Terrorismus - Frankreich: Augenzeugen berichten aus Nizza: «Es war der Horror»

Terrorismus - Frankreich: Augenzeugen berichten aus Nizza: «Es war der Horror»

15.07.2016, 15:56

Sie feierten ein fröhliches Fest an der mondänen Standpromenade von Nizza, das mit Panik und vielen Toten endete: Augenzeugen schildern die dramatischen Minuten, als ein Lastwagenfahrer nach dem Feuerwerk zum französischen Nationalfeiertag in die Menschenmenge fuhr.

Der deutsche Journalist Richard Gutjahr, der auch an der Schweizer Journalistenschule MAZ in Luzern unterrichtet, hat den Anschlag am Donnerstagabend aus nächster Nähe mitbekommen. Kurz nach 23 Uhr, das Feuerwerk sei eben beendet gewesen, habe sich ein weisser LKW der Menge genähert, erzählte Gutjahr dem «ARD Morgenmagazin».

«Es war ein absonderliches Bild, denn eigentlich hatten Autos auf dieser Strasse zu der Zeit nichts zu suchen. Es war ein Strassenfest, die Leute haben gefeiert, es gab Bands, es gab Clowns, es gab jede Menge Stände, um die sich Familien geschart haben.»

Der Lastwagen sei sehr langsam gefahren, einige Leute hätten gebrüllt, sagte Gutjahr im Interview mit Spiegel Online. «Ein Motorradfahrer fuhr an den LKW heran und versuchte vergeblich, während der Fahrt die Fahrertür zu öffnen. Das war wie in einem Kinofilm.»

Der Motorradfahrer habe es aber nicht geschafft, ins Führerhaus zu kommen und sei unter die Räder geraten. «An der Kreuzung haben Polizisten das Feuer eröffnet, dann hat der Fahrer Gas gegeben und die ersten Menschen überfahren.» Während 10, 15 oder 20 Sekunden seien Schüsse zu hören gewesen. «Spätestens da brach denn auch die Panik aus», sagte Gutjahr.

«Schreie, die ich nie vergessen werde»

Ein Journalist der Zeitung «Nice Matin» wollte sich gerade auf den Heimweg machen, als er plötzlich Lärm und Schreie hörte. «Mein erster Gedanke war: Ein Verrückter wollte sein kleines Feuerwerk zünden und hatte es nicht unter Kontrolle», erzählte Damien Allemand.

«Einen Sekundenbruchteil später kam ein riesiger weisser Lastwagen mit irrer Geschwindigkeit auf die Menschen zu und lenkte hin und her, um ein Maximum an Menschen umzufahren.» Der Lastwagen sei einige Meter an ihm vorbeigefahren, aber er habe das Geschehen zunächst nicht einordnen können.

«Ich habe Menschen wie Bowlingkegel durch die Luft fliegen sehen, als er vorbeifuhr. Lärm und Schreie gehört, die ich niemals vergessen werde. Ich war wie gelähmt.» Erst als er verstanden habe, was vor sich ging, sei er mit anderen Menschen davongelaufen.

Dann habe er aber wissen wollen, was passiert sei, und sei auf dem Mittelstreifen der Uferpromenade zum Lastwagen zurückgelaufen. Ein Mann habe ihm zugeflüstert: «Es sind überall Tote.» Strandpächter hätten die Verletzten mit Wasser versorgt und die Leichen mit Handtüchern bedeckt.

Auf einmal sei erneut Panik ausgebrochen, als Menschen riefen: «Er kommt wieder! Er kommt wieder!» Doch da habe der von Kugeln durchsiebte Lastwagen seine Fahrt schon beendet gehabt. «Dieser Abend war der Horror», sagte Allemand.

Hinter einer Palme versteckt

Die Journalistin Janine Konopka schilderte der «Schwäbischen Zeitung» ihre Eindrücke. Als der Lastwagen auf sie zuraste, habe sie ihre Mutter zur Seite gestossen, auf den Boden geworfen und sei auf sie «draufgefallen».

«Und die Menschen neben uns, die hinter uns waren oder seitlich - die sind entweder überrollt worden oder auch woanders hingeworfen worden.» Während der Schüsse hätten sie und ihre Mutter sich dann hinter einer Palme versteckt.

Auch Ben und Elyse Phelps aus Perth erlebten den Anschlag hautnah mit. «Wir waren an der Promenade, als der Lastwagen mit 50, 60 Kilometern in der Stunde durch die Menschenmenge fuhr und sie ummähte. Wir sind in Panik weggerannt, weg vom Meer. Dann hörten wir Schüsse und sind weitergerannt landeinwärts.» Ein Mann habe sie in seine Wohnung gezogen, wo sie sich eine Stunde versteckt hätten. (sda)

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