Wirklich überraschend war die Ernennung von John Bolton als neuer Sicherheitsberater nicht. Seit Wochen wurde darüber spekuliert, wann der angeschlagene Dreisterne-General H.R. McMaster seinen Posten räumen müsse. Bolton wurde dabei stets als möglicher Nachfolger gehandelt.
Trotzdem sitzt der Schock tief. «Mr. Boltons Anstellung ist eine Einladung für einen Krieg, vielleicht sogar für einen Atomkrieg», tweetete Richard Painter. Er weiss, wovon er spricht. Wie Bolton war er Mitglied der Bush-Regierung.
Selbst konservative Experten sind über Boltons Ernennung entsetzt. Robert Gates, ehemaliger Verteidigungsminister von George W. Bush und später auch von Barack Obama, hatte Trump eindringlich davor gewarnt, Bolton ins Weisse Haus zu berufen.
Senator Christopher Murphy, Demokrat aus dem Bundesstaat Connecticut, erklärt, weshalb die Angst so gross ist:
John Bolton gehörte einst zu den sogenannten Neocons. Dabei handelte es sich um die Fraktion der republikanischen Partei, die daran glaubt, dass die USA das Recht, ja die Pflicht haben, «regime change» durchzuführen, will heissen: missliebige Diktatoren zu stürzen.
Der Irak-Krieg ist ein klassisches Beispiel eines solchen «regime change». Bolton war Mitglied der Bush-Regierung und ein Protegé des damaligen Vize-Präsidenten Dick Cheney. Er galt schon damals als der härteste der Hardliner und verteidigt den Irak-Krieg auch heute noch (im Gegensatz zu Trump). Ein gängiger Witz in Washington besagt, Bolton habe noch nie einen Krieg gesehen, den er nicht mochte.
Selbst für die Hardliner ging Bolton zu weit. Bush konnte ihn nur mit einem Trick zum Uno-Botschafter berufen. In der UNO war er verhasst, auch bei Amerikas Verbündeten. Kein Wunder: In den Augen Boltons ist die Organisation völlig überflüssig. Wenn die UNO überhaupt gebraucht wird, dann um die amerikanischen Interessen durchzusetzen.
Wie viele Zivilisten kennt Bolton keinerlei Skrupel in Sachen Militäreinsätze. Im «Wall Street Journal» hat er Ende Februar in einem Essay für einen Präventivschlag gegen Nordkorea plädiert. Gemäss Einschätzungen der Militärs hätte das Hunderttausende, ja Millionen von Toten zur Folge.
Auch den Atomvertrag mit dem Iran will er wieder rückgängig machen. Von Diplomatie hält er nichts, genau wie von Barack Obama, der diesen Vertrag ausgehandelt hat.
Bolton gilt als Kumpel von Steve Bannon. Wie der ehemalige Chefstratege wurde er vom Milliardär Robert Mercer unterstützt.
Die vielen Wechsel im Weissen Haus haben das Klima verändert. Gary Cohn, Rex Tillerson und H.R. McMaster sind weg. Der Stuhl des Stabschefs John Kelly wackelt bedrohlich, die letzten Hoffnungen ruhen auf Verteidigungsminister Jim Mattis.
Ersetzt worden sind die «Erwachsenen» durch heissblütige Ideologen. Neuer Aussenminister ist der ehemalige Liebling der Tea Party, Michael Pompeo, neuer Wirtschaftsberater Larry Kudlow, ein TV-Ökonom vom Wirtschaftssender CNBC.
TV-Moderatoren sind der neue Trend im Weissen Haus, vor allem, wenn sie bei Trumps Lieblingssender Fox News tätig waren. Bolton hat dort als aussenpolitischer Experte gewirkt. Eine ganze Reihe von anderen Chargen sind mit Fox-News-Leuten besetzt worden.
Auch Trumps neuer Anwalt in der Russlandaffäre, Joseph E. diGenova, war Berater bei Fox News. Sein Ruf als Anwalt ist zweifelhaft, doch der Präsident schätzt es, dass er im Gegensatz zum gefeuerten Vorgänger John Dowd den Sonderermittler Robert Mueller frontal angreift.
Lasst Trump Trump sein, haben seine Fans immer wieder gefordert. Sie haben ihr Ziel erreicht. Das Weisse Haus ist zu einer Reality-TV-Show verkommen mit Fox-News-Vertretern an den Schalthebeln der Macht.
Das selbst ernannte «stabile Genie» Donald Trump will sich nicht mehr gängeln lassen, weder von «Erwachsenen» noch von einem Sonderermittler. Er hat sein Kabinett so reorganisiert, dass er glaubt, nun seine Agenda durchsetzen zu können – notfalls auch mit einem Krieg.