Die EU-Finanzminister haben den Weg für Strafen gegen die beiden Defizitsünder Spanien und Portugal frei gemacht. In beiden Ländern seien die Anstrengungen zur Haushaltssanierung «deutlich hinter den Empfehlungen zurückgeblieben», hiess es in einer Erklärung.
Es ist das erste Mal überhaupt, dass ein Sanktionsverfahren gegen Mitglieder der Eurozone wegen einer Defizitüberschreitung in Gang gesetzt wurde. «Das verschärfte Defizitverfahren ist auf breiten Konsens gestossen», sagte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble nach dem Treffen am Dienstag in Brüssel.
Konkrete Sanktionen wurden jedoch noch keine gesprochen - dafür ist es noch zu früh. Die Minister hätten in ihrer Sitzung lediglich festgestellt, dass diese beiden Länder die Regeln nicht eingehalten haben, sagte der französische Ressortchef Michel Sapin. Damit trete die zweite Phase des Verfahrens in Kraft. Nun muss die EU-Kommission innerhalb von 20 Tagen Sanktionen vorschlagen. Laut Schäuble will sie dies aber noch im Juli machen.
Anschliessend haben die EU-Finanzminister zehn Tage Zeit, dem Brüsseler Vorschlag zu widersprechen. Tun sie das nicht, ist er automatisch angenommen.
Vorgaben klar verfehlt
Vor der Entscheidung der EU-Finanzminister verteidigte Spaniens Finanzminister Luis de Guindos die Bemühungen seines Landes, das Defizit zu senken. «Der Grund, warum ich optimistisch bin, ist, dass eine Strafe gegen Spanien einfach Unsinn wäre», sagte er.
Portugals Regierungschef Antonio Costa hatte vergangene Woche gewarnt, die Bussgelder gegen sein Land würden auch dort im Fahrwasser der Brexit-Entscheidung der Briten Europagegner stärken.
Spanien und Portugal hatten 2015 die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht eingehalten. Demnach ist maximal eine Neuverschuldung von 3.0 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) erlaubt. Spanien wies 2015 ein Defizit von 5.1 Prozent auf, Portugal verzeichnete 4.4 Prozent. Zugleich trafen sie trotz anderslautender Empfehlungen seitens Brüssel keine wirksamen Gegenmassnahmen, befanden die Finanzminister nun.
Die EU-Kommission kann nun in der vorgegeben Frist gemäss europäischem Regelwerk die Geldstrafen auf maximal 0.2 Prozent der Wirtschaftsleistung ansetzen. Zudem muss sie mindestens teilweise die Einfrierung von Mitteln aus den EU-Strukturfonds ab 2017 vorschlagen.
Symbolische Sanktionen erwartet
Die Brüsseler Behörde hatte aber schon durchblicken lassen, dass sie eine milde Gangart vorzieht, um das Wirtschaftswachstum in den früheren Krisenländern nicht zu gefährden. Es könnte also auf eher symbolische oder fast gar keine Sanktionen hinauslaufen. So hatte etwa EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici am Montag gesagt, die Geldstrafen könnten auf «null» festgesetzt werden.
«Ich bin sicher, dass wir am Ende ein kluges und intelligentes Ergebnis haben werden», sagte der slowakische Finanzminister Peter Kazimir, dessen Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat.
In den kommenden zehn Tagen haben die beiden Defizitsünder nun die Möglichkeit, gegenüber der EU-Kommission zu begründen, warum die möglichen Bussgelder reduziert werden sollen. Gemäss Schäuble können Spanien und Portugal zudem die Einfrierung von EU-Fondsgeldern abwenden, wenn sie im kommenden Jahr ihren Staatshaushalt stark verbessern.
Spanien kündigt Massnahmen an
So kündigte am Dienstag de Guindos bereits Massnahmen an. Sein Land wolle zur Verringerung seines Budgetdefizits sich bei der EU zu einer Anhebung der Körperschaftssteuer verpflichten. Madrid gehe davon aus, dadurch zusätzliche Einnahmen von 6.0 Milliarden Euro im Jahr zu erzielen, sagte der Minister dem staatlichen Rundfunk RNE.
Spanien will ausserdem den Kampf gegen die Steuerhinterziehung verschärfen und dadurch zusätzlich 1.0 Milliarden Euro einnehmen. Zudem rechnet Madrid laut de Guindos damit, dass der Staat 1.5 Milliarden Euro weniger an Zinsen für Staatsanleihen zahlen muss. «Im Jahr 2017 wird Spanien das Defizitlimit von drei Prozent einhalten», sagte der Spanier.
Madrid erhofft sich davon, dass die EU eine mögliche Strafe gegen Spanien wegen Verstössen gegen Haushaltsvereinbarungen möglichst gering hält. (sda/dpa)