Seit diesem Jahr schreibt man in Bern nicht mehr «Ja» oder «Nein» auf den Stimmzettel, sondern setzt bei der entsprechenden Antwort ein Kreuz. Das Ergebnis wird gescannt und von einer Software verarbeitet. Der Berner Markus Kühni beschäftigt sich schon lange mit diesen sogenannten E-Counting-Systemen, die das Auszählverfahren effizienter gestalten sollen.
Bereits Anfang Jahr kritisierte der diplomierte Informatikingenieur das neue Konzept der Berner in einem offenen Brief an den Gemeinderat. «Ich erkannte schon im Konzept die unprofessionelle Handhabung und das grosse Manipulations- und Fehlerpotenzial des Systems», sagt Kühni im Gespräch mit watson.
Am 18. Mai meldete er sich als Wahlbeobachter. Und prompt wurden bei einer Stichprobe von 50 Stimmzetteln zwei Fehler festgestellt. Beim ersten, einem Softwarefehler, wurden zwölf Stimmen nicht den richtigen Scans zugeordnet, bei einem zweiten erkannte der Scanner ein etwas schwaches Kugelschreiberkreuz nicht und die Stimme wurde nicht gezählt. «Wenn man bei einer so kleinen Stichprobe von einer Promille eine nicht gezählte Stimme findet, kann das kein Einzelfall sein», konstatiert Kühni, «rein rechnerisch muss von 1000 falschen Stimmen ausgegangen werden.»
Nicht nur falsche Gesamtsummen, sondern auch Manipulationen seien mit dem neuen System möglich, meint Kühni. «Die Summierung der Stimmen kann nicht kontrolliert werden», meint Kühni, schon gar nicht von Bürgern des Stimmausschusses. «Die Stadt arbeitet zudem im normalen Stadtnetz, auf dem normalen Stadtserver. Da ist die Manipulationsgefahr sehr gross.»
Gemäss dem Berner «Bund» will die Stadt nun über die Bücher und mit der Softwarefirma prüfen, was verbessert werden kann. Es könne ausgeschlossen werden, dass ein systematischer Lesefehler vorliege, sagte Stadtschreiber Jürg Wichtermann.
Markus Kühni ist damit noch nicht zufrieden. Da das System auch im Kanton St. Gallen eingesetzt wird und nach Kühnis Informationen dort noch weniger Stimmzettel kontrolliert werden und auch Basel das System evaluiert, befürchtet er, dass ein schlechtes System sich noch weiter verbreitet. «Beim E-Voting sind die Gefahren erkannt, beim E-Counting ist die technische Diskussion noch auf dem Niveau der frühen 90er», sagt er.