Nach Tausenden Festnahmen nach dem Putschversuch hat der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ein gnadenloses Vorgehen gegen Anhänger seines Erzfeindes Fethullah Gülen angekündigt. Dieser bestritt erneut jede Verwicklung in den Putschversuch.
«Liebe Brüder, ist das genug?», sagte Erdogan am Sonntag in Istanbul bei der Beerdigung mehrerer Opfer der Unruhen. «In allen Behörden des Staates wird der Säuberungsprozess von diesen Viren fortgesetzt. Denn dieser Körper, meine Brüder, hat Metastasen produziert. Leider haben sie wie ein Krebsvirus den ganzen Staat befallen.»
Mitglieder der Gülen-Gruppe im Militär, die die Streitkräfte «ruiniert» habe, seien festgenommen worden. Es handle sich um Soldaten aller Ränge.
Erdogan rief das Volk erneut dazu auf, am Abend auf die Strasse zu gehen. «Ihr seid es, die die Plätze füllen sollen. Es darf keine Lockerung geben.» Schon am Samstag waren Zehntausende in der Türkei einem Aufruf der Regierung gefolgt, öffentliche Plätze nicht möglichen weiteren Putschisten zu überlassen. Zu der Aktion hatte die Staatsführung in einer SMS aufgerufen.
Erdogan macht Anhänger des im US-Exil lebenden Predigers Gülen für den Putschversuch verantwortlich.
Vorwürfe zurückgewiesen
Gülen wies die Vorwürfe erneut zurück. «Meine Botschaft an das türkische Volk ist, eine militärische Intervention niemals positiv zu sehen», sagte der 75-Jährige am Samstag (Ortszeit) in Saylorsburg im US-Staat Pennsylvania unter anderem der «New York Times». Auf diese Weise könne Demokratie nicht erreicht werden. Gülen lebt seit Ende der 1990er Jahre in den USA.
Eine Beteiligung seiner Anhänger an dem Putschversuch könne er nicht ausschliessen, denn er sei sich inzwischen unsicher, wer seine Anhänger in der Türkei seien, zitierte die «New York Times» aus dem Interview. Er habe die Regierung zugleich äusserst scharf kritisiert, sie mit dem Nazi-Regime verglichen.
Dem britischen «Guardian» zufolge, der ebenfalls an dem Interview beteiligt war, deutete der Prediger auch an, Erdogan selbst könne den Putsch inszeniert haben.
Nach dem missglückten Umsturzversuch hat Erdogan von den USA die Auslieferung seines einstigen Verbündeten Gülen gefordert. Er hält ihn für den Drahtzieher. US-Aussenminister John Kerry erklärte, Washington werde ein etwaiges Auslieferungsersuchen prüfen und «angemessen» darüber entscheiden. (sda/dpa/reu)