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800 Kilo Kartoffeln: Auch Bieler Bauern bleiben auf Ernte sitzen

Weil die Ipsacher Kartoffeln kleine Mängel haben, können sie nicht beim Grossverteiler verkauft werden.
Weil die Ipsacher Kartoffeln kleine Mängel haben, können sie nicht beim Grossverteiler verkauft werden.Bild: zvg

800 Kilo Kartoffeln: Auch Bieler Bauern bleiben auf Ernte sitzen

Immer wieder hört man von Bauern, die ihre Lebensmittel nicht verkaufen können und im Internet nach Abnehmern suchen – meistens mit Erfolg. Auch ein Bieler Bio-Betrieb verkauft 800 Kilogramm Kartoffeln mit kleinen Mängeln über einen «Food Save Market» direkt an Kundinnen und Kunden.
06.12.2022, 15:5406.12.2022, 15:54
David Kocher / ch media
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Zu reife Erdbeeren, um wenige Millimeter zu kleine Zwetschgen oder zu unförmige Süsskartoffeln – viele Bauern kämpfen mit den Normen der Grossverteiler und können Früchte oder Gemüse teilweise nicht verkaufen. Davon betroffen ist auch der Bio-Betrieb von Ueli Gassner und Angela Weber in Ipsach. Wegen kleineren Mängeln bleiben sie auf 800 Kilogramm Kartoffeln sitzen.

«Gesellschaft muss mithelfen»

«Die Kartoffeln haben kleine Mängel, die man äusserlich nicht auf den ersten Blick sieht. So ist es schwierig, diese auszusortieren», erklärt Ueli Gassner gegenüber BärnToday. Diese seien deshalb schwieriger zu verkaufen. «Die Kartoffeln sind aber sehr fein und man kann sie gut essen. Zum Rüsten gibt es einfach ein bisschen mehr zu tun».

Dass Gemüse von Grossverteilern wegen kleineren Mängeln nicht angenommen werden, sei bei seinen Berufskollegen ein häufiges Problem, bestätigt der Bio-Bauer. Die Leute müssten sich Foodwaste mehr bewusst werden, so Gassner. «Es kann nicht sein, dass man mit intensiver Produktion riesige Mengen Essen produziert und dann ein Drittel des Essens den Weg auf den Teller gar nicht findet. Da muss die ganze Gesellschaft mithelfen, weniger Foodwaste zu produzieren.»

Dies sei ein «Riesenproblem», betont auch Mathias Stalder vom Bieler Netzwerk «Stadt Ernähren». Zusätzlich kritisiert er den Konkurrenzdruck unter den Grossverteilern: «Jeder will die beste Ware, dementsprechend gut muss es auch aussehen. Die Ansprüche der Grossverteiler sind enorm hoch. Das geht zu Lasten der Produzentinnen und Produzenten.»

Zwei Kartoffelarten bereits ausverkauft

Um die Kartoffeln zu verkaufen organisiert die Plattform «Nourrir la Ville/Stadt Ernähren» am Mittwoch, 7. Dezember, einen Food Save Market. Von 11.00 bis etwa 15.00 Uhr sollen die Kartoffeln im Schlachthof Kulturzentrum an der Murtenstrasse 70 verkauft werden.

Im Vorfeld konnten bereits Kartoffeln reserviert werden. Das Angebot stösst auf grossen Anklang, rund 80 Bestellung seien bereits eingegangen, wie Mathias Stalder sagt. Zwei der drei Kartoffelsorten seien bereits ausverkauft. Der Bio-Bauer Ueli Gassner freut sich nicht nur über diesen Fakt: «Ich finde es auch sehr wertvoll, dass Leute die Kartoffeln kaufen und an Armutsbetroffene spenden können. Schon aus diesem Grund, finde ich die Aktion einen grossen Erfolg.»

Der Markt-Initiant Mathias Stalder erklärt die Absicht hinter der Möglichkeit zu Spenden: «In Biel haben wir ganz klar ein Armutsproblem, viele können sich keine gesunden Nahrungsmittel mehr leisten. Es braucht ein Angebot, dass auch diese Menschen berücksichtigt.» So arbeitet der Food Save Market mit dem Verein «Cartons du Cœur Biel und Umgebung» zusammen, welche gratis Lebensmittel anbietet.

Volle Lager, keine Abnehmer

Doch auch wer keine Kartoffeln reserviert hat, dürfte am Mittwoch fündig werden. «Von den Viktoriakartoffeln hat es noch einige», sagt der Ipsacher Landwirt. Auch weitere Bäuerinnen und Bauern, die von Foodwaste betroffen sind, haben sich gemeldet, weswegen am Food Save Market nun ein vielfältiges Sortiment an Gemüse zweiter und dritter Klasse angeboten wird. «Viele sagen uns, dass die Lager voll sind, es hat viele Ware von zweiter und dritter Klasse. Doch der Absatz stockt», so Mathias Stalder von «Stadt Ernähren».

«Der Stellenwert von Essen muss steigen»

Zwar sieht Gassner in Labels wie «Unique» von Coop, unter welchem Gemüse und Früchte, die nicht den Grossverteiler-Normen entsprechen, verkauft werden, als guten ersten Ansatz, doch müsse sich in der Gesellschaft noch mehr ändern: «Der Stellenwert von Essen muss höher werden», so Gassner. «Wenn wir ökologischer werden wollen, produzieren wir auch weniger intensiv. Dadurch gibt es auch weniger Ertrag und dann liegt es nicht mehr drin, dass wir einen Teil davon verschwenden.»

Genügend Produzentinnen und Produzenten scheint es jedenfalls zu geben. Ein zweiter Food Save Market ist bereits geplant: Am 25. Januar 2023 soll erneut Gemüse zweiter und dritter Klasse direkt von den Bäuerinnen und Bauern verkauft werden.

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