Apple und Samsung haben ein Problem – es kommt aus China und wächst mit 999%
Europäer kauften im ersten Quartal 2018 weniger Smartphones. Grosse Unterschiede gibt es zwischen West- und Osteuropa und auch bei den Geräte-Herstellern treten gegenüber dem Vorjahr grosse Verschiebungen an den Tag: Huawei und Nokia wachsen stark, die Verkaufszahlen von Xiaomi explodieren gar. Umgekehrt müssen die langjährigen Platzhirsche Samsung und Apple Federn lassen.
Die Top 5 in Europa
Samsung bleibt in Europa mit 33,1 Prozent Marktanteil führend, verkaufte aber deutlich weniger Smartphones als im Vorjahr. Die Nummer 2, Apple, konnte seinen Marktanteil leicht auf 22,2 Prozent ausbauen, verkaufte im insgesamt schrumpfenden Markt aber ebenfalls weniger iPhones als noch ein Jahr zuvor. Huawei aus China legt weiter zu und sicherte sich im 1. Quartal 2018 einen Marktanteil von 16,1 Prozent, was einem Wachstum von 38,6 Prozent entspricht.
Der Überflieger heisst Xiaomi. Obwohl die Handys der Chinesen in den meisten europäischen Ländern noch gar nicht offiziell verfügbar sind, kommt Xiaomi bereits auf Rang 4. Gegenüber dem Vorjahr beträgt das Wachstum mehr als 999 Prozent, was primär daran liegt, dass die Chinesen erst jetzt in Europa richtig Gas geben. Xiaomi ist nun auch weltweit der viertgrösste Smartphone-Hersteller, was vor allem an den guten Verkaufszahlen im Heimmarkt liegt.
Von Platz 5 grüsst mit Nokia ein alter Bekannter. Die Finnen sind mit ihren neuen Android-Smartphones erst seit Frühling 2017 zurück im Geschäft und lassen nach einem soliden Comeback bekannte Namen wie Sony, HTC oder LG hinter sich. HMD-Chef Florian Seiche sagte Ende 2017 im Interview mit watson, dass er die Marke Nokia in drei bis fünf Jahren wieder auf Augenhöhe mit Samsung, Apple und Huawei bringen wolle.
Dafür sieht es im Moment gar nicht so schlecht aus, weil Nokia auch in aufstrebenden Smartphone-Regionen wie Indien, Afrika und Südamerika mit guten Verkäufen rechnen kann, während Huawei auf Druck der US-Regierung in den USA vollständig aus den Regalen geflogen ist. Für die Chinesen ist dies ein herber Rückschlag auf dem Weg zur weltweiten Nummer 1. Huawei sieht sich in den USA mit Spionagevorwürfen konfrontiert. Unklar ist daher, ob Xiaomi den Sprung in die USA überhaupt wagen wird.
Die Top 5 weltweit
Westeuropäer kaufen weniger Smartphones, Osteuropäer mehr
Laut den Marktforschern von Canalys kauften Westeuropäer, wozu auch die Schweiz gezählt wird, in den ersten drei Monaten des Jahres 30 Millionen Handys. Dies entspricht einem Rückgang von 13,9 Prozent. Das sei der grösste je gemessene Rückgang. Osteuropäer kauften 15,9 Millionen Smartphones, was einem Plus von 12,3 Prozent entspricht. Unter dem Strich konnte Osteuropa die Verluste in Westeuropa nicht kompensieren. Es resultiert ein Minus von 6,3 Prozent für ganz Europa.
Darum wachsen Xiaomi, Nokia und Huawei in Europa
Nokia, Xiaomi und Huawei legen nicht zuletzt auf Kosten von Apple und Samsung zu, weil sie inzwischen sehr gute Smartphones verkaufen, welche teils kaum die Hälfte der teureren Rivalen kosten. Vor allem Xiaomi und Nokia heizen so ihre Verkäufe an, verdienen aber auch entsprechend wenig an jedem verkauften Gerät.
Huawei hat sich in Europa inzwischen gut etabliert und verkauft nebst preiswerten auch sehr teure Modelle, wie das knapp 900 Franken teure P20 Pro mit der ersten Dreifach-Kamera.
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Teure Marken wie Apple und Samsung leiden auf hohem Niveau unter der schwachen Nachfrage in Westeuropa, während günstigere Hersteller vom Smartphone-Boom in Osteuropa und insbesondere in Russland profitieren. Aber: Auch wenn Apple und Samsung in Europa Marktanteile einbüssen, verdienen sie mit ihren teuren, margenstarken Geräten wie dem iPhone X oder Galaxy S9 weit mehr als die Konkurrenz.
Nokia profitiert bei seinem Comeback von der bekannten Marke und den etablierten Beziehungen zu den Händlern und Mobilfunkanbietern, die Nokia-Smartphones nur zu gerne wieder in ihr Sortiment aufnehmen, um der Marktmacht von Apple und Samsung etwas entgegenzusetzen.
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Xiaomi geht einen anderen Weg und kooperiert in Europa bislang vor allem mit Grosshändlern, um ihre Geräte an den Mobilfunkanbietern vorbei direkt in die Läden zu bringen.
In den vergangenen Monaten haben die Chinesen ihre Europa-Präsenz massiv ausgebaut – mittlerweile werden die Geräte in Spanien und Osteuropa offiziell verkauft. Nun, kurz vor dem geplanten Börsengang, steht der definitive Sprung nach Westeuropa an: Der Mobilfunkprovider 3 wird Xiaomi-Handys bald in Österreich, England, Irland, Dänemark und Schweden verkaufen. In der Schweiz ist Xiaomi bislang nur über bestimmte Online-Händler verfügbar.
Xiaomi, vor wenigen Jahren noch als Trittbrettfahrer verschrien, gibt heute bei den Smartphone-Trends mit den Ton an. So haben die Chinesen etwa schon Ende 2016 das erste fast rahmenlose Smartphone enthüllt.
Vier Smartphone-Trends in Europa
- Die Verkäufe von Smartphones mit Bildschirmen grösser als 5,5 Zoll nahmen im Jahresvergleich um mehr als 50 Prozent zu. Die Displays werden also weiter grösser, was nicht zuletzt daran liegt, dass langgestreckte, fast randlose Displays mit einem Seitenverhältnis von 18:9 inzwischen auch in günstigen Geräten zu finden sind.
- Dual-SIM-Handys sind nun auch in Europa auf dem Vormarsch. Die Mobilfunkanbieter weigern sich zwar in der Regel, Dual-SIM-Handys zu verkaufen, aber vor allem günstige Hersteller wie Huawei und Wiko bringen ihre Dual-SIM-Modelle direkt über den Einzelhandel in den Verkauf.
- Die Verkäufe von Smartphones mit mindestens 4 GB RAM sind um 82,7 Prozent gestiegen. Somit haben inzwischen auch viele Mittelklassegeräte für weniger als 400 Franken mehr als genug Arbeitsspeicher.
- Vor ein, zwei Jahren galten Dual-Kameras oder die Gesichtserkennung zum Entsperren des Handys noch als Premium-Feature. Aber auch diese Funktionen bekommt man heute teils bereits in der unteren Mittelklasse. Huawei, Nokia und Wiko statten selbst günstige Smartphones mit Dual-Kameras aus, so dass deren Verbreitung im Jahresvergleich um 155 Prozent in die Höhe geschnellt ist.