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Er ist Langnaus talentiertester und statistisch bester Schweizer Verteidiger. Mit einer Bilanz von +3 steht er sogar besser da als Verteidigungsminister Ville Koistinen (+1).
Nun steht fest, dass die SCL Tigers ab nächster Saison auf Miro Zryd (23) verzichten müssen. Sportchef Jörg Reber sagt: «Er hat uns mitgeteilt, dass er seinen Vertrag nicht verlängert und geht. Ich vermute, sein neuer Arbeitgeber heisst Zug.»
Tatsächlich bestätigt Zugs Sportchef Reto Kläy: «Er ist bei uns ein Thema und wenn er tatsächlich zu uns kommt, werden wir das zu gegebener Zeit bestätigen.» Der Transfer würde ja für Zug Sinn machen: Reto Kläy muss Nationalverteidiger Robin Grossmann (30) ersetzen. Er verlässt Zug Ende Saison des Geldes wegen Richtung Lausanne.
Für Jörg Reber ist der Abgang von Miro Zryd bitter. Es ist so etwas wie das bittere Ende eines Hockey-Märchens. Denn die Geschichte des Adelbodners ist eine ganz besondere.
Niemand hatte einst sein Talent erkannt und er musste sich selbst um ein Probetraining in Langnau bewerben. Wahrscheinlich ist in der Neuzeit noch nie einer auf so unkonventionelle Art und Weise vom unbekannten Junior zum respektierten NLA-Verteidiger aufgestiegen.
Im Herbst 2012 bekommt Ivan Brägger, damals Nachwuchschef der SCL Tigers, eine Anfrage per E-Mail. Ein bereits 18-jähriger Berner Oberländer fragt an, ob er nicht mal zum Training der Elitejunioren kommen dürfe. Er heisst Miro Zryd und spielt in Adelboden bei den Junioren und in der 1. Liga.
Ein Talent? Ivan Brägger weiss es nicht. Kann es nicht wissen. Alles Kramen und Nuschen in Unterlagen und Nachforschungen im Internet bringen keine Antwort. Miro Zryds Name taucht in keinem Aufgebot für Junioren-Nationalmannschaften auf. Ganz offensichtlich ist er unter allen Radarschirmen der Scouts hindurchgeflogen.
Eine Karriere kann zu Ende sein, bevor sie begonnen hat. Hätte Ivan Brägger das E-Mail von Miro Zryd ignoriert oder ihn nicht zum Training eingeladen, dann wäre Langnaus bester Schweizer Verteidiger heute ein Architekturstudent und «namenloser» Spieler in der 1. Liga beim EHC Adelboden.
Miro Zryd darf also im Herbst 2012 mit Langnaus Elite-Junioren üben. Aber nach ein paar Trainings ist er noch lange nicht am Ziel. «Ich bin nach ein paar Trainings wieder gegangen. Da in Adelboden der Meisterschaftsbetrieb weiterging. Am Ende der Saison durfte ich nochmals ins Training und erhielt das Okay, dass ich nächste Saison im Team bin.»
In der Saison 2013/14 verteidigt Miro Zryd bei Langnaus Elitejunioren. Der Zufall hilft noch einmal. Jörg Reber hilft als Assistent bei den Elitejunioren aus. Ihm ist der unbekannte Junior aus Adelboden bei den Trainings aufgefallen. Im Frühjahr 2014 steigt Jörg Reber zum Sportchef auf und schickt Miro Zryd eine Einladung zum Sommertraining mit der ersten Mannschaft. «Ich war überrascht, dass ich diese Chance bekam, ich hatte mich schon damit abgefunden, dass es nichts wird mit der grossen Hockey-Karriere.» Der Nonkonformist hatte die Maturitätsprüfung bestanden und hätte, wenn die Offerte aus Langnau nicht gekommen wäre, mit dem Studium begonnen.
