvertreter. Die beiden sind für die National League und die Swiss League zuständig.
Zudem gibt es eine wichtige Regeländerung: Bisher hat das dreiköpfige Sounding Board mit Mehrheitsentscheid (2:1 oder 3:0) eine Strafe beantragt. Nun genügt neu eine Stimme. Nach diesem neuen Modus wäre Gavin Bayreuther beim Einzelrichter angeklagt worden. Philippe Rytz hat nun als neuer Player Safety Officer weiterhin Einsitz im Sounding Board, Brent Reiber vertritt neu die Schiedsrichter und Marc Reichert bleibt.
Mit Philippe Rytz ist eine Schlüsselposition in unserem Hockey-Rechtssystem mit einer durch und durch kompetenten Persönlichkeit besetzt worden. Die Liga hat aus dem Fall Bayreuther die Konsequenzen gezogen.