Am Anfang der Geschichte steht Peter Läuppi, ehemaliger Chef Ausbildung und Forschung bei Swiss Ski (2005 bis Ende 2017). Schon seit mehr als zehn Jahren arbeiten er und sein Team an der Idee, die Leistungs-Daten der Athletinnen und Athleten mit einem Chip exakt zu erfassen und synchronisiert mit den Videoaufnahmen auswerten zu können.
Konkret: Swiss Ski wollte eine so genaue Erfassung, wie sie keine andere Nation hat. «Unser System sollte genauer sein als die Augen der Trainer», sagt Läuppi.
Wie genau, will Swiss Ski nicht verraten. Die Konkurrenz soll die sensiblen Daten nicht erfahren. So viel sei verraten: «Wir können in der Analyse exakt zeigen, welche Auswirkungen beispielsweise ein technischer Fehler oder eine falsche Linienwahl hat», sagt Läuppi. Das hat weitreichende Folgen.
«Früher ist ein Athlet möglicherweise den gleichen Lauf zweimal exakt gleich schnell gefahren. Der Trainer sagte dann: ‹Super, du hast es im Griff!› Nun können wir anhand der Daten sehen, dass er einmal bei Tor X zwei Zehntelsekunden verliert und bei der zweiten Fahrt bei Tor Y.
Vermeidet er beide Fehler, bedeutet das am Ende vielleicht den Sieg», sagt Läuppi. Anhand der Daten kann auch festgestellt werden, welche Fehler sich wie stark auswirken. «Früher hat nur das Baugefühl des Trainers entschieden, welche Fehler durch gezielte Übungen korrigiert werden.» Heute hilft der Computer, die Fahrten genauer zu analysieren.
Es wäre nicht das erste Forschungsprojekt von Swiss Ski, das den entscheidenden Unterschied bringt. So waren Peter Läuppi, Forschungskoordinator Björn Bruhin, Biomechaniker Jörg Spörri sowie die Trainingswissenschafter Michael Vogt und Marie Javet massgeblich an verschiedenen Forschungsprojekten beteiligt.
Zum Beispiel 2010, als die Skispringer mit der RUAG den gekrümmten Bindungsstab entwickelten, der Simon Ammann zu Doppel-Gold an den Winterspielen verhalf.
Skicrosser Mike Schmid profitierte im selben Jahr bei seinem Olympiasieg davon, dass das Forschungsteam in Zusammenarbeit mit dem SLF Davos die Schrägwandkurven der Originalstrecke im Voraus analysierte, nachbaute und die Ideallinie bestimmte.
Im Alpin-Bereich hat das Forschungsteam ein Racing-Konzept veröffentlicht, das auf wissenschaftlichen Studien basiert und bis heute als Ausbildungsbibel im Rennbereich gilt. «Selbst die Österreicher beneiden uns darum», sagt Läuppi.
Der Aargauer ist überzeugt, dass die Erkenntnisse und die daraus entstandenen Trainingsmethoden entscheidend dafür sind, dass Athletinnen wie Wendy Holdener in die Weltspitze vorgestossen sind. Wir haben einen Leitfaden für Schweizer Ski-Technik erschaffen.»
Zurück zum Chip, der weitere Schweizerinnen und Schweizer zu Siegern machen soll. Bei Swiss Ski heisst er schlicht Sensor, hat nun endlich eine praktische Grösse und wurde zusammen mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne entwickelt (EPFL).
Zwar gab es ähnliche Messgeräte schon, doch diese waren rucksackgross und somit ein Störfaktor bei wettkampfmässigen Trainings. «Unser Chip lässt sich problemlos an einem kleinen Ort verstauen», sagt Läuppi. Zum Beispiel im Rückenpanzer. Mehrere Jahre wurde geforscht und im Fall des Sensors rund eine halbe Million Franken investiert, bis das Projekt Ende 2017 abgeschlossen wurde.
Das Geld kam grösstenteils vom Bundesamt für Sport (Baspo). «Dort konnten wir Fördergelder für Projekte beantragen», sagt Läuppi. Konnten – denn der Bund schaffte die Unterstützung für wissenschaftliche Studien im Leistungssport jüngst aus Spargründen ab. «Leider, denn das könnte sich negativ auswirken», sagt Läuppi. Noch hat Swiss Ski einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz. Diesen gilt es zu nutzen.
Doch zurück zur Frage: «Kommt der nächste Abfahrts-Olympiasieger aus dem Computer? «Ja und Nein», sagt Läuppi. «Wissenschaftliche Erkenntnisse helfen. Doch nur darauf lässt sich Erfolg nicht aufbauen.» Das heisst: Es braucht auf der Piste auch jene Athletin oder jenen Athleten, der die Lehren umsetzt. Und dann gibt es noch Skifahrer wie Beat Feuz. «Die Ausnahmetalente machen instinktiv das Meiste richtig», sagt Läuppi.
Die Auswertung und Erkenntnisse aus der Arbeit mit dem Chip sind für alle Schweizerinnen und Schweizer da, müssen aber individuell umgesetzt werden. Vielleicht kommt also erst der übernächste Olympiasieger aus dem Computer.
(aargauerzeitung.ch)