Nun aber wird Miro Zryd im Sommer 2014 Hockeyprofi. Er bekommt seinen Platz im NLB-Team und steigt im Frühjahr 2015 mit den Langnauern in die NLA auf. So wie Miro Zryd dürfte in der scheinbar durchorganisierten helvetischen Hockeywelt noch keiner den Aufstieg in ein NLA-Team geschafft haben. Das ist wahrlich erstaunlich: Miro Zryd war tatsächlich von allen Scouts übersehen worden. Er musste sich schliesslich selber in Langnau anbieten. «Nur einmal bin ich zu einem U14-Camp in Thun aufgeboten worden. Aber da waren rund 50 Spieler.»
Von Miro Zryd nahm keiner Notiz. Er erinnert sich an drei Teilnehmer dieses Camps, die damals schon als grosse Talente galten: Dario Kummer (heute Langenthal), Anthony Rouiller (Olten) und Julian Schmutz (Biel). «Ich kann mich noch gut an die Drei erinnern, weil sie schon damals sehr talentiert waren.» Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass Miro Zryd den Mut hatte, sich per E-Mail in Langnau selber um einen Trainingsbesuch zu bewerben. Ungewöhnliche Wege zu gehen, liegt ihm. Er stammt aus einer Künstlerfamilie.
Sein Vater Björn hat den Stall seines Bauernhauses in eine Galerie umgebaut. Der Absolvent der weltberühmten Brienzer Holzbildhauerschule ist auch ein begabter Maler. Seine Kuh- und Ziegenportraits bringen zwischen 2000 und 3000 Franken ein (www.bjoernzryd.ch). Aber auch der Sport hat im weitverzweigten Familienclan der Zryds eine grosse Bedeutung. Seine Brüder Che (21) und Rui (17) spielen beim EHC Adelboden in der 1. Liga.
Die Grosstante ist eine der ganz Grossen im Schweizer Skirennsport: Annerösli Zryd gewinnt 1970 in Val Gardena, im Tal der Holzschnitzer, die Abfahrts-WM. Bei der gleichen WM ging der Stern von Bernhard Russi auf. Er wurde Abfahrts-Weltmeister. Und Grossvater Bruno war derjenige Stuntman, welcher im James-Bond-Film «Im Dienste ihrer Majestät» bei der wilden Skiverfolgungsjagd im Grätschsprung in der Tanne landet.
Auch Annerösli Zryd musste einen Umweg gehen: Sie war wegen einer Verletzung für die WM gar nicht vorgesehen, rutschte dann aber als Ersatzfahrerin nach. Nun verlässt Miro Zryd per Ende Saison den Klub, der ihm die Chance gegeben hat eigentlich vor der Zeit. Jörg Reber – ihm verdankt der Berner Oberländer letztlich seine Karriere – ist traurig, aber nicht böse. Und er macht sich auch ein wenig Sorgen. «Wir respektieren seinen Entscheid. Aber ich denke, es wäre für Miro besser gewesen, noch eine weitere Saison bei uns zu bleiben. Es ist fraglich, ob er sich jetzt schon bei einem Grossklub durchsetzen kann.»
Langnaus Sportchef ist bereits auf der Suche nach Ersatz. Im Zentrum der Bemühungen steht HCD-Verteidiger Noah Schneeberger (29). Sein Vertrag läuft aus und Arno Del Curto ist nicht sicher, ob es zu einer Verlängerung kommt. «Wir haben nächste Woche noch einmal ein Gespräch.»
Ein Wechsel nach Langnau wäre eigentlich auch eine schöne Geschichte: 2008 hat Noah Schneeberger Langnaus Junioren-Abteilung Richtung Biel verlassen und kam schliesslich nach einem Welschlandjahr bei Servette im Sommer 2012 nach Davos. Bereits sein Vater Jürg spielte in den 1970er Jahren für Langnau und vertritt heute die Interessen seines Buben als Agent.