Unfair sei die Sendung gewesen, der SRF-Moderator Jonas Projer nicht neutral genug und nur selten hätten die No-Billag-Befürworter ihre Voten zu Ende ausführen können.
Die Debatte in der No-Billag-«Abstimmungsarena» vom 2. Februar verlief hitzig. Mehrmals kam es zwischen Projer und No-Billag-Initiant Olivier Kessler zu Unstimmigkeiten. Das sorgte auf Seiten der Initiativ-Befürwortern für rote Köpfe. Der SRG-Ombudsmann muss sich derzeit mit einer Vielzahl an Beschwerden beschäftigen.
Kurzerhand lancierten die No-Billag-Initianten daraufhin eine eigene Sendung. Eingeladen dazu hatte der Schweizerische Gewerbeverband (SGV), dessen Vorstandsmitglied Robert Gubler gleich selbst an der Diskussionsrunde teilnahm. Auf seiner Seite debattierte die Vizepräsidentin der Stadtzürcher Jungfreisinnigen, Jessica Brestel, auf der Seite der No-Billag-Gegner standen der SRG-Präsident Jean-Michel Cina und SP-Nationalrätin Bea Heim.
Ausgestrahlt wurde «Arena Fokus KMU» am Montagabend auf Tele Züri, Tele Bärn und Tele M1. Als Moderator führte der Zürcher Stadtrat Filippo Leutenegger (FDP) durch die Runde. Für den Gewerbeverband lautete das Ziel der Sendung, «dass die Gesprächsteilnehmenden ausreden können», wie Mediensprecher Bernhard Salzmann vorgängig zu 20 Minuten sagte.
Eines kann nach der Sendung mit Sicherheit gesagt werden: Die Studiogäste wurden in ihren Voten nicht unterbrochen, Leutenegger war darauf bedacht, das Wort mal zu seiner Linken, mal zu seiner Rechten weiterzugeben. Wo die Gäste nicht konkret antworteten, hakte er nach, bei Ausuferungen klemmte er ab oder versuchte es zumindest.
Das gelang ihm aber nicht immer. Denn einer war in der Sendung kaum zu stoppen: SRG-Präsident Jean-Michel Cina ärgerte sich, schüttelte den Kopf, unterbrach – und schaffte es immer wieder, das Wort an sich zu reissen. Während Jonas Projer in einer «Abstimmungsarena» jeweils peinlich darauf achtet, dass Pro- und Kontra-Seite gleich viel Redezeit zuteil kommt, war es in «Arena Fokus KMU» der SRG-Präsident Cina, der sich mit seiner Vehemenz durchzusetzen vermochte und so seine Argumente länger ausführen konnte. Ob dies im Sinne des Gewerbeverbands war?
Auch keinen Gefallen machten sich die No-Billag-Befürworter, mit zum Teil wirren Argumenten, die sie vorbrachten. Mit Genuss zerpflückte Cina seine Kontrahentin Brestel, als diese erklärte, in Zukunft werde es sowieso kein lineares Fernsehen mehr geben. Vielmehr laufe der Trend hin zu Onlinesendungen im Internet und Channels von Privaten, die auf ihren Kanälen ihre Meinungen kund tun können. «Das sind ungeahnte Verbreitungsmethoden», sagt sie.
Für Cina ein Steilpass. «Das würde ja dazu führen, dass man den Journalismus abschafft», empörte er sich. Es brauche schliesslich jemand, der genau diese Vielzahl an Informationen einordnet, überprüft und den Informationen dadurch eine Qualität gebe.
Auch wichtig sei, dass die SRG Schweizer Künstler, Sprachminderheiten, Sinnesbehinderte mit Untertitelung und Audiodeskription unterstütze. Wer macht denn das nachher?, fragte er sich.
Brestel verirrte sich in der unbefriedigenden Antwort, dass sie schon heute nicht die SRG konsultiere, wenn sie Informationen aus den Regionen haben wolle. Vielmehr schalte sie dann beim Regionalfernsehen ein. Dass jedoch auch dieses von den Billag-Gebühren finanziert wird, schien Brestel kurzzeitig vergessen zu haben.
Gerade zu grotesk wirkte die Szene, als Brestel ein Beispiel anführte, das den Artikel 93 der Bundesverfassung hinterfragen sollte. Dieser Artikel regelt heute den Auftrag der subventionierten Medien und besagt, dass sachgerecht Bericht zu erstatten ist.
«Aber wer bestimmt, welche Meinung sachgerecht ist?», fragte Brestel. Denn wenn sie einen Sender lancieren wolle, der als Fanclub für den Unihockeyverein von Gossau fungiere, sei ihr das heute wegen des Verfassungsartikels 93 verboten. Schliesslich würde sie ja nicht neutral über den Unihockeyverein berichten. «Es kann doch nicht sein, dass uns das verboten wird.»
Alles in allem wurden in der Sendung aber keine neuen Argumente angeführt. Weder von den No-Billag-Befürwortern, noch von deren Gegnern. «Zwangsgebühren», «Wettbewerbsverzerrung», «Staatsmonopol» hiess es auf der einen und «Sprachregionen», «Demokratiesicherung» und «Krise der Medienbrache» auf der anderen Seite.
Richtig spannend wurde es erst, als Leutenegger das Publikum in die Diskussion einbezog. Sichtlich aufgewühlt meldete sich Marc Spiess zu Wort, der beim Regionalfernsehen «Tele Bielingue» in Biel arbeitet. An die No-Billag-Befürworter gerichtet fragte er: «Unser Budget besteht bis zu 70 Prozent aus Billag-Gebühren. Wie sollen wir in acht Monaten diese riesige Summe von 2.5 Millionen Franken reinholen?»
Mit der Antwort holte sich Brestel wenig Sympathiepunkte. Lächelnd sagte sie, man habe doch vier Jahre Zeit gehabt, sich diese Frage zu stellen. Und wenn der Sender in Biel genug beliebt sei, würden die Leute auch bereit sein, ein Abo zu bezahlen.
Zu Reden gab vor der Sendung auch die Auswahl des Moderatoren. Dass Filippo Leuteneggers journalistisches Handwerk ohne Zweifel für einen solchen Job taugte, bezweifelte zwar niemand. Hatte er die SRF-«Arena» in den 90er-Jahren doch selbst gegründet und viele Jahre moderiert. Jedoch wurde kritisiert, dass es in der heissen Phase der Stadtratswahlen in Zürich – Leutenegger kandidiert für das Präsidium – nun den Anschein mache, er gebe sich für die Anliegen der SRG-Gegner her.
Gegenüber «20 Minuten» dementierte dies Leutenegger aber. «Es ist ein kleiner Beitrag zur Meinungsbildung in einem wichtigen medienpolitischen Thema, das ich sehr gut kenne», begründet er sein Engagement.
Ganz neutral war er in der Sendung dann doch nicht. Zumindest hinsichtlich der Stadtratswahlen. Einen Werbespot, wenn auch nur einen kurzen, konnte er sich nicht verkneifen.